Hells Raiders MC: Last Mile: Erlösung

Ori­gi­nal­ti­tel: Last Mile
Über­set­zer: Joy Fra­ser

Er­schie­nen: 10/2020
Serie: Hells Rai­ders MC
Teil der Serie: 3

Genre: Dark Ero­ti­ca, Motor­cy­cle Club Ro­mance, Ro­man­tic Thrill
Zu­sätz­lich: Con­tem­pora­ry

Lo­ca­ti­on: USA


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-461-0
ebook: 978-3-86495-462-7

Preis:
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Hells Raiders MC: Last Mile: Erlösung


In­halts­an­ga­be

Nach­dem sie als Kind zu­se­hen muss­te, wie ihr Vater er­mor­det wurde, ist Sa­man­tha Var­gas, Agen­tin der Spe­zi­al­ein­heit ATF, fest ent­schlos­sen, den Dro­gen­han­del zu zer­stö­ren. Ihre Mei­nung über Biker könn­te daher schlech­ter nicht sein. Aus­ge­rech­net in den Hells Rai­ders Motor­cy­cle Club muss sie sich ge­mein­sam mit ihrem Part­ner Un­der­co­ver als Biker und des­sen Freun­din ein­schleu­sen. Doch zu Sa­mant­has Ent­set­zen fühlt sie sich aus­ge­rech­net zu dem Mann hin­ge­zo­gen, gegen den sie ei­gent­lich er­mit­telt!

Ben­ja­min „Bi­shop“ Mal­loy hat hart ge­ar­bei­tet, um sich einen Platz in­ner- und au­ßer­halb der MC-Welt zu er­ar­bei­ten. Als Me­cha­ni­ker ver­bringt er seine Näch­te damit, Mo­tor­rä­der zu re­stau­rie­ren, in der Hoff­nung, eines Tages einen ei­ge­nen Mo­tor­rad­la­den zu be­sit­zen. Als Bi­shop Sa­man­tha sieht, will er sie so­fort haben, ob­wohl sie die Freun­din des neuen Club­mit­glieds ist, das Bi­shop unter seine Fit­ti­che ge­nom­men hat.

Ob­wohl sie fest ent­schlos­sen ist, die Hells Rai­ders zu zer­stö­ren, be­greift Sa­man­tha, dass sie ris­kiert, mehr als nur ihr Herz zu ver­lie­ren ...

New York Times-Best­sel­ler­au­to­rin Katie Ash­ley kehrt ein letz­tes Mal in die ge­fähr­li­che und ver­füh­re­ri­sche Welt des Hells Rai­ders-Mo­tor­rad­clubs zu­rück.

 

Über die Au­to­rin

Katie Ash­ley ist eine New York Times- und USA To­day-Best­sel­ler­au­to­rin und lebt in der Nähe von At­lan­ta, Geor­gia. Zu­sam­men mit ihrer Toch­ter Oli­via ist sie Frau­chen von Belle und Elsa, zwei Hun­den, die sie aus dem Tier­schutz über­nom­men hat. Katie...

Wei­te­re Teile der Hells Rai­ders MC Serie

Le­se­pro­be

Sa­man­tha

Als ich noch eine Lage Eye­liner auf­le­gen woll­te, klin­gel­te es an der Tür. Ich zuck­te zu­sam­men, rutsch­te ab und malte mir einen schwar­zen Strich über die Schlä­fe. „Fuck“, mur­mel­te ich, nahm ein Rei­ni­gungs­pad und rieb die Linie ab.
Zu sagen, dass ich etwas ner­vös war vor dem ers­ten Tref­fen mit den Rai­ders, war un­ter­trie­ben. Ich är­ger­te mich dar­über, dass sie diese Wir­kung auf mich hat­ten. Im­mer­hin hatte ich be­reits Kri­mi­nel­le ver­haf­tet, die viel angst­ein­flö­ßen­der waren als eine Bande Klein­stadt-Bi­ker. Doch heute Abend traf meine Ver­gan­gen­heit auf meine Ge­gen­wart.
Ich lehn­te mich aus dem Ba­de­zim­mer. „Es ist offen!“, rief ich.
Die...

...​Alarman­la­ge gab einen Piep­ton von sich, als Gavin die Tür öff­ne­te und ein­trat.
„Du wohnst zwar jetzt an der East Side in einem Haus in einer schi­cken Nach­bar­schaft, aber du musst trotz­dem deine Tür ab­schlie­ßen, Him­mel noch mal.“
Ich knurr­te und trat ins Bad zu­rück. „Ich wuss­te doch, dass du her­kommst, Dum­mer­chen.“
Er lach­te und kam den Flur ent­lang zu mir ins Bad. Im Spie­gel sah ich, dass er mich von oben bis unten be­gut­ach­te­te. Meine wie auf­ge­mal­ten schwar­zen Jeans, das enge schwar­ze Top und die knie­ho­hen Stie­fel.
Sein Blick traf mei­nen im Spie­gel. Er zwin­ker­te mir zu. „Siehst scharf aus, Var­gas.“
„Du schämst dich also nicht, mich deine Old Lady zu nen­nen?“
Er droh­te mir mit dem Zei­ge­fin­ger. „Fal­sche Ter­mi­no­lo­gie. Gäste haben keine Old Ladys. Nur Voll­mit­glie­der.“
„Ja, ja“, mur­mel­te ich.
Gavin straf­te mich mit einem Tssss-Ge­räusch. „Muss ich Pe­ter­son sagen, dass du deine Haus­auf­ga­ben nicht ge­macht hast?“
„Ich habe meine Haus­auf­ga­ben ge­macht, du Arsch.“ Ich ging an ihm vor­bei in den Flur. Nor­ma­ler­wei­se brach­te mich sein Ge­me­cker nicht auf, aber heute lag der Fall an­ders.
Ich kam nicht weit, da zog Gavin mich an sich. „Willst du dar­über reden?“
„Über was?“
„Was auch immer dir an die­sem Fall Angst macht.“
Ein Schau­der lief mir über den Rü­cken, doch ich fing mich schnell wie­der. „Nichts an einer Bande bier­sau­fen­der nie­de­rer Krea­tu­ren macht mir Angst.“ Ich mach­te mich von ihm los und ging in den Flur. Als ich meine Hand­ta­sche nahm, lie­ßen mich seine nächs­ten Worte er­star­ren.
„Also sagt dir der Name Wil­lie Bates nichts.“
Ich kniff die Augen zu und at­me­te schwer. Es gab keine pas­sen­de Be­schrei­bung für den emo­tio­na­len Shits­torm, der einen traf, wenn die Ver­gan­gen­heit mit der Ge­gen­wart kol­li­dier­te. Ich be­merk­te nicht ein­mal, dass Gavin zu mir kam, doch plötz­lich stand er neben mir. „Was weißt du dar­über?“, wis­per­te ich kaum hör­bar.
„Alles.“ Als ich es wagte, ihn an­zu­se­hen, lä­chel­te er trau­rig. „Als Pe­ter­son uns den Fall ge­ge­ben hat, habe ich dich noch nie so re­agie­ren sehen. Also habe ich ein biss­chen nach­ge­forscht.“
„Weiß Pe­ter­son es?“
„Nein. Nur ich. Und so soll es auch blei­ben.“
Mir wurde warm ums Herz vor Liebe für Gavin und seine Loya­li­tät. Den­noch at­me­te ich schwer aus und lehn­te mich an die Haus­tür. „Dann wäre es wohl bes­ser, wenn du be­an­tragst, dass man mich von dem Fall ab­zieht.“ Gavin schüt­tel­te den Kopf, doch ich hielt meine Hand hoch, um sein wie auch immer ge­ar­te­tes Ge­gen­ar­gu­ment zu stop­pen. „Ich bin ein Ri­si­ko und du kannst dir im Feld kein Ri­si­ko leis­ten.“
Er um­fass­te mein Ge­sicht. „Du bist nie­mals ein Ri­si­ko, Var­gas. Du bist die Ein­zi­ge, mit der ich je ar­bei­ten will. Ich weiß ein­fach, egal was dir als Acht­jäh­ri­ge pas­siert ist, wenn es hart auf hart kommt, nimmst du die Ar­beits­hal­tung ein und be­hältst die Ner­ven.“
Ich hass­te es, aber Trä­nen brann­ten in mei­nen Augen. „Meinst du das wirk­lich?“
„Ja, das meine ich.“
Ich wisch­te mir die mas­ca­ra­schwar­zen Trä­nen ab. „Ent­schul­di­ge, dass ich es dir nie er­zählt habe.“
„Ich ver­ste­he, warum. Es war furcht­bar, was mit dei­nem Vater pas­siert ist und dir. Das geht auch wirk­lich nie­man­den etwas an.“
Ich ver­such­te, die Stim­mung etwas auf­zu­hel­len, pack­te ihn an den mus­ku­lö­sen Armen und drück­te zu. „Warum nur, warum kannst du nicht he­te­ro sein?“
Gavin lach­te herz­haft. „Wir beide sind ein tol­les Ar­beits­team, Var­gas, aber wir könn­ten nie­mals ver­hei­ra­tet sein.“
Ich neig­te den Kopf seit­lich. „Wirk­lich nicht?“
„Nein. Und tief innen weißt du das auch.“
Das wuss­te ich tat­säch­lich. Wir waren uns zu ähn­lich, als dass eine Be­zie­hung funk­tio­nie­ren könn­te. Wir stan­den uns näher als nur freund­schaft­lich ver­bun­den zu sein, waren mehr wie Bru­der und Schwes­ter.
Ich wa­ckel­te mit den Au­gen­brau­en. „Nun, ich habe viel­leicht nicht von Hei­ra­ten ge­spro­chen, aber von hei­ßem, lei­den­schaft­li­chem Sex.“ Ich muss­te über Ga­vins ent­setz­tes Ge­sicht la­chen. „Jetzt habe ich dich dran­ge­kriegt.“
„Über­haupt nicht wit­zig“, mur­mel­te er.
„Gut zu wis­sen, wie dich der Ge­dan­ke an Sex mit mir ab­stößt“, neck­te ich ihn und ging ins Bad, um mein Au­gen-Ma­ke-up zu re­pa­rie­ren.
„Him­mel noch mal, Var­gas. Es geht nicht um Sex mit dir, son­dern um Sex mit einer Va­gi­na, basta.“
Ich schnaub­te und pu­der­te über die Trä­nen­spu­ren. Gavin er­schien in der Tür.
„Aber grund­sätz­lich bist du die ein­zi­ge Frau, mit der ich mir vor­stel­len könn­te, he­te­ro zu sein.“
Ich lä­chel­te ihn im Spie­gel an. „Ohhh, du kannst so süß sein, wenn du willst, Mc­Ta­vish.“
Er trat näher und dreh­te mich zu sich um. Nach­dem er mir einen Kuss auf die Wange ge­ge­ben hatte, zwin­ker­te er. „Komm schon, heiße Braut. Wir zei­gen es jetzt den Bi­kern.“
Zwar teil­te ich seine Zu­ver­sicht nicht, doch ich nick­te.
Ich schal­te­te die Alarm­an­la­ge scharf und folg­te ihm aus der Tür. In mei­ner Ein­fahrt stand ein Mo­tor­rad, das die Agen­cy Gavin zur Ver­fü­gung ge­stellt hatte. Le­dig­lich mit einem Me­cha­ni­ker­ge­halt hätte er sich sein ei­ge­nes Bike nicht leis­ten kön­nen, also hatte ihm die Agen­cy eins be­sorgt, das bes­ser zu sei­ner Tar­nung pass­te – und das er na­tür­lich hass­te.
„Was für ein Hau­fen Schrott“, sagte ich und nahm den Helm von der Sitz­bank.
„Ich ver­ab­scheue jeden Mo­ment auf die­ser Mühle.“
„Du hät­test dir be­stimmt etwas Gau­ner­re­spekt ver­schaf­fen kön­nen, wenn du so getan hät­test, als ob du dein ei­ge­nes Bike ge­klaut hät­test.“
Gavin setz­te sich auf den ab­ge­nutz­ten Sitz und knurr­te. „Glaub nicht, das hätte ich bei Pe­ter­son nicht ver­sucht.“
Ich lach­te und stieg hin­ter ihm auf. Ich um­arm­te seine Tail­le fest. Hin­ten auf einem Bike mit­zu­fah­ren hass­te ich fast so sehr, wie mich wie eine Nutte an­zu­zie­hen. Gavin und ich hat­ten an ein paar Aben­den geübt, so­dass ich auf dem Bike na­tür­lich wirk­te. Doch das waren nur Kurz­trips in der Ge­gend und in der Stadt ge­we­sen. Heute würde es die längs­te Stre­cke sein, die ich je auf einem Bike ge­ses­sen hatte.
Wir ras­ten in die Nacht, lie­ßen mein Haus hin­ter mir, mein kom­for­ta­bles Leben und meine Ka­li­ber-40-Glock. Das Club­haus der Rai­ders lag gute fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten nörd­lich von Ma­ri­et­ta, dem Vor­ort von At­lan­ta, in dem ich wohn­te.
Gavin ängs­tig­te mich zu Tode, indem er sich durch den Frei­tag­abend­ver­kehr schlän­gel­te. Ich schloss die Augen und dach­te an das Brie­fing, das wir heute mit Pe­ter­son ge­habt hat­ten. Heute Abend bot sich eine gute Ge­le­gen­heit für un­se­ren Fall. Seit Wo­chen be­freun­de­te sich Gavin lang­sam mit Bi­shop Mal­loy, und end­lich war Gavin, der sich ihm als Mar­ley vor­ge­stellt hatte, weil ihn an­geb­lich jeder so nann­te, von Bi­shop ins Club­haus ein­ge­la­den wor­den.
Wäh­rend Gavin Augen und Ohren offen hal­ten soll­te, was alle Mit­glie­der be­traf, nicht nur Bi­shop, soll­te ich mich al­lein auf Bi­shop kon­zen­trie­ren. Als Ser­geant at Arms hatte er am meis­ten mit dem Waf­fen­han­del zu tun, außer na­tür­lich dem Prä­si­den­ten und Vi­ze­prä­si­den­ten. Auf­grund sei­nes spe­zi­el­len Rufs bei Frau­en soll­te ich meine weib­li­chen Waf­fen ein­set­zen. Seine bei­den Brü­der De­a­con und Rev waren ver­hei­ra­tet und Bi­shop war der In­be­griff des Frau­en­hel­den. Seine größ­ten Freu­den im Leben neben dem Club waren Flir­ten und Vö­geln, und genau das woll­te ich gegen ihn ein­set­zen. Das alte Kli­schee einer Frau, die einen Mann so ab­lenk­te, dass er einen Feh­ler mach­te und man ihn fest­na­geln konn­te.
Als wir von der Schnell­stra­ße ab­bo­gen, än­der­te sich die Ge­gend. Wir fuh­ren durch enge Kur­ven und über klei­ne­re Hügel. In der Ferne konn­te ich die Ge­birgs­ket­te sehen. Es war schwer vor­stell­bar, dass sich ein MC auf dem Land breit­mach­te, doch genau dort hatte sich das Geor­gia-Chap­ter der Rai­ders nie­der­ge­las­sen.
Schon aus der Ferne er­kann­te ich das Club­haus als sol­ches. Es war hell er­leuch­tet und auf dem Park­platz stan­den et­li­che Bikes. Gavin über­rasch­te mich damit, nicht dort zu par­ken, son­dern etwas wei­ter weg. Doch dann fiel mir wie­der ein, was ich in den In­for­ma­tio­nen ge­le­sen hatte. Nur Voll­mit­glie­der park­ten ihre Bikes zu­sam­men, die dann von einem An­wär­ter be­wacht wur­den. Alle an­de­ren Leute waren auf sich al­lein ge­stellt.
Gavin stell­te den Motor ab und sah mich an. „Wie geht’s dir?“
„Gut.“ Eine Lüge. Meine Auf­re­gung be­fand sich auf dem Hö­he­punkt, wo ich jetzt auf dem Ge­län­de der Rai­ders stand.
Gavin lach­te leise, und ich wuss­te, dass er mich durch­schaut hatte. Er stieg vom Bike, nahm den Helm ab und half mir her­un­ter. „Du schaffst das schon, Var­gas.“
Ich hielt eine Hand hoch. „Bitte keine An­spra­chen mehr. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dank­bar ich dafür bin, dass wir nicht ver­ka­belt sind. Ich würde lie­ber ster­ben, als dass Pe­ter­son und die an­de­ren mich in die­sem zer­brech­li­chen Zu­stand sehen.“
„Ich ver­spre­che dir, nie­man­dem zu er­zäh­len, dass meine toughe Kol­le­gin Schiss ge­kriegt hat. Okay?“
Ich lach­te und stieß ihn am Arm an. „Danke.“
„Okay, los geht’s.“
Wir gin­gen über den Park­platz auf das Haus zu. Ich ver­such­te, ruhig zu atmen, und Gavin legte den Arm um meine Tail­le. Für Be­ob­ach­ter muss­te es so aus­se­hen, also ob er mit die­ser Be­we­gung sei­nen Be­sitz­an­spruch klar­mach­te, doch ich wuss­te, dass er es nur tat, um mich zu be­ru­hi­gen.
An der Tür stand ein statt­li­cher, tä­to­wier­ter Kerl mit vie­len Pier­cings Wache. „Kann ich euch hel­fen?“
Ohne zu zö­gern sprach Gavin. „Ja, wir wol­len zur Party.“
Der Tat­too-Typ grins­te Gavin skep­tisch an. „Ach ja?“
„Klar, Mann. Frag doch Bi­shop.“
„Bist du Mar­ley?“ Gavin nick­te und der Typ trat zur Seite. „Viel Spaß.“
„Danke“, sagte Gavin.
Als wir ein­tra­ten, er­war­te­te ich fast, dass sich alle um­dreh­ten und uns an­starr­ten und damit unser Au­ßen­sei­ter­tum be­stä­tig­ten. Doch nie­mand sah wirk­lich in un­se­re Rich­tung, und die paar, die es taten, nick­ten uns freund­lich zu. Am an­de­ren Ende des Rau­mes spiel­te eine Haus­band und in der Mitte tanz­ten Paare. An­de­re saßen an der Bar, tran­ken Bier und Cock­tails.
Gavin trat einen Schritt vor, doch ich war wie fest­ge­wur­zelt. Jedes Mal, wenn ich ins Ge­sicht eines Bi­kers sah, wurde er zum Mör­der mei­nes Va­ters. Mein Herz raste, und ich hatte Mühe, zu atmen. Ich zog den Kopf ein, kniff die Augen zu und zähl­te in­ner­lich bis zehn.
„Sam, alles okay?“, wis­per­te Gavin mir ins Ohr.
Dass er mich beim Vor­na­men nann­te, be­deu­te­te, dass er sich echte Sor­gen mach­te.
„Toi­let­te, wo ist die Toi­let­te?“, hauch­te ich. Er führ­te mich durch den Raum. Ich schüt­tel­te den Kopf. „Nein, ich gehe al­lein. Mach du wei­ter. Ich stoße nach­her wie­der zu dir.“
Gavin wei­te­te die Augen. „Bist du si­cher?“
„Ja. Gib mir nur zehn Mi­nu­ten, um mich wie­der ein­zu­krie­gen.“
Er sah aus, als woll­te er wi­der­spre­chen, also riss ich mich los und ging wei­ter. Am Bü­fett stand die Frau des Vi­ze­prä­si­den­ten, Alex­an­dra, und schau­kel­te sanft ein dun­kel­haa­ri­ges Klein­kind auf der Hüfte. Ich wuss­te alles über sie aus den Akten, und genau wie bei der Frau des Prä­si­den­ten wun­der­te ich mich, wieso je­mand wie sie, eine Leh­re­rin aus einer re­spek­ta­blen Mit­tel­klas­se­fa­mi­lie, sich mit einem Biker ein­ge­las­sen hatte.
„Ent­schul­di­ge bitte, wo sind die Toi­let­ten?“, frag­te ich.
Ihre dunk­len Augen rich­te­ten sich auf mich, und sie sah ver­wirrt aus. Das wun­der­te mich nicht. Mit Si­cher­heit kann­te sie alle Frau­en hier. Doch der Aus­druck wurde schnell durch ein Lä­cheln er­setzt.
„Von der Küche aus ein­fach den Gang hin­un­ter.“ Sie zeig­te nach rechts.
„Danke.“ Ohne ein wei­te­res Wort zu ihr oder den an­de­ren an­we­sen­den Frau­en eilte ich di­rekt zu den Toi­let­ten. Ich stürz­te durch die Tür, die deut­lich mach­te, dass es die für Frau­en war. Ein gi­gan­ti­sches Paar holz­ge­schnitz­ter Möpse hing daran. Innen war der Raum vol­ler spär­lich be­klei­de­ter Frau­en, die sich um einen Platz vor dem Spie­gel drän­gel­ten und an Haa­ren und Ma­ke-up ar­bei­te­ten. Ich ging an ihnen vor­bei in eine der Ka­bi­nen.
Als ich mich darin ein­ge­schlos­sen hatte, stütz­te ich die Hände gegen die Graf­fi­ti­wän­de. Ich senk­te den Kopf und at­me­te be­wusst und ruhig. Ich wie­der­hol­te geis­tig das Man­tra, das ich mir vor Jah­ren an­ge­schafft hatte. Ich bin stär­ker als meine Angst.
Nach einer ge­fühl­ten Ewig­keit, doch wahr­schein­lich waren es nur ein paar Mi­nu­ten, ver­zog sich die über­wäl­ti­gen­de Panik. Lang­sam fühl­te ich mich wie­der wie ich selbst. Stark, mutig und selbst­be­wusst. Ich hob den Kopf, roll­te die Schul­tern und schüt­tel­te die An­span­nung aus mei­nen Glie­dern.
Mit neuem Mut kon­zen­trier­te ich mich auf meine Auf­ga­be. Ich öff­ne­te die Ka­bi­ne und ver­ließ die Toi­let­ten­räu­me.
Im gro­ßen Saal zuck­te ich nicht ein­mal zu­sam­men, als ein rie­sen­haf­ter Biker mit sil­ber­nen Pier­cings und tä­to­wier­ten Armen gegen mich stieß.
„Sorry, Süße“, mur­mel­te er.
Ich schenk­te ihm mein net­tes­tes Lä­cheln und hielt nach Gavin Aus­schau. Er saß al­lein an einem Tisch und trank ein Bier. Als ich näher kam, hob er den Kopf, als hätte er meine An­we­sen­heit ge­spürt.
Ich setz­te mich neben ihn.
„Alles okay?“
„Es ging mir nie bes­ser.“ Ich schubs­te seine Hand fort, schnapp­te mir sein Bier und trank einen schau­mi­gen Schluck. Ga­vins Au­gen­brau­en schos­sen fra­gend nach oben. „Es war genau so, wie ich ge­sagt habe. Ich muss­te mich nur kurz sam­meln. Du brauchst dir keine Sor­gen zu ma­chen.“
Er grins­te bei mei­nem ag­gres­si­ven Ton. „Ich habe nicht ge­sagt, dass ich mir Sor­gen mache.“
„Das war auch nicht nötig. Ich habe es dir an­ge­se­hen und du hast mich Sam ge­nannt.“
Gavin nahm mir seine Bier­fla­sche ab. „Fer­tig?“
„Und wie. Was ist in­zwi­schen pas­siert?“
„Bi­shop hat mir das Bier aus­ge­ge­ben und ge­sagt, ich soll mich hier hin­set­zen. Ich dach­te, er kommt dann zu mir und wir reden ein biss­chen, aber er wurde weg­ge­ru­fen.“
Ich ver­eng­te die Augen. „Zu einem Hin­ter­zim­mer-Mee­ting?“
Gavin lach­te leise. „Es war eher eine heiße Tussi mit Tit­ten, die ihr aus dem Top quel­len, die ihn zum Tan­zen auf­ge­for­dert hat.“
Ich schnaub­te und ver­dreh­te die Augen. „Män­ner. Denkt ihr ei­gent­lich auch mal mit etwas an­de­rem als mit euren Schwän­zen?“
„Nee.“ Gavin zwin­ker­te mir zu.
Ich rich­te­te mei­nen Blick auf die Tanz­flä­che. Nach nur einer Se­kun­de hatte ich Bi­shop unter den Bi­kern er­kannt. Gavin hatte die Frau bei ihm kor­rekt be­schrie­ben. Mo­men­tan rie­ben sie sich an­ein­an­der, als ob sie auch gleich Sex auf der Tanz­flä­che hät­ten haben kön­nen. Plötz­lich, wie aus dem Nichts, über­kam mich Hitze, als Bi­shops Hände über den Kör­per der Frau glit­ten. Mir schien noch hei­ßer zu wer­den, als ich zusah, wie seine Hüf­ten ex­per­ten­haft an ihre stie­ßen.
Ich beug­te mich auf dem Stuhl vor und stu­dier­te meine Ziel­per­son. Die Fotos der Agen­cy wur­den Bi­shop nicht ganz ge­recht. Ob­wohl es das Letz­te sein soll­te, woran ich dach­te, fiel mir doch auf, dass er in Wirk­lich­keit noch bes­ser aus­sah. Je­den­falls wirk­te er viel statt­li­cher, seine Mus­keln her­vor­ste­chen­der, sein Brust­korb brei­ter und seine Schen­kel di­cker. Sein Kör­per strahl­te Kraft und Stär­ke aus. Zwei Ei­gen­schaf­ten, die er als Boxer und Ser­geant at Arms gut ge­brau­chen konn­te.
Ich konn­te ein Schnau­ben über mich selbst nicht ver­hin­dern, denn ich kam mir vor wie ein kopf­lo­ser Teen­ager bei die­sen lust­vol­len Ge­dan­ken.
„Er sieht ab­so­lut gut fick­bar aus, oder?“, frag­te Gavin leise.
Ver­damm­te Hölle, und wie. Enorm fick­bar. Ich un­ter­drück­te den Drang, mich auf dem Stuhl zu win­den. Ich muss­te meine un­an­ge­brach­ten Ge­dan­ken vor Gavin ver­ber­gen. „Wie kommst du denn dar­auf?“
Gavin wa­ckel­te mit den Au­gen­brau­en. „Na, ich sehe doch, wie du ihn an­starrst.“
„Ich stu­die­re nur mein Ziel­ob­jekt, Schlau­mei­er.“
„Blöd­sinn. Du hast ein feuch­tes Hös­chen, weil du daran denkst, wie es wäre, an­stel­le die­ser Frau zu sein.“
Wel­che Frau würde das nicht?
„Du hast ja den Ver­stand ver­lo­ren“, wi­der­sprach ich.
Gavin lehn­te sich dicht an mein Ohr. „Ich spie­le zwar im an­de­ren Team, aber ich er­ken­ne trotz­dem, wenn eine Frau auf einen Mann scharf ist.“
Ich ver­dreh­te die Augen und schob ihn von mir. „Er ist die Ziel­per­son in un­se­rem Fall. Ganz zu schwei­gen davon, dass er der Feind ist.“
„Ja, und Sex aus Hass kann so was von geil sein.“
„Du bist un­mög­lich.“
Gavin grins­te un­ver­schämt. „Auch wenn das als ver­pönt gilt, finde ich nichts Ver­werf­li­ches daran, einen guten Fick von ihm zu er­gat­tern, um an In­for­ma­tio­nen zu kom­men.“
„Wenn wir nicht wie ein Lie­bes­paar wir­ken müss­ten, würde ich dir jetzt eine run­ter­hau­en.“
Gavin küss­te meine Wange und zwin­ker­te. „Nichts macht mir so viel Freu­de, wie dich zu är­gern.“
„Arsch­loch“, ant­wor­te­te ich, ob­wohl ich lä­cheln muss­te.
Er nick­te Rich­tung Bi­shop. „Wenn er damit fer­tig ist, die Tussi tro­cken­zu­vö­geln, soll ich dann den Ball ins Rol­len brin­gen und dich ihm vor­stel­len?“ Ich hob eine Au­gen­braue. „Ich mein­te, den Ball des Falls ins Rol­len zu brin­gen, nicht, dass du ihn an­bag­gern sollst. Gott, Var­gas, ich kann auch mal ernst sein, wenn es sein muss.“
„Klar, aber die Dop­pel­deu­tig­keit hat dir auch irre viel Spaß ge­macht.“
Gavin grins­te. „Kann sein.“ Das Lied der Band kam zum Ende. „Also, wol­len wir an­fan­gen?“
Ich blick­te wie­der zu Bi­shop. „Nein. Noch nicht.“
„Hast du eine an­de­re Idee?“
Ich riss den Blick von Bi­shop los und sah Gavin an. „Ich will ihn erst ein biss­chen ir­ri­tie­ren, ehe ich mich an ihn ran­ma­che.“
„Klingt nach einem guten Plan.“
„Ich würde es nicht un­be­dingt einen Plan nen­nen.“ Ich sah zu Bi­shop und lä­chel­te. „Es ist mehr ein Spiel. Eins, das ich gut genug kenne, um es zu ge­win­nen.“
Gavin zwin­ker­te mir er­neut zu. „Du kennst dein Spiel, Var­gas. Geh und wirf die Wür­fel.“

Bi­shop

Zum ver­fluch­ten hun­derts­ten Mal spür­te ich einen Blick auf mir, der jede mei­ner Be­we­gun­gen be­ob­ach­te­te. So ab­ge­checkt zu wer­den, ließ meine fei­nen Här­chen zu Berge ste­hen. Wäre ich nicht in der Si­cher­heit des Club­hau­ses und bei mei­nen Brü­dern, hätte ich bei dem un­heim­li­chen Ge­fühl eine Hand auf meine Waffe in der Kutte ge­legt. Doch in die­sem Fall wuss­te ich, dass ich in kei­ner ech­ten Ge­fahr schweb­te.
Un­auf­fäl­lig blick­te ich mich in der Menge um. Für einen Sams­tag­abend war die Ka­pa­zi­tät des Club­hau­ses voll aus­ge­schöpft. Die Band spiel­te und in der Mitte rie­ben sich Paare an­ein­an­der. Rev be­fand sich auf Hoch­zeits­rei­se und De­a­con war mit sei­ner Toch­ter Wil­low beim Kin­der­cam­ping, so­dass ich der ein­zi­ge an­we­sen­de Mal­loy war. Dass unser Prä­si­dent und der Vize nicht da waren, hielt uns Rai­ders je­doch nicht von un­se­rer Wo­chen­end­par­ty ab.
Selbst ohne di­rekt hin­zu­se­hen, konn­te ich er­ra­ten, wer mich an­starr­te. Vor einem Monat hatte ein neuer Me­cha­ni­ker in der Werk­statt an­ge­fan­gen, in der ich eine Lehre mach­te. Er hieß Mar­ley und war frü­her in der Army ge­we­sen. Al­lein dafür hatte er schon mei­nen Re­spekt, doch dann aßen wir eines Tages zu­sam­men zu Mit­tag und al­ber­ten herum. Ich fand her­aus, dass er Mo­tor­rä­der lieb­te und dass sein Wis­sen das von so man­chem Rai­der in den Schat­ten stell­te. Und vor einer Woche er­ar­bei­te­te er sich end­gül­tig mei­nen Re­spekt, als er mir den Arsch ret­te­te.
Ich mach­te einen Öl­wech­sel an einem Dodge Chal­len­ger, als ein Kerl zu mir kam. Er kam mir vage be­kannt vor, als wäre er schon mal in der Werk­statt ge­we­sen. „Kann ich Ihnen hel­fen?“
„Ja, du bist der Arsch, der mein Auto ka­putt ge­macht hat.“
„Wie bitte?“
„Das Ge­trie­be ist im Eimer. Mir ist klar, dass du hier neu bist und so, aber ich habe keine Ah­nung, wie du das ge­schafft hast.“
„Sir, Ihr Auto war völ­lig in Ord­nung, als Sie vom Hof ge­fah­ren sind. Ich weiß nicht, wie Sie dar­auf kom­men, dass ich etwas falsch ge­macht hätte.“
Der Mann blick­te düs­ter. „Ist mir scheiß­egal, was du denkst. Hol mir den Boss. So­fort.“
Ich biss mir auf die Zunge, um dem Kerl nicht zu sagen, er solle sich ins Knie fi­cken, wie ich es nor­ma­ler­wei­se in so einer Si­tua­ti­on tat. Doch da ich eine neue Seite auf­schla­gen woll­te, knurr­te ich: „Einen Mo­ment bitte.“
Ich ging an Mar­ley vor­bei, der unter dem Wagen her­vor­kam, an dem er ar­bei­te­te.
Ich klopf­te an die Tür des Bos­ses. „Rick?“
Er hob den Blick von einem Sta­pel Rech­nun­gen. „Ja?“
„Da ist einer, der dich spre­chen will.“ Rick hob fra­gend die Au­gen­brau­en. Ich seufz­te. „Er glaubt, ich hätte sei­nen Wagen ka­putt ge­macht.“
„Stimmt das?“
„Him­mel, nein. Es war nur ein Öl­wech­sel und Rei­fen von vorn nach hin­ten tau­schen. Ich hatte ihm ge­sagt, dass die Mo­tor­leuch­te an war, aber er mein­te, das sei nur wegen des Öls.“
Rick knurr­te ge­nervt und stand auf. Ich folg­te ihm in die Werk­statt. Kaum er­blick­te ihn der Kunde, fing die­ser an zu schimp­fen und zu la­men­tie­ren, wie ich an­geb­lich beim Öl­wech­sel sein Ge­trie­be ge­schrot­tet hätte.
Er war noch mit­ten am Flu­chen, als Mar­ley vor­trat. „Das ist alles ge­lo­gen.“
Dem Mann klapp­te der Mund auf. „Wie bitte?“
Mar­ley ver­schränk­te die Arme vor der Brust. „Es ist völ­lig un­mög­lich, dass Bi­shop den Scha­den an­ge­rich­tet hat, von dem Sie reden.“
„Ach ja?“
Mar­ley nick­te und sah Rick an. „Als er hier ankam, hat sein Auto ge­rö­chelt wie ein Ket­ten­rau­cher. Also war der Scha­den da schon vor­han­den.“
Rick sah von Mar­ley zu mir. „Hast du das Ge­räusch auch ge­hört?“
Ich ver­zog das Ge­sicht. „Nein.“
„Zu Bi­shops Ver­tei­di­gung wäre zu sagen, dass er zu dem Zeit­punkt hin­ten war. Da konn­te er das gar nicht hören“, er­klär­te Mar­ley.
Jetzt klapp­te mir der Mund auf, weil Mar­ley für mich die Wahr­heit etwas dehn­te. Ja, ich war mit der In­ven­tur be­schäf­tigt ge­we­sen, aber ich hätte das Ge­räusch trotz­dem hören müs­sen, als der Kerl weg­fuhr. Keine Ah­nung, wo mir an dem Tag der Kopf stand, dass ich nicht dar­auf ge­ach­tet hatte.
Ich sah Mar­ley an, und sein Blick warn­te mich, sei­ner Ver­si­on zu wi­der­spre­chen. Also nick­te ich nur.
Der Mann war auf­ge­bracht. „Das be­deu­tet gar nichts. Er hat trotz­dem mei­nen Wagen ka­putt ge­macht!“
Rick ver­eng­te die Augen. „Sie müs­sen mich für einen Idio­ten hal­ten, wenn Sie mir weis­ma­chen wol­len, dass man mit einem sim­plen Öl­wech­sel einen Motor be­schä­di­gen kann. Ver­schwin­den Sie und las­sen Sie sich nie mehr hier bli­cken in dem Ver­such, mich noch mal übers Ohr hauen zu wol­len.“
Nach­dem der Mann ge­gan­gen und Rick in sei­nem Büro war, waren Mar­ley und ich al­lein. Er woll­te wie­der an die Ar­beit gehen, doch ich hielt ihn zu­rück. „Warum hast du für mich ge­lo­gen?“
„Ich würde es nicht lügen nen­nen. Es war mehr die Wahr­heit etwas um­for­men.“
„Und warum hast du das für mich ge­macht?“
Mar­ley hatte ge­lä­chelt. „Ir­gend­wann waren wir alle mal der Neue. Ja, wahr­schein­lich hät­test du das Ge­räusch hören sol­len, als er weg­ge­fah­ren ist, aber viel­leicht hat­test du einen schlech­ten Tag. Viel­leicht waren deine Ge­dan­ken wo­an­ders. Oder du warst auf dem Klo und konn­test an nichts an­de­res den­ken.“
„Hey!“ Ich lach­te.
Mar­ley lach­te in sich hin­ein. „Das eine Mal heißt ja nicht, dass du nicht ein ver­dammt guter Me­cha­ni­ker bist, der sich aus­kennt.“
„Bei einem Mo­tor­rad hätte ich nie so einen Mist ge­baut“, knurr­te ich.
„Das stimmt wahr­schein­lich, wenn man be­denkt, was für einen Stei­fen du bei Bikes kriegst, aber ich ga­ran­tie­re dir, dass dir ab jetzt jeder Mo­tor­scha­den so­fort auf­fal­len wird.“
„Ver­dammt, ja.“ Ich reich­te ihm meine Hand. „Danke, Mann. Ich schul­de dir was.“
Er schüt­tel­te meine Hand. „Gern ge­sche­hen.“
Dann mach­te er sich wie­der an die Ar­beit an dem Wagen.
Ich be­trach­te­te sei­nen Rü­cken und dach­te über ihn nach und dar­über, dass er be­stimmt eines Tages ein tol­les Mit­glied der Rai­ders sein könn­te. Nach der Sache mit Men­do­za such­ten wir aktiv nach neuen Män­nern, um die Dinge zu sta­bi­li­sie­ren, wäh­rend sich die Lage ab­kühl­te. Wir ar­bei­te­ten immer noch lang­sam, aber si­cher daran, legal zu blei­ben. Mar­leys Per­sön­lich­keit würde da gut rein­pas­sen.
In mei­ner nächs­ten Pause brauch­te es nur einen Anruf bei mei­nem Bru­der. Rev ging beim drit­ten Klin­geln ran.
„Was gibt’s, B?“, frag­te er.
„Ich will was mit dir be­spre­chen.“
„Schieß los.“
„Ich glau­be, ich habe je­man­den ge­fun­den, der in­ter­es­siert ist, sich uns an­zu­schlie­ßen.“
„Wirk­lich?“
„Ja.“ Dann er­zähl­te ich Rev alles über Mar­ley. „Kann ich ihn zu einer Party ein­la­den, um ihn bes­ser ken­nen­zu­ler­nen?“
„Klar. Warum nicht? Wir set­zen Ar­cher gleich auf ihn an. Du weißt ja, dass er glaubt, Rat­ten er­schnüf­feln zu kön­nen.“
Ich lach­te. „Okay. Klingt gut.“
Nach dem Ge­spräch steck­te ich das Handy ein und ging wie­der rein. Mar­ley stand unter einem hoch­ge­bock­ten Wagen.
„Hey, hast du schon mal drü­ber nach­ge­dacht, einem Mo­tor­rad­club bei­zu­tre­ten?“
„Kann schon sein. Warum?“
„Zu­fäl­lig bin ich in einem. Ei­gent­lich bin ich sogar etwas mehr als nur ein Mit­glied in einem. Ich bin ein Of­fi­cer bei den Hells Rai­ders.“
„Von denen habe ich, glau­be ich, schon mal was ge­hört.“
„Wahr­schein­lich nichts allzu Gutes.“
Er dreh­te sich um. „Nur ein biss­chen was.“
Ich hob die Au­gen­brau­en. „Viel­leicht ist nicht alles, was du ge­hört hast, wahr.“
„Ich bin ganz Ohr.“
Ich trat näher, so­dass ich lei­ser spre­chen konn­te. „Die Auf­nah­me ist ein lan­ger Pro­zess. Man fängt ganz unten als Be­su­cher an. Wenn alle zu­stim­men, steigt man zum An­wär­ter auf. Das ist der schwers­te Teil, denn als sol­cher ist man je­der­manns Skla­ve.“
Mar­ley lä­chel­te und zuck­te mit den Schul­tern. „Ja, ich habe schon von der An­wär­ter­zeit ge­hört. Ehr­lich ge­sagt habe ich nie über die Club­sze­ne nach­ge­dacht. Ich liebe ein­fach nur das Mo­tor­rad­fah­ren.“
„Und darum geht es im Club auch vor allem.“
Mar­ley wirk­te eine Weile nach­denk­lich. „Ich könn­te es ja mal aus­pro­bie­ren.“
„Das freut mich.“ Ich ach­te­te dar­auf, dass wir wirk­lich al­lein waren, ehe ich noch mehr sagte. „Am Sams­tag steigt eine Party. Magst du kom­men und dich mal um­se­hen?“
Mar­ley über­dach­te die Ein­la­dung kurz. „Okay. Klingt gut.“
Jetzt, im Club­haus, trank Mar­ley sein Bier. Ich hatte ihm einen Tisch or­ga­ni­siert und ein Bier aus­ge­ge­ben. Zu­min­dest das schul­de­te ich ihm dafür, dass er mir den Arsch ge­ret­tet hatte. Ich hatte ihn ein paar Jungs vor­ge­stellt und er schien sich zu amü­sie­ren. Ei­gent­lich hatte ich mich zu ihm set­zen wol­len, aber meine neu­es­te Er­obe­rung hatte mich auf die Tanz­flä­che ge­zerrt. Mein Schwanz war nicht in der Lage ge­we­sen, Nein zu sagen.
Doch die Bli­cke, die mich be­ob­ach­te­ten, kamen nicht von Mar­ley. Tat­säch­lich hatte er nicht ein Mal in meine Rich­tung ge­schaut. Nein, es war die su­per­klas­se Frau neben ihm, die mich mit den Augen fick­te.
Heute hatte ich zum ers­ten Mal das Ver­gnü­gen und die Qual, seine Freun­din zu sehen. Er hatte sie in un­se­ren Mit­tags­pau­sen öfter er­wähnt. Ich hatte nicht so genau zu­ge­hört und wuss­te nicht mehr, ob sie Sandy oder Sa­man­tha hieß. Da sie in sei­nem Alter war, war sie min­des­tens fünf Jahre älter als ich, und ich hätte mich gern frei­wil­lig als ihr ju­gend­li­ches Spiel­zeug zur Ver­fü­gung ge­stellt.
Wenn man sie mit einem Wort be­schrei­ben woll­te, wäre es exo­tisch. Sie war eine eth­ni­sche Mi­schung, aber eine sehr at­trak­ti­ve. Am meis­ten wirk­te sie spa­nisch, doch ihre man­del­för­mi­gen Augen gaben ihr einen asia­ti­schen Touch. Mir war nicht ent­gan­gen, dass sich ei­ni­ge der Brü­der den Hals nach ihr ver­renkt hat­ten. Ich hoff­te, dass das Mar­ley nicht auf die Palme brach­te.
Als sie merk­te, dass ich sie ansah, er­schien ein kat­zen­haf­tes Lä­cheln auf ihren ru­bin­ro­ten Lip­pen. Sie warf sich das sei­di­ge, ra­ben­schwar­ze Haar über die Schul­ter. Mar­ley neben ihr schien nicht zu be­mer­ken, was sie da tat.
Auch wenn er kein Patch tra­gen­der Bru­der war, hätte ich sie nicht so an­se­hen sol­len. Man mach­te nicht mit einer Frau herum, die einem Bru­der ge­hör­te. Das führ­te immer zu Ärger der fäus­te­flie­gen­den Art.
Ob­wohl es hier mehr als genug wil­li­ge und un­ge­bun­de­ne Frau­en gab, konn­te ich nicht ver­hin­dern, dass meine Ge­dan­ken über diese Frau in Be­rei­che wan­der­ten, wo sie nichts zu su­chen hat­ten.
Meine Ohren nah­men den Schrei eines Babys wahr. Ich kann­te ihn, denn er kam von mei­nem Nef­fen Wyatt. Ich ging durch den Raum Rich­tung Küche, wo Alex­an­dra in der Tür stand und sich gleich dar­auf wie­der in Be­we­gung setz­te, her­um­lief, um das quen­geli­ge Kind zu be­ru­hi­gen.
„Was hat denn der klei­ne Mann?“, frag­te ich.
Alex­an­dra schnaub­te ent­nervt. „Keine Ah­nung. Er hat zu essen be­kom­men und eine fri­sche Win­del. Aber er will un­be­dingt wei­ter­jam­mern.“ Sie küss­te den dun­kel­haa­ri­gen Kopf ihres Soh­nes. „Wahr­schein­lich hat er die Nase voll von mir. Da Wil­low und De­a­con beim Cam­ping sind, hatte er die letz­ten drei Tage nur mich zur Un­ter­hal­tung.“
„Gib ihn mir mal.“
Alex­an­dra hob er­staunt die Brau­en. „Wirk­lich?“ Als ich nick­te, gab sie ihn mir in die Arme. So­fort ver­stumm­te er und sah mich an. „Wer hätte ge­dacht, dass du so gut mit Babys um­ge­hen kannst?“, sin­nier­te Alex­an­dra.
Ich zwin­ker­te ihr zu. „Nee, das ist nur, weil er zu viele Möpse ge­se­hen hat. Er muss mal eine Weile bei einem Mann sein.“
„Du bist un­mög­lich.“ Sie schlug mir gegen den Arm.
„Du magst mich aber trotz­dem“, neck­te ich sie.
Alex­an­dra gab mir einen Kuss auf die Wange. „Das stimmt. Sehr sogar.“ Sie tät­schel­te Wyatts Rü­cken. „Bring ihn mir wie­der, wenn du keine Lust mehr auf ihn hast oder er auf dich.“
„Mach ich.“
Ich wan­der­te mit Wyatt durch den Raum, und ein paar Brü­der hiel­ten an und plau­der­ten mit mir, und ihre Old Ladys oder Freun­din­nen schä­ker­ten mit Wyatt. Ob­wohl er äu­ßer­lich ganz die Mama war, konn­te er wie sein alter Herr Men­schen be­zau­bern. Er grins­te, wink­te und ent­lock­te jedem ein Lä­cheln.
„Was für ein süßer klei­ner Kerl“, sagte eine Stim­me hin­ter mir.
Ich dreh­te mich um und fand meine Be­wun­de­rin vor. Ver­dammt, aus der Nähe war sie noch hei­ßer. „Danke.“
„Ist das dei­ner?“, frag­te sie.
„Oh Gott, nein. Er ge­hört mei­nem Bru­der.“
Sie lä­chel­te und strei­chel­te Wyatts Paus­bäck­chen. „Du hast keine Kin­der?“
„Da muss ich schon wie­der ‚Oh Gott, nein‘, sagen.“
„Aber du kommst echt gut mit ihm zu­recht.“
„Ich mag Kin­der, so­lan­ge sie an­de­ren Leu­ten ge­hö­ren“, ant­wor­te­te ich ehr­lich. Als sich Wyatt nach ihr streck­te, sah sie mich fra­gend an. „Klar. Du kannst ihn ruhig mal hal­ten.“
Wyatt warf sich wil­lig in ihre Arme.
„Du bist ja ein rich­ti­ger Char­meur.“
Wyatt quietsch­te fröh­lich.
„Wir haben uns noch gar nicht vor­ge­stellt“, sagte ich, wäh­rend sie mit Wyatt Süß­holz ras­pel­te.
„Ich bin Sa­man­tha.“
Ich hielt ihr meine Hand hin. „Ich bin Bi­shop.“
„Schön, dich ken­nen­zu­ler­nen.“ Sie ba­lan­cier­te Wyatt auf einem Arm, um mir ihre noch freie Hand rei­chen zu kön­nen.
An ihrer Art, sich vor­zu­stel­len, er­kann­te ich, dass ihr der MC-Le­bens­stil ge­nau­so neu war wie Mar­ley. Die meis­ten Frau­en, mit denen wir zu tun hat­ten, wuss­ten, dass sie da­zu­sa­gen muss­ten, zu wel­chem Mann sie ge­hör­ten und zu wel­chem Chap­ter, je nach Art der Party. „Du bist Mar­leys Freun­din.“
Sie nick­te. „Genau.“
„Ich habe schon viel von dir ge­hört.“
Sie zog die Au­gen­brau­en zu­sam­men. „Ach ja?“
Ich zwin­ker­te. „Nur Gutes, ver­spro­chen.“
Sa­man­tha lä­chel­te. „Das freut mich zu hören.“
„Das ist also deine erste MC-Par­ty?“
„Ja.“
„Und wie ge­fällt es dir?“
Sie sah sich um. „Ich finde es in­ter­es­sant.“
Ich lach­te. „Diese Party ist recht lahm. Warte erst, bis du zu einer Ver­samm­lung kommst.“
„Was ist dann an­ders?“
„Nun ja, es ist mehr ein Freie-Drinks-für-al­le-Fest mit jeder Menge halb nack­ter Leute, die es ganz offen mit­ein­an­der trei­ben.“ Sie wei­te­te die Augen. „Das muss man ge­se­hen haben, um es zu glau­ben.“
Sie rümpf­te die Nase. „Ir­gend­wie weiß ich nicht, ob mir das ge­fällt.“
„Du ge­wöhnst dich dran. Be­son­ders, wenn Mar­ley ein An­wär­ter wird.“
Sie nick­te. „Ver­steh mich nicht falsch. Ich liebe gute Par­tys. Ich weiß nur nicht, ob ich zu­se­hen will, wie es eine Horde Frem­der mit­ein­an­der treibt.“ Sie grins­te. „Por­nos sehe ich mir lie­ber zu Hause an.“
Ich lach­te. „Deine Denke ge­fällt mir.“
Mar­ley er­schien neben uns. „Hey, B, wie ich sehe, hast du end­lich mein Mäd­chen ken­nen­ge­lernt.“
„Du bist ein Glücks­pilz, Mann.“
Mar­ley grins­te mich an und setz­te dann einen fet­ten Kuss auf Sa­mant­has Lip­pen, wobei sie leicht zu­rück­zuck­te. Eine selt­sa­me Re­ak­ti­on. Doch dann lä­chel­te sie ihn strah­lend an.
„Ich gebe dir den Süßen jetzt bes­ser wie­der“, sagte sie. Ich nahm Wyatt auf den Arm. „Danke, dass ich ihn hal­ten durf­te.“
„Je­der­zeit.“
Sie legte den Arm um Mar­leys Tail­le und die bei­den schlen­der­ten davon. Nach ein paar Me­tern sah sie mich über die Schul­ter hin­weg an und lä­chel­te wie­der kat­zen­haft. Ich nick­te ihr kurz zu.
Sie sah wie­der nach vorn und ich stöhn­te auf. Wyatt sah mich über­rascht an. Ich lä­chel­te. „Klei­ner Mann, dein Onkel steckt schwer in der Schei­ße.“
Den Rest des Abends ver­such­te ich, weder an Sa­man­tha zu den­ken noch über sie zu fan­ta­sie­ren. Doch ich ver­lor den Kampf. Sogar als ich ver­such­te, mich ab­zu­len­ken, meine Runde dreh­te und mit Club­mit­glie­dern plau­der­te, konn­te ich nicht auf­hö­ren, an sie zu den­ken. Die meis­ten Ge­dan­ken dreh­ten sich darum, sie auf den Rü­cken zu legen und um den Ver­stand zu vö­geln.

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