Arizona Vengeance Eishockey-Team: Tacker

Originaltitel: Tacker: An Arizona Vengeance Novel
Übersetzer: Joy Fraser

Erschienen: 04/2022
Serie: Arizona Vengeance Eishockey-Team
Teil der Serie: 5

Genre: Contemporary Romance, Sport Romance

Location: USA, Arizona, Phoenix


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-546-4
ebook: 978-3-86495-547-1

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Arizona Vengeance Eishockey-Team: Tacker


Inhaltsangabe

Es geht mir schlecht. Vor fünfzehn Monaten wurde mein Leben auf den Kopf gestellt, als das Flugzeug abstürzte, das ich selbst geflogen hatte. Verletzt und im Wrack eingeklemmt, musste ich hilflos zusehen, wie meine Verlobte einen langsamen und qualvollen Tod starb. 

Seit diesem Tag lebe ich in der Hölle und habe keinerlei Antrieb mehr. Außer, Eishockey zu spielen. Nur auf dem Eis dabei kann ich die schrecklichen Erinnerungen hinter mir lassen und dem Schmerz entkommen. Außerhalb des Eises gerate ich immer mehr außer Kontrolle. Ich verliere den Halt im Leben, bringe mich selbst in Gefahr und setze meine Karriere aufs Spiel. Jetzt wurde mir eine Therapie verordnet, um im Team bleiben zu dürfen.

Das Problem dabei? Ist meine unkonventionelle Therapeutin Nora Wayne. Ich kann ihr den ganzen albernen Mist nicht abkaufen. Wie könnte sie auch verstehen, was ich durchmache? Woher will sie wissen, wie man wieder glücklich wird, nachdem man den wichtigsten Mensch im Leben verloren hat?
Doch ich habe eine Menge zu lernen, und sie ist genau die Person, meine Mauern einzureißen. 
Es geht mir schlecht. 

Doch zum ersten Mal weiß ich, dass sich das ändern könnte. 

Über die Autorin

Seit ihrem Debütroman im Jahr 2013 hat Sawyer Bennett zahlreiche Bücher von New Adult bis Erotic Romance veröffentlicht und es wiederholt auf die Bestsellerlisten der New York Times und USA Today geschafft.
Sawyer nutzt ihre Erfahrungen als ehemalige Strafverteidigerin in...

Weitere Teile der Arizona Vengeance Eishockey-Team Serie

Leseprobe

Nora

Ich lehne mich auf dem Bürostuhl zurück, lege die Füße mit den Stiefeln auf den Schreibtisch und starre an die Decke. Jeden Moment wird Tacker zur ersten richtigen Sitzung hier sein, und ich schwanke noch, wie ich ihn anpacken soll.
Vorgestern Abend habe ich ihn nach dem Abendessen mit Raul gegoogelt. Ich fand eine Menge an Informationen, die mir zeigten, was mit ihm los ist. Als Erstes erfuhr ich, dass er eine Eishockey-Größe ist. Ein erfahrener Spieler, der früher oder später in der Hall of Fame landen wird. Ich weiß nicht viel über Eishockey, aber ich habe genug gelesen, um...

...zu wissen, dass er wegen seines Talents mehr als geschätzt wird. In einigen Artikeln der Zeitung von Phoenix stand, dass es eine der besten Entscheidungen in der Geschichte des Sports gewesen sei, Tacker in das Team der Vengeance zu holen. Das große Risiko dieses Schrittes wurde mir erst klar, als ich mich noch tiefer einlas. Und da fand ich auch den Grund für seine Qualen.
Vor ungefähr fünfzehn Monaten flog Tacker mit seiner eigenen kleinen Maschine von Dallas nach Houston. Er wollte seine Verlobte zur Anprobe ihres Hochzeitskleides bringen. Zwei Wochen später wollten sie heiraten. Es gab eine Fehlfunktion der Instrumente und er konnte im Nebel den Horizont nicht mehr bestimmen. Da er sich nicht orientieren konnte, drehte er die Maschine auf den Kopf. Er überlebte, aber seine Verlobte nicht.
Aus den Artikeln ging hervor, dass er den Rest der Saison aussetzte, doch der wahre Grund dafür wurde nicht spezifiziert. Es hätten körperliche Gründe sein können. Doch ich schätze, dass er emotional nicht mehr zum Spielen in der Lage war.
Am Ende der Saison tauschte man ihn ins Team der Arizona Vengeance, was als riskantes Unterfangen des Teams beurteilt wurde. Entweder hatten sie einen echt großartigen dynamischen Spieler ergattert oder eine Belastung. Anscheinend eine Mischung aus beidem. Seine momentanen Spielstatistiken scheinen zu belegen, dass er einer der Topspieler der Liga ist. Zumindest nach dem, was ich gelesen habe. Dennoch hat man ihn zu mir geschickt, damit er eine Therapie macht, um im Team bleiben zu dürfen.
Die letzte wichtige Info fand ich in einem Artikel, der berichtete, dass Tacker vor ein paar Wochen mit dem Auto gegen eine Mauer gefahren war. Betrunken.
Darauf werden wir näher eingehen müssen.
Um Punkt drei Uhr klopft es dezent an meiner Tür. „Kommen Sie rein“, rufe ich und stehe auf.
Die Tür schwingt auf und Tacker Hall kommt herein. Er ist ähnlich gekleidet wie das letzte Mal. Jeans, T-Shirt und Sneakers. Er ist frisch rasiert und hat eine Baseballmütze in der Hand. Kurz nickt er mir zur Begrüßung zu und ich lächele. Er wirkt, als ob er soeben zum Schafott geführt worden wäre.
„Wie nervös sind Sie?“, frage ich. „Denn wir können auch erst ausreiten. Ich nenne es Reden im Sattel. Das wirkt beruhigend.“
„Ich bin kein Pferdetyp“, knurrt er angespannt.
„Ich habe ein paar sehr friedliche“, versichere ich ihm. „Sie laufen einfach nur langsam vor sich hin.“
Tacker zerdrückt die Baseballkappe in seinen Händen, antwortet jedoch nicht. Er sieht sich im Büro um, doch das ist nur eine Verzögerungstaktik. Hier gibt es nicht viel zu sehen.
„Ich habe über Sie gelesen“, sage ich. Er sieht mich an und verengt leicht die Augen. „Ich weiß jetzt von dem Absturz und Ihrer Verlobten. Von der Suspendierung durchs Team. Alles.“
Damit will ich ihn dazu bringen, sich der Realität zu stellen. Er muss begreifen, dass er irgendwo anfangen muss. Ich reiche ihm damit die Hand und schaue mal, ob er sie ergreift. Das ist ein krasser Beginn und normalerweise würde ich anders anfangen, doch Tacker hat klargestellt, dass er von meinen sanften „esoterischen“ Methoden nichts hält. Er bevorzugt klare, unverblümte Worte.
Tacker geht zu einem der Besucherstühle, setzt sich hin und signalisiert damit, dass er nicht ausreiten will. Ich setze mich wieder auf meinen Bürostuhl hinter dem Schreibtisch.
Als er wieder spricht, ist es nicht das, was ich erwartet habe.
„Ich habe Sie auch gegoogelt“, sagt er leise. „Aber nicht viel gefunden.“
„Meine Bio befindet sich auf der Webseite.“ Das meint er jedoch sicher nicht.
Tacker schüttelt den Kopf und sieht mir in die Augen. „Raul hat gesagt, dass Ihnen etwas Schreckliches passiert ist.“
Aha. Raul, dieser Verräter.
Ich nicke und lächele aufrichtig, damit er erkennt, dass ich es Raul nicht übel nehme. Ich habe nichts zu verbergen und meine Vergangenheit hilft mir sehr bei meiner Arbeit als Therapeutin. „Würden Sie sich besser fühlen, wenn Sie etwas darüber wüssten?“ Ich möchte nicht einfach annehmen, was er braucht.
Überrascht blinzelt er und zuckt leicht zurück. „Nein. Ich wollte nicht neugierig sein oder so. Ich kaufe Ihnen nur das ganze Gerede von Glück und Hoffnung nicht ab. Der alte Typ …“
„Raul. Ich werde Sie demnächst mit ihm bekannt machen.“
„Kann es kaum erwarten.“ Er verzieht das Gesicht. „Ein charmantes Kerlchen.“
Ich kann ein Lachen nicht zurückhalten. Raul kann sehr charmant sein, aber auch ein richtiger Arsch, wenn er will. „Er ist der beste Mann, den ich kenne“, sage ich mit Überzeugung und zeige ihm damit, dass ich sehr loyal meinem Freund gegenüber bin.
Tackers Ausdruck wirkt desinteressiert, als hätte er keine Lust, über Raul zu reden. „Was ist Ihnen denn passiert?“, spuckt er aus.
Wieder überrascht er mich. Er will es wirklich wissen. Er glaubt, dass meine glückliche Ausstrahlung entweder gespielt ist oder dass mein Trauma wohl nicht so schlimm gewesen sein kann. Zwar muss ich mich nicht für meine Vergangenheit rechtfertigen, doch ich habe das Gefühl, dass ich damit die Tür zu gegenseitigem Vertrauen bei Tacker öffnen könnte.
Ich erhebe mich vom Stuhl und zeige zum Ausgang. „Kommen Sie, gehen wir ein Stück.“
Tacker steht ebenfalls auf, wirkt aber unsicher. „Ich brauche keinen Spaziergang. Ich fühle mich hier wohl genug.“
„Sie vielleicht.“ Ich lächele ihn an. „Aber Sie möchten wissen, was mir geschehen ist, und auch wenn ich hart daran gearbeitet habe, das Trauma zu überwinden, tut es trotzdem noch weh. Ich bin gern draußen. Dort habe ich mehr Frieden.“
Leicht panisch schüttelt Tacker den Kopf. „Sie müssen mir nichts erzählen.“
Ich gehe um den Schreibtisch herum, lege eine Hand auf Tackers unteren Rücken und schiebe ihn sanft zur Tür. „Oh doch. Das muss ich.“

Ich führe Tacker an den kleinen Koppeln und dem Stall vorbei auf den Pfad, den wir mit den Pferden benutzen. Momentan stehen keine Ausritte an, sodass wir ganz allein sind. Der Pfad führt durch steiniges Gelände über sanfte Hügel. Zur Ranch gehören vierzig Hektar Land, auf dem riesige Saguaro-Kakteen wachsen, Mesquitebäume, Palo Verdes und amerikanische Hainbuchen.
Wir gehen ungefähr einen halben Kilometer und währenddessen erzähle ich ihm die Geschichte der Ranch. Dass ich sie ersteigert habe und dass es mein Traum war, mit den Pferden Menschen zu helfen, die sich hinter ihren Mauern verschanzen. Als ich über die Flora und Fauna der Sonora-Wüste spreche, freue ich mich über seine Fragen. Ich habe sein Interesse geweckt und möchte erreichen, dass er sich entspannt.
„Achten Sie auf Klapperschlangen und Skorpione“, sage ich neckend.
Tacker macht einen erschrockenen Satz zur Seite, als hätte ich eins der Tiere entdeckt, und sieht mich finster an. „Ich dachte, der Spaziergang soll mich beruhigen.“
Lachend tätschele ich seinen Arm und gehe weiter. „Stimmt. Aber ich trage Stiefel und mache mir keine Sorgen. Ihre Knöchel sind allerdings in diesen Schuhen ziemlich frei.“ Wieder dieser finstere Blick. Ich muss erneut lachen. „Ich habe nur Spaß gemacht. Sämtliche Tiere, die beißen könnten, halten sich nicht auf dem Pfad auf. Er wird oft benutzt, und die haben mehr Angst vor Ihnen als Sie vor denen.“
Das scheint ihn nicht wirklich zu überzeugen, doch er geht weiter.
Ich hebe einen alten Stock vom Pfad auf und nehme ihn mit. Falls wir auf eine träge Schlange stoßen, die ich aus dem Weg schieben muss. Doch das werde ich Tacker lieber nicht sagen.
„Okay.“ Ich atme tief durch. „Sie möchten mehr über mich wissen.“
Er sagt nichts, was ich als stille Aufforderung verstehe, weiterzusprechen. „Ich wurde in Albanien geboren, aber als ich noch sehr klein war, zogen meine Eltern ins Drenica-Tal im Zentral-Kosovo. Ich kann mich an Albanien nicht erinnern.“
„Jetzt ist Ihr Akzent wieder deutlicher zu hören“, sagt er.
Ich nicke. Es ist nie leicht, über das Thema zu reden. „Wissen Sie etwas über den Krieg im Kosovo?“
Tacker schüttelt den Kopf und senkt den Blick. „Nicht wirklich. Nur, was ich hier und da in den Nachrichten gehört habe.“
„Spielt auch keine Rolle. Jedenfalls war ich elf, als der Krieg nach Drenica kam. Damals hieß ich Nora Cervadiku, und mein Großvater und Vater gehörten einer albanischen Gruppe im Kosovo an, die gegen die Serben kämpften, die diese Region kontrollierten. Ich hatte eine fünfzehnjährige Schwester, Besjana, und einen siebenjährigen Bruder, Pjeter. Obwohl Besjana nur vier Jahre älter war als ich, war sie wie eine Mutter für mich, nachdem unsere Mutter bei Pjeters Geburt gestorben war.“
„Das tut mir leid“, sagt Tacker leicht verlegen.
Ich lächele ihm zu und fahre fort. „Nie werde ich den dritten März vergessen. Meinen Geburtstag. Wie gesagt, ich war elf. Besjana hatte mir versprochen, Shendetlie zu machen, meinen Lieblingsnachtisch.“
„Aber dazu kam es nicht.“ Tacker bleibt stehen und sieht mich an.
„Nein, dazu kam es nicht.“ Ich blicke in die Ferne. Die Sonne steht tief über den Hügeln. Ich sehe Tacker an und erzähle es ihm. „Serbische Einheiten stürmten den Ort und gingen von Haus zu Haus, auf der Suche nach Mitgliedern der Rebellengruppe. Meine ganze Familie wurde auf den Marktplatz gebracht, zusammen mit anderen verdächtigen Familien. Sie trennten die Männer von den Frauen und erschossen alle Männer.“
„Auch …“, sagt Tacker, spricht es aber nicht aus.
„Ja, auch meinen siebenjährigen Bruder Pjeter.“
„Fuck“, knurrt er und steckt die Hände in seine Jeanstaschen.
Mich berührt sein sichtbares Mitgefühl. Ich schätze, dass er schon eine ganze Weile nicht mehr seine Gefühle gezeigt hat. Ich räuspere mich, denn es wird noch schlimmer. „Meine Schwester und ich wurden den Soldaten übergeben. Besjana wurde mehrfach vergewaltigt, oft direkt vor meinen Augen und von mehreren Männern. Ich musste für alle kochen und putzen.“
„Jesus.“ Tacker tritt einen Schritt näher und hält abrupt an. Er scheint nicht zu wissen, wie er mich trösten könnte, also lächele ich zuversichtlich und erlöse ihn von dieser Bürde.
„Eines Abends wollte sich ein Soldat wieder an Besjana heranmachen. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Mir war egal, ob ich mich selbst in Gefahr brachte, und schrie ihn an, er solle sie in Ruhe lassen. Er lachte nur. Machte sich über mich lustig. Er ging so weit, mir die Pistole in die Hand zu geben und mir zu befehlen, ihn zu erschießen, wenn ich wollte, dass er aufhörte.“
Tacker gibt einen entsetzten Laut von sich und sieht aus, als ob ihm übel wäre.
„Ich konnte es nicht tun“, gebe ich zu, ohne den Blick zu senken. In den Jahren meiner Heilung habe ich gelernt, mit dieser Schande zu leben. „Ich hatte solche Angst, nicht zu treffen. Dass mich ein anderer Soldat dafür erschießen würde. Egal, warum, ich konnte es nicht tun. Ich konnte Besjana nicht retten.“
„Sie waren erst elf“, knurrt Tacker. „Sie hätten gar nichts tun können.“
„Ich weiß“, sage ich leise und lächele erneut, damit er weiß, dass es mir gut geht. Ich drehe um und wir gehen wieder zu den Koppeln zurück. „Das habe ich inzwischen gelernt. Es gehörte zu meiner Heilung und Erholung von den massiven Schuldgefühlen.“
„Aber Sie sind entkommen“, sagt er und scheint die schlimme Story hinter sich lassen und mich dazu bewegen zu wollen, weiterzuerzählen.
Ich könnte ihm noch mehr grausame Details erzählen, aber das ist nicht nötig. Ich lächele breiter, denn jetzt kommen wir zum Happy End. „Eine NATO-Mitarbeiterin hat mich nachts aus dem Camp geschmuggelt. Sie war kurz davor, nach Hause zu fliegen. Sie hieß Helen Wayne und war von hier. Aus Phoenix. Sie hat mich adoptiert und so wurde ich zu Nora Wayne.“
„Und Besjana?“ Er verhakt sich sprachlich nur leicht bei der Aussprache ihres Namens.
„Sie hat sich das Leben genommen“, sage ich traurig. „Lange bevor Helen mich gerettet hat.“
Schweigend gehen wir weiter.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Das ist nicht mal annähernd das, was ich mir vorgestellt habe“, sagt Tacker leise.
Ich halte an und lege die Hand auf seinen Arm. Tacker sieht mich gespannt an. „Ich habe Ihnen das nicht erzählt, um Sie auf der Trauma-Skala zu übertreffen oder um zu beweisen, dass man jedes schlimme Erlebnis überwinden kann. Sondern, um Ihnen zu zeigen, dass man nicht nur darüber hinwegkommen, sondern auch wieder neu aufblühen kann.“
Er sieht mich nur an.
Ich wiederhole es mit Betonung. „Ich bin wieder aufgeblüht, Tacker. Und das können Sie auch, wenn Sie es wollen.“
Er schluckt schwer und atmet tief aus.
„Das war ganz schön viel für heute“, sage ich entschuldigend. „Und die Stunde ist fast vorbei. Ich werde das heute nicht berechnen, aber wenn es geht, kommen Sie bitte morgen wieder. Dann sprechen wir über MJ, okay?“
Er sperrt sich nicht dagegen, sondern nickt. „Okay.“

 

Tacker

Die Brise spielt mit MJs Haaren, bläst sie ihr ins Gesicht. Sie fährt sich über die Stirn und schiebt sich die Locke hinters Ohr. Sinnlos, denn der Wind ergreift die Haare immer wieder.
„Das war eine blöde Idee.“ Sie lacht und sieht mich an. Ich umklammere den Sattelknauf mit den Händen und mit den Oberschenkeln das Pferd.
Ja, es war eine blöde Idee, doch ich wollte es ihr nicht verweigern. Wir haben ein romantisches Wochenende in einem Resort in St. Croix verbracht und MJ wollte unbedingt am Strand in den Sonnenuntergang reiten. Das mit dem Sonnenuntergang am Strand wäre romantisch gewesen, aber mit den Pferden … eher nicht so. MJ stammte aus Texas und Pferde waren ihr nicht fremd, doch ich kenne nur die Straßen von Richmond, Virginia, und hatte ein Pferd noch nie auch nur angefasst. Ich fühlte mich nicht nur unwohl, dieses riesige Monster zu reiten, und fürchtete, irgendwann mit dem Arsch im nassen Sand zu landen, sondern der starke Wind vom Meer her brachte meine Augen zum Tränen.
Mir ist bewusst, dass ich träume, doch ich lasse es zu. Es ist einer der seltenen Träume von MJ, die ich liebe. Von einer glücklichen Zeit, als wir lachten und verliebt waren.
„Wer ist das?“ Sie deutet auf einen Punkt am Strand.
Ich verenge die Augen gegen den Wind und sehe eine Person in der Ferne. Ich erkenne sie nicht, aber es ist eine Frau. Seltsamerweise scheint der Wind sie nicht zu berühren. Ihr langes, braunes Haar liegt unbewegt über ihren Schultern. Als wir uns nähern, sehe ich, dass die Frau Jeans und ein Flanellhemd trägt, was definitiv nicht an einen karibischen Strand passt.
Und dann erkenne ich sie.
Nora.
Ich betrachte ihre unpassende Kleidung, doch mir gefällt, wie der Western-Stil ihre Kurven an den richtigen Stellen betont. Und ihre schönen Gesichtszüge mit den Katzenaugen, die mich wissend ansehen.
Mir wird ganz heiß, und ich wende mich langsam MJ zu, um ihr zu erklären, woher ich diese Frau kenne und dass sie nicht eifersüchtig zu sein braucht. Aber MJ achtet nicht auf mich. Sie starrt Nora an, neigt leicht den Kopf zur Seite und lächelt freundlich, während sie weiterhin versucht, ihre Haare zu bändigen.
Ich schaue wieder zu Nora, die mich immer noch ansieht, als würde MJ nicht existieren. Sie streckt die Hand aus, möchte, dass ich absteige und zu ihr komme. Noch immer steht die Luft um sie herum völlig still.
Soll ich zu ihr gehen? Soll ich bei MJ und diesem albernen romantischen Ausflug bleiben, der eine meiner liebsten Erinnerungen ist, über die wir immer gelacht haben? Oder soll ich vom Pferd steigen und zu Nora gehen? Der Frau, die mir helfen soll … wie nannte sie es? Aufzublühen?

Ruckartig und fast schmerzhaft erwache ich und schnappe nach Luft. Meine Gefühle sind völlig durcheinander, und ich stelle fest, dass es nur ein Traum war, verspüre aber dennoch die unglaubliche Qual des Verlusts. Ich möchte diese schönen Erinnerungen an MJ nicht loslassen, doch gleichzeitig verspüre ich eine innere Leere, weil ich nicht abgestiegen und zu Nora gegangen bin.
„Verfluchte Scheiße“, murmele ich frustriert und habe ein schlechtes Gewissen, gleichzeitig von Nora und MJ geträumt zu haben.
Hitze durchfährt mich, als ich noch etwas anderes bemerke.
Meinen Körper.
Genauer gesagt, meinen Schwanz.
Er ist steinhart und beult die Bettdecke aus. Ich kann nicht sagen, ob ich wegen MJ oder Nora eine Erektion habe oder weil ich ein Mann bin, der schon lange keinen Sex mehr hatte.
Da ich mich nicht entscheiden mag, an welche Frau ich denken soll, während ich es mir selbst mache, ignoriere ich den Ständer und stehe auf.
Jetzt steht erst einmal eine kalte Dusche an.

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