Kings of Retribution MC: Fender

Originaltitel: Fender: Kings of Retribution MC Louisiana (Kings of Retribution Louisiana Book 5)
Übersetzer: Oda Janz

Erschienen: 02/2025
Serie: Kings of Retribution MC
Teil der Serie: 16

Genre: Contemporary Romance, Motorcycle Club Romance, Romantic Thrill

Location: USA, Louisiana, New Orleans


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-756-7
ebook: 978-3-86495-757-4

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Kings of Retribution MC: Fender

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Inhaltsangabe

Sawyer "Fender" Huntington hatte schon immer den brennenden Wunsch, aus der Kleinstadtwelt zu entkommen, in der er aufgewachsen war. Er träumte von Ruhm, von ausverkauften Konzerten und Fans, die seinen Namen in ekstatischem Chor rufen. Doch die einzige, die er mehr liebte als die Musik, war Jo – seine Muse, seine Leidenschaft, seine alles verzehrende Liebe. Doch dann kam der Verrat, der alles zerstörte. Mit zerbrochenem Herzen verließ er sie und blickte nie wieder zurück.

Die Reise führte ihn nach New Orleans, wo er sich in der Musik verlor, die seine Schmerzen betäubte. Doch The Big Easy hat ihre eigene Art, verlorene Seelen zu heilen, und so wurde Sawyer Mitglied im Kings of Retribution MC – einem Club, der ihm das gab, wonach er so lange gesucht hatte: Brüderlichkeit und einen tieferen Lebenssinn. Doch inmitten des Chaos eines nahenden Krieges mit einem gesetzeslosen anderen Motorradclub kommt die Vergangenheit zu Sawyer zurück – Jo.

Josephine Gates liebte nur einen Mann in ihrem Leben: Sawyer Huntington. Doch das Schicksal hatte ihre Liebe zerstört. Jo versuchte, die Dinge wieder gutzumachen, doch es war zu spät. Sawyer hatte sie verlassen – und mit ihm ging die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben.

Die Bedrohung durch einen gesetzlosen Motorradclub, der versucht, New Orleans zu überrennen, sorgt in der ganzen Stadt für Unruhe. Inmitten des Chaos steht Fender seiner Vergangenheit gegenüber: Jo. Alte Gefühle flammen auf, aber der Schmerz des Verrats sitzt noch tief. Doch die Wahrheit wird bald ans Licht kommen, und eine entscheidende Wendung verändert alles.

Im Krieg der Kings of Retribution wird Blut vergossen, Leben werden ausgelöscht – und Fender würde seinen letzten Atemzug geben, um seine Zukunft mit Jo zu beschützen.

Über die Autorin

Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie.
Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Bücher und das Geschichtenerzählen führte sie auf eine aufregende Reise,...

Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie.
Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Bücher und das Geschichtenerzählen führte sie auf eine aufregende Reise,...

Weitere Teile der Kings of Retribution MC Serie

Leseprobe

Fender

Als Catcher vor dem Krankenhaus vorfährt, habe ich das ganze T-Shirt vollgeblutet. Er hält seinen Wagen so ruckartig vor den Türen der Notaufnahme an, dass ich nach vorne kippe. „Fuck!“ Ich beiße die Zähne zusammen, als der Schmerz meine Seite durchströmt. Dann stoße ich die Tür auf und klettere hinaus.
„Danke, Bruder. Von hier schaffe ich es allein.“
Ich schließe die Tür und gehe durch den Eingang zu einem Wachmann. Er wirft einen Blick auf mich und schürzt die Lippen.
„Müssen wir mit Problemen rechnen?“, fragt er selbstgefällig. Meint dieses Arschloch das ernst? Verdammter Möchtegern-Polizist.
„Ich hatte einen Scheißtag....

...Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um mir so zu kommen. Außerdem bin ich nicht der Typ dafür.“
Der Wachmann strafft seine Schultern und als er gerade etwas sagen will, höre ich eine vertraute Stimme.
„Mach deinen Rundgang, Hamas“, sagt Harold Gloster.
Der junge Mann starrt mich noch einmal an, bevor er davonzieht.
„Tut mir leid. Die verdammten Neulinge haben ein viel zu großes Ego.“ Gloster sieht mich mit alten, aber wachen Augen an. Dann bemerkt er das blutdurchtränkte T-Shirt, das ich mir an die Seite drücke.
„Scheiße, Fender. Du verlierst viel Blut. Geh und lass dich versorgen.“ Gloster ist ein guter Typ. Er arbeitet schon seit Ewigkeiten als Wachmann hier und ist mit Abe befreundet, Riggs‘ und Novas Großvater.
Ich gehe zur Anmeldung. „Die anderen sollten jeden Moment hier sein.“
„Sehen die auch so aus?“, fragt Gloster.
Ich lache. „Nein, Mann. Sag meinen Brüdern, dass ich hier bin.“
„Geht klar“, antwortet er und geht hinaus.
Glücklicherweise muss ich nicht warten. Eine Krankenschwester kommt durch die Tür, die in die Notaufnahme führt. Sie hat ihren Kopf über ein Klemmbrett gebeugt. „Mr. Huntington.“
Beim Klang ihrer Stimme bekomme ich eine Gänsehaut und als sie ihren Kopf hebt, fühlt es sich an, als würde mir jemand in den Magen boxen. Ich bekomme kaum Luft.
Sie öffnet den Mund und ihre Augen weiten sich vor Überraschung. Nach all dieser Zeit sieht sie immer noch genauso atemberaubend schön aus wie beim letzten Mal. „Sawyer?“
Ich schließe die Augen, als sie meinen Namen sagt. Sofort durchströmen Erinnerungen an eine bestimmte Nacht meinen Kopf. Die Bilder sind so lebendig, dass ich in meinen Gedanken in die Vergangenheit katapultiert werde, zurück in die Zeit, als ich dachte, alles würde gut laufen in meinem Leben. Damals, als ich verliebt war. Dann denke ich an den Moment, als sie mir eigenhändig das Herz aus der Brust gerissen hat. Wut, Schmerz, Verrat und Misstrauen ballen sich zusammen und beginnen, in mir hochzukochen. Ich öffne meine Augen und all diese Gefühle legen sich über mein Herz, sodass es augenblicklich kalt wird wie Stein.
„Josephine.“ Ich benutze ihren vollen Namen, weil ich weiß, dass sie es hasst und sehe den Schmerz in ihren Augen. Doch er ist nicht ein Bruchteil dessen, was sie mich fühlen ließ.
Jo nimmt sich zusammen und streckt ihren Rücken durch. „Komm mit. Wir kümmern uns um dich.“ Ohne ein weiteres Wort folge ich ihr. Ich lasse meinen Blick über ihren Körper gleiten. Sie ist viel kurviger als früher, die Hüften sind etwas breiter, die Brüste größer. Ich löse meinen Blick von ihrem wohlgeformten Hintern und erinnere mich daran, wen ich vor mir habe.
„Setz dich, bitte.“ Ich lasse mich auf dem mit Papier belegten Untersuchungstisch nieder. Jo zieht medizinische Handschuhe über. „Du musst die Kutte ausziehen.“
Die Professionalität in ihrer Stimme klingt gezwungen und ihre Hände zittern. „Was ist passiert, Mr. Huntington?“ Ihre Fingerspitzen berühren meine, als sie das Shirt und meine Hand von der Wunde hebt. Sie keucht leise. „Sawyer.“
Mein Name entweicht ihren Lippen erneut und ich hasse es, zugeben zu müssen, dass es mir gefällt. Ich schlucke und versuche, mich auf einen Fleck an der Wand zu konzentrieren, an dem die Farbe abgeblättert ist.
„Messer.“ Das ist alles, was ich sage.
„Ein Kampf?“, will Jo wissen, während sie die Verletzung einzuschätzen versucht.
Ich antworte nicht, aber sie lässt nicht locker. Sie holt Instrumente, die sie benötigt, um den Bereich um meine Wunde zu säubern und zu desinfizieren. „Das muss genäht werden. Wann hattest du zum letzten Mal eine Tetanusimpfung?“ Sie sieht mich nicht an und ich starre geradeaus.
„Ist eine Weile her.“ Ich versuche, neutral zu klingen. Jo deckt die Wunde ab, damit die Blutung so weit wie möglich gestoppt wird. „Ich bin gleich mit der Impfung zurück. Ein Arzt wird sich das ansehen.“
Jo zieht ihre Handschuhe aus, wäscht ihre Hände und verlässt den Raum, als ob der Teufel hinter ihr her wäre. Jetzt kann ich endlich wieder atmen. Was zur Hölle macht Jo in New Orleans? Ein Klopfen an der Tür unterbricht meinen Gedankengang, und ein groß gewachsener, attraktiver Arzt tritt ein.
„Mr. Huntington, ich bin Dr. Ledger. Wie ich gehört habe, hatten Sie einen Zusammenstoß mit einem Messer.“
Er legt das Klemmbrett in seiner Hand auf den Tisch, nimmt Platz auf einem Hocker und schiebt sich zu mir heran. Jo gibt ihm Handschuhe und er schenkt ihr ein Lächeln. Mein Magen zieht sich zusammen und ich spüre, wie meine Haut brennt. Ich mag es nicht, wie der Arzt Jo ansieht. Als wäre sie ein Stück Schokolade. Ich knirsche so sehr mit den Zähnen, dass mein Kiefer schmerzt.
„Danke, Jo“, sagt er lächelnd.
„Sie heißt Josephine“, korrigiere ich ihn. Meine Stimme klingt kalt.
Der Arzt sieht zwischen mir und Jo hin und her. „Oh, ihr beiden kennt euch?“, fragt er freundlich und ohne offensichtliche Anspielung, aber im Moment ist mir das egal.
„Nicht mehr“, sage ich in dem Moment, als Jo bejaht. Der Arzt ist klug genug, nicht darauf einzugehen und macht weiter. Er beginnt mit der Untersuchung.
„Es ist ein sauberer Schnitt, Mr. Huntington. Das sollte gut verheilen, mit minimalen Narben.“
Jo bringt ihm, was er braucht. „Ich würde sagen, wir nähen Sie eben zusammen und dann können Sie auch schon gehen.“
Ich bleibe stumm, während er seine Arbeit verrichtet. Außerdem versuche ich, Jo zu ignorieren. Sie nach all den Jahren zu sehen, ist schmerzvoller als die Wunde. Ich werfe einen kurzen Blick in ihre Richtung und stelle fest, dass Jos Augen auf mich gerichtet sind. Erinnerungen prasseln auf mich nieder wie eine Tonne Ziegelsteine, und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, durchlebt sie ebenfalls gerade einige Dinge aus der Vergangenheit. Kurz bevor mich meine Gefühle zu überwältigen drohen, wende ich den Blick ab.
„Gut, Mr. Huntington. Sie sind fertig. Sie haben noch weitere Narben, wie ich sehe, daher gehe ich davon aus, dass Sie Bescheid wissen: Halten Sie die Stelle sauber und ein paar Tage lang bedeckt. Nehmen Sie herkömmliche Schmerzmittel, wenn Sie sie brauchen.“ Er zieht seine Handschuhe aus und wäscht seine Hände. „Noch Fragen?“
„Nein.“ Meine Stimme ist voller Hass für einen Mann, den ich gar nicht kenne.
Der Arzt sieht zu Jo. Er lächelt und ich möchte ihm am liebsten eine reinhauen. „Er kann gehen.“
Dann dreht er sich um und sieht mich an, bevor er das Zimmer verlässt. „Passen Sie auf sich auf, Mr. Huntington.“
Als er weg ist, sieht Jo mich an. „Sawyer.“
„Sind wir hier fertig?“ Ich stehe auf und werfe meine Kutte über die Schultern. Jo verzieht das Gesicht.
„Ich, ähm, muss deine Papiere holen und die Informationen für die Nachbehandlung.“
Ich gehe an ihr vorbei. „Behalt sie“, zische ich und gehe hinaus. Vor dem Krankenhaus treffe ich meine Brüder, die auf dem Parkplatz neben Catchers Truck warten.
„Catcher hat uns alles erzählt“, sagt Riggs. „Bist du okay?“
„Ja. Sind nur ein paar Stiche.“
„Church“, befiehlt Riggs, dann blickt er zu Catcher. „Ich möchte, dass du dabei bist.“
Catcher nickt und sieht mich an. „Ich nehme dich mit und lade dein Bike am Clubhaus ab.“

Wenig später kommen wir am Clubhaus an und versammeln uns für die Church. Catcher wartet mit einem kalten Bier vor dem Zimmer.
„Also, nun haben wir einen weiteren toten Reaper's Nomad, um den wir uns kümmern müssen. Diese Wichser rauben mir den letzten Nerv“, sagt Riggs ungeduldig.
„Was machen wir, wenn die Polizei Fragen stellen sollte?“, fragt Kiwi.
„Ich habe bereits mit Mr. Broussard gesprochen. Er hat keine Kameras, also gibt es keinen Beweis dafür, dass du da warst und er hat auch nicht vor, es zu erwähnen.“
Wick sieht über den Tisch zu mir. „War da nur einer?“
„Ja. Er und eine Frau.“
Kiwi legt seine Arme auf den Tisch. „Hat sie dich gesehen?“, fragt er mich.
„Ja.“ Ich sehe zu Riggs. „Sie ist in die Toilette zurückgelaufen, bevor der Kampf begann und hat davon nichts mitbekommen. Aber sie kennt mein Gesicht.“
„Mr. Broussard hat erwähnt, dass er über eine Frau in der Toilette informiert wurde, aber die Polizei hat keine Frau gefunden. Also muss sie verschwunden sein, bevor die Bullen eintrafen.“
„Hat sie eine Kutte getragen?“, will Nova wissen.
„Nein.“ Ich verziehe das Gesicht, als ich mich auf meinem Stuhl bewege. „Ich glaube nicht, dass sie mit dem Toten oder seinem Club etwas zu tun hatte.“
Riggs reibt über seinen Bart. „Bevor es dunkel wird, schwärmen wir noch einmal aus, um zu sehen, ob einer dieser Bastarde in unserem Gebiet unterwegs ist.“
„Catcher hat den Hurensohn getötet. Ohne ihn würde ich vermutlich nicht hier sitzen“, sage ich. „Ich will, dass ihr das wisst.“
Riggs lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. „Catcher ist jetzt seit ein paar Monaten hier. Ich würde ihm gerne eine Anwärterstelle für den Club anbieten.“ Er sieht sich am Tisch um. „Abstimmung.“
Wick nickt. „Dafür.“
Nova tippt auf den Tisch. „Dafür.“
Kiwi nickt. „Zur Hölle ja, dafür.“
Everest verschränkt die Arme. „Dafür.“
Ich bin der letzte und meine Brüder sehen mich an. „Dafür.“
„Gut.“ Riggs steht auf und geht zur anderen Seite des Zimmers, wo er eine Tür öffnet. Er greift in den Schrank, kramt darin herum und findet, was er sucht: eine Prospect-Kutte. „Bring ihn rein.“
Kiwi, der am nächsten zur Tür sitzt, steht auf und streckt den Kopf hinaus. Er ruft nach Catcher, der einige Sekunden später hereinschlendert.
„Ich komme gleich zum Punkt.“ Riggs legt die Kutte auf den Tisch. Auf der Rückseite ist das Logo der Kings aufgenäht und darunter steht das Wort Prospect.
„Du hast vor ein paar Monaten dein Interesse an dem Club ausgesprochen. Nach dem, was du heute für unseren Bruder getan hast, möchten wir dich zum Anwärter machen.“
Catcher blickt auf die Kutte hinunter und sieht sich dann im Zimmer um. Man weiß nie, was er denkt.
„Ein Prospect zu sein, ist nicht leicht. Du musst deinen Beitrag leisten und dir den Aufnäher verdienen. Bist du bereit, deine Zeit und, wenn es sein muss, dein Blut für den Club zu opfern?“
Riggs wartet auf eine Antwort.
Catcher streckt seine Hand aus. „Das bin ich.“
„Gut, Männer. Lasst uns fahren und nach diesen Arschlöchern Ausschau halten. Danach treffen wir uns im Twisted Throttle.“ Riggs schüttelt Catcher die Hand und gibt ihm die Kutte. „Zieh sie an!“


Jo

Als ich unter der Dusche stehe und das heiße Wasser über meinen Körper läuft, gehen mir die gestrigen Ereignisse noch einmal durch den Kopf.
Ich habe nicht eine Minute geschlafen. Jedes Mal, wenn ich meine Augen schließe, tauchen Bilder von ihm auf, die mich quälen.
Sawyer ist hier. Er lebt in New Orleans. Und ist offenbar Mitglied eines Motorradclubs. Ich habe mich immer gefragt, was er aus seinem Leben gemacht hat, doch ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken. Eigentlich wollten wir unser Leben zusammen verbringen. Alles kommt mir vor wie ein Traum. Bestimmt wache ich gleich auf und stelle fest, dass das, was gestern passiert ist, nur ein Hirngespinst war. Doch ich habe kein Glück. Das Schicksal hat erneut zugeschlagen. Ich weiß, dass ich nicht mehr viel Zeit habe, bevor meine Tochter aufwacht, also versuche ich, den Schmerz in meinem Herzen beiseitezuschieben und mache mich fertig. Was alles noch schlimmer macht, ist die Tatsache, dass ich meiner Tochter nichts von dem Chaos erzählen kann, das wie ein Damoklesschwert über uns hängt.
„Morgen, Ladybug.“ Ich drehe mich zu ihr, als sie in die Küche kommt.
„Morgen, Mom.“ Sie kommt zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
„Möchtest du Rührei? Ich habe ziemlich viele gemacht.“
„Ja. Eier klingen gut. Ich mache den Toast“, trällert sie.
„Du bist ja gut gelaunt“, bemerke ich. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, hat Sawyer stundenlang von den neuen Freunden erzählt, die sie kennengelernt hat und dass sie ihre Lehrer so mag. Ich war erleichtert. Den ganzen Tag war ich nervös, weil ich ständig darüber nachdachte, wie es für sie sein würde, mitten im Schuljahr auf eine neue Schule zu wechseln. Es ist nicht immer einfach, die Neue zu sein. Doch in der Sekunde, in der sie durch die Tür kam, hat sie angefangen zu erzählen. Wir haben den ganzen Abend damit verbracht, Pizza zu essen und über unseren Tag zu reden.
„Maddy hat gefragt, ob ich am Samstag mit ihr ins Kino und dann ins Einkaufszentrum will. Ihre Mom kann uns fahren.“ Sawyer dreht sich vom Toaster weg und sieht mich mit flehendem Blick an. „Ich habe gesagt, dass ich dich zuerst fragen muss. Also, kann ich bitte?“
„Ich denke, das ist okay. Ich möchte ihre Mutter aber zuerst kennenlernen und du musst versprechen, dich zu melden.“
„Ja!“ Sawyer wirft sich in meine Arme. „Danke!“
Ich verteile die Eier auf zwei Teller und trage sie zum Tisch hinüber. Sawyer ist damit beschäftigt, ihrer Freundin wegen Samstag zu antworten, während ich sie scherzhaft mit meiner Hüfte aus dem Weg schubse und Butter auf den Toast gebe. „Komm und iss etwas, bevor es kalt wird, Ladybug.“
„Okay.“ Während wir uns setzen, stellt Sawyer die nächste Frage. „Ist es okay, wenn Maddy nach dem Kino bei mir übernachtet? Ihre Mom hat gesagt, dass es in Ordnung ist. Sie kommen ein bisschen früher, damit du sie kennenlernen kannst.“
Ich nicke. „Ich denke, das ist okay.“
„Cool.“ Sie tippt wieder etwas in ihr Handy.
„Danach legst du dein Handy aber weg.“ Ich sehe meine Tochter über den Tisch hinweg an. Sie weiß, was ich über Handys bei Tisch denke.
„Ja, Ma’am.“ Sawyer wirft mir einen verlegenen Blick zu und legt ihr Handy weg. Vor einem Jahr habe ich ihr ein Smartphone erlaubt, allerdings mit der Regel, dass sie es beim Essen weglegen muss und es nachts nicht in ihrem Zimmer ist.

Zwanzig Minuten später gehen wir aus der Tür.
„Hast du deine Hausaufgaben dabei?“
„Oh, stimmt.“ Sawyer läuft den Flur hinunter zu ihrem Zimmer und kommt eine Sekunde später wieder mit ihrem Matheordner heraus.
„Komm schnell, sonst kommen wir beide zu spät.“ Ich schiebe sie aus der Tür und schließe sie hinter mir.
Auf unserem Weg zum Auto beugt sich Sawyer zu mir herüber. „Der Typ ist gruselig.“
Ich blicke mich um und sehe zum Nachbarhaus hinüber. Der Mann, der mich beim Rasenmähen beobachtet hat, sitzt erneut mit einem Bier in der Hand auf seiner Veranda und starrt uns an.
„Das ist er. Ignorier ihn einfach.“ Er hat uns bisher nicht belästigt, aber ich bin trotzdem vorsichtig. Dabei muss ich daran denken, dass ich im Baumarkt anhalten und zusätzliche Schlösser für die Türen und Fenster besorgen wollte. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Meine Tochter ist nicht oft allein zu Hause, dennoch sind es jeden Tag ein paar Stunden nach der Schule. Sie hat auch immer ein Pfefferspray dabei und in meinem Nachtschränkchen befindet sich ein Taser.
Mit Waffen habe ich mich noch nie wohlgefühlt. Als ich jünger war, hat Tante June mir beigebracht, wie man sie benutzt. Sie bestand darauf, dass ich weiß, wie man mit ihnen umgeht, da sie und Tante Maggie Waffen besitzen und sie im Haus aufbewahren, aber darüber hinaus hatte ich nichts damit am Hut.
Ich steige ins Auto, atme tief ein und hoffe, dass es anspringt. Als ich gestern aus dem Krankenhaus kam, hat das alte Mädchen Zicken gemacht, mich dann aber doch noch sicher nach Hause gebracht.
Ich stecke den Schlüssel ins Zündschloss und drehe ihn um. Das Auto stottert zuerst, doch Gott sei Dank springt es an. „Danke.“ Erleichtert atme ich aus.

Der Verkehr in New Orleans ist nicht das, was ich gewohnt bin, aber ich habe es geschafft, eine Viertelstunde früher zur Arbeit zu kommen, nachdem ich Sawyer an der Schule abgesetzt habe. Also beschließe ich, in meinem Auto sitzenzubleiben und meinen restlichen Kaffee zu genießen, bevor ich hineingehe. Mein Handy klingelt und zeigt mir an, dass ich eine Nachricht habe.

Promise: Hey. Hier ist Promise. Wie geht es dir?

Ich lächle und antworte:

Ich: Hi. Mir geht es gut. Was gibt’s?
Promise: Mädelsabend wurde auf Samstag, sieben Uhr verschoben. Bist du dabei?

Verdammt! Diesen Samstag ist die Übernachtungsparty der Mädchen. Ich werde meine Tochter nicht enttäuschen und sie bitten abzusagen, nur damit ich ausgehen kann. Andererseits will Sawyer immer, dass ich ihr mehr Freiheiten einräume. Sie beschwert sich darüber, dass ich ihr nicht vertraue und sie wie ein Baby behandle. Das habe ich erst wieder im Salon gemerkt, als Promise mir ihren Babysitter angeboten hat. Ich habe ja auch nicht vor, besonders lange zu bleiben. Gott weiß, dass ich einen Abend unter Erwachsenen gut gebrauchen könnte, um einmal alles zu vergessen, was in letzter Zeit passiert ist.
Ich schreibe Maddys Mom eine kurze Nachricht. Sawyer hat mir ihre Nummer gegeben, bevor wir von zu Hause weggefahren sind. Ich stelle mich vor und frage, ob es okay für sie ist, wenn die Mädchen am Samstagabend ein paar Stunden allein sind. Dabei versichere ich ihr, dass ich spätestens um neun wieder zu Hause bin. Sie antwortet sofort und sagt, dass Maddy oft als Babysitter arbeitet und sie kein Problem damit hat, wenn die Mädchen für eine Weile allein bleiben, solange es nicht mehr als zwei Stunden sind.
Nun, da alles geregelt ist, antworte ich Promise.

Ich: Sieben klingt gut. Ich treffe euch dort.
Promise: Perfekt! Ich sende dir die Adresse des Twisted Throttle.
Ich: Großartig. Bis Samstag!

Ich stopfe das Handy in meine Tasche, kippe den Rest meines Kaffees hinunter und bereite mich mental auf den Tag vor.
Nichts in der Welt hätte mich auf den Schock vorbereiten können, den ich bekam, als ich gestern die Notaufnahme betrat und den Mann sah, den ich einst über alles geliebt habe.
Und absolut nichts hätte mich auf den Ausdruck in seinem Gesicht vorbereiten können. Seine wunderschönen, braunen Augen waren so voller Hass. Als der Schock aus seinem Gesicht verschwand, war da nur noch Verachtung. Es war ein verdammtes Wunder, dass ich mich lange genug zusammenreißen konnte, um Dr. Ledger beim Nähen von Sawyers Wunde zu helfen. Dass er genauso gut aussah wie in meiner Erinnerung, machte es nicht leichter. Sawyer war immer schon groß, etwa einen Meter neunzig. Der größte Unterschied zu früher ist sein Bart. O Gott, warum musste er so gut aussehen? Ich dachte, dass er vielleicht bleiben würde, damit wir Antworten auf die vielen Fragen bekommen würden, die wir beide ganz offensichtlich hatten, doch er wollte so schnell wie möglich von mir weg.
„Hör auf, Jo“, schimpfe ich mit mir selbst. „Der kann mich mal.“ Ich schüttle den Kopf. Er ist derjenige, der einfach abgehauen ist, ohne irgendeine Erklärung. Wenn jemand wütend sein sollte, dann ich. Sawyer Huntington kann von mir aus zur Hölle fahren.
„Jo! Gott sei Dank, dass du da bist!“, ruft Imani in dem Moment, als ich um die Ecke zur Notaufnahme biege. „Vor zwei Minuten kam eine Schussverletzung rein.“ Ich bin sofort bereit, werfe meine Handtasche auf den Schreibtisch der Schwesternstation und folge Imani zur Ankunftszone der Krankenwagen, wo ich in der Ferne die Sirenen höre.
Dr. Ledger tritt neben mich und nickt kurz zur Begrüßung. Nichts an ihm lässt den eingebildeten Casanova erkennen, er ist jetzt ganz der Mann, der trotz seines Rufs als Playboy ein großartiger Arzt ist.

Es ist schon so lange her, dass ich mit Freunden ausgegangen bin, dass ich nichts mehr zum Anziehen habe. Meine Garderobe besteht aus Schwesternkitteln, Jeans, Shorts, T-Shirts und dem einen Kleid, das jede Frau im Schrank hat, aber in nichts davon fühle ich mich sexy. Nicht, dass ich jemanden beeindrucken will, aber einmal nur wäre es schön, sich wie eine Frau und nicht wie eine überarbeitete Mom zu fühlen.
Ich sehe auf meine Uhr und fluche. „Scheiße.“ Ich wühle mich durch meinen Schrank, bis ich im obersten Fach schwarze Ledershorts mit hoher Taille finde. Vor zwei Jahren habe ich sie aus einer Laune heraus gekauft. Ich hatte nicht vor, sie zu tragen, aber aus irgendeinem Grund schien sie mir gehören zu wollen. Und sie lässt meinen Hintern echt fantastisch aussehen.
Ich greife nach oben, ziehe sie heraus und reiße das Preisschild ab. Plötzlich habe ich eine Idee. Ich gehe zur Kommode, öffne die oberste Schublade und wühle mich durch meine BHs, bis ich finde, wonach ich suche. Es ist ein schwarzer Spaghettiträger-Body aus Spitze. Schnell ziehe ich mich an und kombiniere das Outfit mit einem goldenen Gürtel und schwarz-goldenen Riemchenpumps mit fünf Zentimetern Absatz.
Nachdem ich angezogen bin, laufe ich durch den Flur ins Bad, stecke mir die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz hoch, trage ein wenig Wimperntusche auf und zum Abschluss etwas Rouge und roten Lippenstift. Als ich fertig bin, werfe ich einen Blick in den Spiegel. „Nicht schlecht, Jo“, sage ich zu mir selbst.
Ein erneuter Blick auf die Uhr zeigt mir, dass ich mich beeilen muss. Ich haste zurück in mein Schlafzimmer, nehme meine kleine Handtasche vom Bett und eile ins Wohnzimmer, wo Sawyer und ihre Freundin fernsehen und Eis essen.
„Wow, Mom. Du siehst heiß aus.“ Sawyer sieht mich mit großen Augen an.
„Ja, Ms Gates. Diese Shorts sind der Hammer“, fügt Maddy hinzu.
„Danke, Mädels.“ Ich schenke ihnen ein Lächeln.
Dann nehme ich meine Schlüssel vom Küchentisch. „Denkt daran, was ich gesagt habe!“
„Ich weiß, Mom.“ Sawyer rollt mit den Augen. „Hinter dir abschließen, niemandem die Tür aufmachen, alle dreißig Minuten melden und im Notfall die 112 anrufen. Viel Spaß!“
„Alles klar, Klugscheißerin.“ Ich wuschle ihr durch die Haare.
„Im Ernst, Mom. Uns geht es gut. Geh und hab einmal ein bisschen Spaß.“
Ich küsse meine Tochter auf die Wange. „Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“
„Ich dich auch.“
„Ich bin um neun zu Hause“, sage ich über meine Schulter, als ich aus der Tür gehe.
„Auf Wiedersehen, Mutter.“ Ich lache, als Sawyer mir einen genervten Blick zuwirft.

Zehn Minuten später biege ich auf einen Parkplatz ein, der gegenüber vom Twisted Throttle liegt. Mit der Wegbeschreibung von Promise war es einfach zu finden. Ich steige aus meinem Auto und sehe mich um, bevor ich über den Parkplatz gehe. Als ich den Bürgersteig erreiche, fällt mir auf, wie belebt die Straße ist und wie viele Leute die Bar betreten und aus ihr herauskommen. Während ich die Straße überquere, höre ich den sanften Klang von Country-Musik. Ich lächle, als ich sehe, dass Promise an der Ecke auf mich wartet.
„Hey, du hast es geschafft“, sagt sie und überrascht mich damit, dass sie mich zu sich zieht und mich umarmt. „Du siehst übrigens fantastisch aus.“
Ich trete einen Schritt zurück. „Danke!“
Dann stellt sie mich ihren Freundinnen vor. Zuerst deutet sie auf eine atemberaubende Frau mit langem, glattem, schwarzem Haar und Augen wie Gold. „Jo, das ist meine beste Freundin, London.“ Dann stellt sie mir eine Frau mit wilden, blonden Locken vor und Augen so blau wie das Meer. „Das ist meine Freundin Ruby. Und Sadie kennst du ja bereits.“
„Hi.“ Ich winke. „Es ist schön, euch kennenzulernen.“
„Freut uns auch, Jo. Und ich liebe deine Shorts. Du hast wirklich tolle Beine“, antwortet London.
„Oh, ähm, danke.“ Ich bin verlegen, weil ich zu den Menschen gehöre, die nicht leicht Komplimente annehmen können.
Wir stoßen mit einer Gruppe von Männern zusammen, die aus der Bar kommen. Der Laden ist brechend voll. Ich wende mich an Promise. „Ist ziemlich voll hier. Bist du sicher, dass wir einen Tisch bekommen?“
London winkt mit der Hand in der Luft. „Promise’ Mann arbeitet hier. Wir bekommen immer einen Tisch.“
„Oh, wow. Das ist cool“, antworte ich.
„Ja. Cains Bruder gehört der Laden und er selbst arbeitet ein paar Mal die Woche hinter der Bar.“
Ich folge Promise weiter hinein in die Bar, wo sie uns zu einem Tisch am hinteren Ende führt, auf dem reserviert steht.
„Da sind wir.“ Als wir uns setzen, kommt ein großer, wahnsinnig gut aussehender Mann mit Bart zu uns, greift in Promise’ Nacken, zieht sie zurück und küsst sie leidenschaftlich. Der Kuss ist fast ein wenig zu intim für die Öffentlichkeit und ich werde rot.
„Honey, ich möchte, dass du meine neue Freundin Jo kennenlernst. Jo, das ist Cain.“
Cain streckt mir die Hand über dem Tisch entgegen. „Angenehm, Darling.“ Er schüttelt mir die Hand.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Cain.“ Der attraktive Mann schenkt nun den anderen Frauen seine Aufmerksamkeit. „Das Übliche, Ladys?“
„Ja, bitte“, antworten alle einstimmig.
„Was ist mit dir, Jo?“ Cain sieht mich an. „Was darf ich dir bringen?“
„Ich nehme ein Bier vom Fass.“
Cain klopft mit seinen Fingerknöcheln auf den Tisch. „Kommt sofort.“
„Also, Promise hat uns erzählt, dass du Krankenschwester bist“, sagt London zu mir. Ich nicke. „Ja. Ich arbeite in der Notaufnahme drüben im Hopedale. Meine Tochter und ich sind gerade aus Tennessee hergezogen.“
„Das ist cool. Hast du noch Familie in Tennessee?“, will Ruby wissen.
Ich beantworte diese Frage wie immer. „Habe ich. Meine Tanten, Maggie und June. Ich bin mit achtzehn zu ihnen gezogen. Sie haben mir dabei geholfen, meine Tochter großzuziehen, die heute fünfzehn ist.“ Ich erzähle absichtlich nichts über meine Eltern, wenn es um meine Familie geht. Für mich haben sie aufgehört, Familie zu sein, als ich achtzehn wurde. Ich will das Gespräch von mir lenken und frage: „Und was ist mit euch? Von Promise weiß ich, dass sie Anwältin ist und Sadie gehört der Salon. Aber was ist mit euch beiden?“
Ich sehe zu London und Ruby.
„Ich bin auch Anwältin“, antwortet London. „Ich habe mit Promise zusammen eine Kanzlei.“
„Das ist toll.“ Ich strahle sie an. „Und du, Ruby?“
„Ich bin Erzieherin. Im Kindergarten“, fügt sie hinzu.
„Oh, wow. Das muss sowohl schön als auch herausfordernd sein“, sage ich mit einem Lachen.
„Es ist definitiv interessant. Ich liebe Kinder.“ Ruby grinst.
Wir werden unterbrochen, als Cain mit unseren Drinks zurückkommt. „Hier, Ladys.“ Er stellt unsere Gläser auf dem Tisch ab.
„Spielt Fender heute?“, fragt Promise. „Ich hatte gehofft, dass Jo ihn sehen kann.“
„Ja. Er geht gleich auf die Bühne.“ Cain blickt sich um und wir folgen seinem Blick. „Da kommt er.“
Scheiße! Was zum Teufel? Beim Anblick von Sawyer, der sich auf uns zubewegt, fühle ich die nackte Angst in meiner Magengrube. Und mein Gefühl täuscht mich nicht, denn in dem Moment, als er mich sieht, verschwindet sein entspannter Gesichtsausdruck und wird durch glühenden Zorn ersetzt.
Bevor ich eine Chance habe zu fliehen, winkt ihn Promise zu uns. „Hey Fender. Komm her. Ich will, dass du …“
Sawyer steht vor mir, bevor Promise ihren Satz beenden kann. „Was zum Teufel machst du hier?“, zischt er.
„Was zur Hölle, Bruder?“ Cain starrt Sawyer an, genauso wie Promise und ihre Freundinnen, die mit offenem Mund auf ihren Stühlen sitzen.
Er ignoriert Cain und die entsetzten Gesichter aller anderen am Tisch. „Ich habe dich etwas gefragt, Jo. Was zum Teufel machst du hier? Verfolgst du mich etwa?“
Die Luft im Raum ist plötzlich toxisch und die Spannung zwischen Sawyer und mir kaum auszuhalten. Ich habe den überwältigenden Wunsch zu fliehen, aber ich spüre meinen Körper nicht mehr. Dass ich ihm nicht antworte, macht Sawyer nur noch wütender.
„Antworte mir!“, brüllt er und haut mit seiner Faust auf den Tisch, dass die Gläser klirren.
Bei der grenzenlosen Wut, die von ihm ausgeht, zucke ich zusammen.
„Okay, was ist hier los?“, fragt Promise, während sie zwischen mir und Sawyer hin- und hersieht. „Ihr beiden kennt euch?“
Bei ihrer Frage finde ich meine Stimme wieder. „Nein“, flüstere ich, aber Sawyer hört es. Sein Gesicht verzieht sich vor Verachtung.
„Nein? Willst du wirklich hier sitzen und behaupten, dass du mich nicht kennst? Das ist echt krass.“
Mit zitternden Beinen stehe ich auf. „Ich kenne dich nicht“, sage ich und sehe ihn dabei nicht an. „Der Sawyer Huntington, den ich kannte, hätte nie so mit mir gesprochen.“
Das Lachen, das Sawyer über die Lippen kommt, ist so voller Hohn, dass ich eine Gänsehaut bekomme. „Ja, nun, die Jo, die ich kannte, hätte niemals für mich die Beine breit gemacht, nur um sich ein paar Tage später mit einem anderen Mann einzulassen.“
Promise und ihre Freundinnen keuchen hörbar auf, als Sawyer seine giftigen Beleidigungen in meine Richtung spuckt, und ohne nachzudenken, stürze ich mich auf ihn. Meine Handfläche landet mit einem lauten Knall auf seiner Wange.
„Du weißt überhaupt nichts“, sage ich keuchend.
„Ich weiß alles, was ich über dich wissen muss“, entgegnet Sawyer.
Aus meinem Augenwinkel sehe ich, wie Promise zwischen mir und Sawyer hin und her sieht, als wären wir ein Puzzle, das sie zusammensetzen muss. Dann leuchtet plötzlich ihr ganzes Gesicht und ihre Augen werden groß. Ich ignoriere ihre Reaktion und was auch immer sie gerade zu denken scheint. Stattdessen konzentriere ich mich auf den Mann vor mir. Ich drehe mich um und nehme meine Tasche vom Tisch, dann wende ich mich wieder dem Menschen zu, der mir mit achtzehn Jahren das Herz herausgerissen hat, und es seitdem nicht mehr losließ.
„Du, Sawyer Huntington, bist heute genauso ahnungslos wie du es vor fünfzehn Jahren warst.“ Ich drehe mich um und stürme aus der Bar. Wundersamerweise schaffe ich es bis zu meinem Auto, ohne zusammenzubrechen. Doch in dem Moment, in dem ich die Tür zuschlage, fließen mir die Tränen über die Wangen.
Und sie fließen weiter, bis ich kurz vor meinem Haus bin. Ich kann auf keinen Fall so hineingehen und darauf hoffen, dass mir meine Tochter keine Fragen stellt. Fragen, die ich nicht beantworten will oder kann. Zur Hölle, nach Sawyers Bemerkungen in der Bar habe ich selbst Fragen. Ich war vollkommen geschockt von seiner haarsträubenden Behauptung. Es hat sich angefühlt, als hätte mir jemand ein Messer in mein Herz gerammt.
Ich parke in der Einfahrt, hole ein paar Taschentücher aus dem Handschuhfach und wische mir die Mascara ab, die mir das Gesicht herunterläuft. Mit ein paar reinigenden Atemzügen versuche ich, meine Nerven zu beruhigen. Dann steige ich aus.
Das laute Röhren eines Motorrads dröhnt die Straße herauf, und einen Moment später fährt Sawyer in die Einfahrt. Ich bekomme Panik, als er den Motor abstellt und von seinem Bike absteigt. Er darf nicht hier sein. „Du musst wieder fahren“, sage ich.
„Nein“, antwortet er einsilbig.
„Doch. Geh jetzt.“ Ich zeige auf sein Bike.
Sawyer rührt sich keinen Zentimeter und verschränkt seine Arme vor der Brust. Wenn ich ihn nicht so sehr hassen würde, wäre ich von seinem guten Aussehen angetan. Mit achtzehn war Sawyer attraktiv, aber als Erwachsener mit all seinen Muskeln und dem Bart ist er geradezu atemberaubend.
„Ich fahre nicht, bis du mir nicht meine verdammte Frage beantwortet hast. Was machst du in New Orleans und im Twisted Throttle?“
„Du hast kein Recht, mich auch nur irgendetwas über mein Leben zu fragen. Geh jetzt.“
Sawyer ignoriert mich. „New Orleans ist meine Stadt und ich habe verdammt nochmal jedes Recht, dich zu fragen, was du hier tust.“
Ich gehe auf ihn zu und zische: „Fahr zur Hölle!“ Dann drehe ich mich um, doch er greift mit seiner Hand um meinen Oberarm und hält mich zurück. „Beantworte meine verdammte Frage, Jo.“ Seine Nasenflügel beben.
„Leck mich, Sawyer. Ich wollte gestern mit dir reden, aber du hast dich wie ein Idiot aufgeführt. Du hast deine Chance vertan.“ Ich schüttle meinen Arm aus seinem Griff. „Und jetzt geh. Ich werde es nicht noch einmal sagen.“
Sawyer öffnet seinen Mund, aber etwas hinter mir erregt seine Aufmerksamkeit. Ich drehe mich um und sehe den Schatten meiner Tochter im Fenster, als sie durch den Vorhang sieht.
„Wer zum Teufel ist da drin?“, knurrt Sawyer.
„Und wieder geht es dich nichts an“, sage ich mit zusammengepressten Zähnen.
„Ich will Antworten“, entgegnet er.
„Nun.“ Ich befreie meinen Arm aus seinem Griff. „Wir bekommen nicht immer, was wir wollen.“
Sawyer will etwas sagen, aber ich bin schneller. „Ich wollte, dass der Junge, in den ich mich vor vielen Jahren verliebt habe, nicht einfach verschwindet und mich mit gebrochenem Herzen und zerstörten Träumen zurücklässt. Ich wollte nicht die letzten fünfzehn Jahre mit unbeantworteten Fragen verbringen. Und sicher wollte ich nicht in eine neue Stadt ziehen und mein Leben auf den Kopf stellen, nur weil du dort lebst.“
In Sawyers Gesicht zeichnen sich die unterschiedlichsten Emotionen ab, während ich ihm meine Worte entgegenschleudere. Zorn, Schmerz und Verwirrung. Aber ich habe nicht die Kraft, jetzt über all das zu reden. Mit wackligen Beinen gehe ich zum Haus.
Sawyer versucht erneut, meinen Arm zu greifen, doch er hält inne, als ich zusammenzucke.
„Du hast zehn Sekunden, um zu deinem Motorrad zurückzugehen und von hier zu verschwinden, oder ich rufe die Polizei.“
Bei meiner Drohung versteift er sich. „Ich würde dich nie verletzen. Egal, wie wütend ich bin.“
Ich sehe, wie Sawyers Blick auf meinen Arm fällt, und er bemerkt, dass ich über die Stelle reibe, an der er mich gepackt hat. Moment mal, denkt er, deshalb wollte ich die Cops rufen? Weil er mich angefasst hat? Ich reibe nicht über die Stelle, weil er mich dort gepackt hat. Ich tue es, weil seine Berührung sich anfühlt, als hätte er dort ein Loch in meinen Körper gebrannt. Seine Hand auf meiner Haut bringt so viele Erinnerungen zurück. Aber das sage ich ihm nicht. Stattdessen verhalte ich mich wie ein Arschloch.
„Zehn Sekunden, Sawyer.“ Mit diesen Worten drehe ich mich um und gehe die Einfahrt hinauf zu meinem Haus. Es kostet mich alle Kraft, die ich habe, nicht zurückzublicken, und ich seufze erleichtert auf, als ich höre, wie er das Motorrad anlässt.
„Mom, wer war der Mann?“ Wie erwartet steht meine Tochter direkt vor mir, als ich durch die Haustür komme. Ich sehe an ihr vorbei ins Wohnzimmer. „Wo ist Maddy?“
„Im Bad.“ Sawyer folgt mir den Flur hinunter zu meinem Zimmer. „Mom!“
„Er ist nur ein Typ aus der Bar. Ich habe meine Tasche vergessen und er hat sie mir netterweise gebracht.“
„Du hast deine Tasche vergessen?“ Sawyer schaut mich misstrauisch an. „Das sieht dir nicht ähnlich.“
„Stimmt.“ Ich gebe mein Bestes, um meine Lüge zu untermauern. „Gott sei Dank war der Mann so nett, sie mir zurückzugeben.“
„Er hat gemein ausgesehen. So als wäre er wütend auf dich.“
Ich setze mich ans Ende des Bettes und ziehe meine hochhackigen Pumps aus. „Hm. Habe ich nicht bemerkt.“ Ich blicke zu meiner Tochter und schenke ihr ein gekünsteltes Lächeln. „Ich meine es ernst, Ladybug. Er ist nur ein Kerl, der so nett war, mir meine Tasche zu bringen. Nichts weiter.“
„Bist du sicher? Du wirkst irgendwie durcheinander.“
Ich bemerke den besorgten Tonfall meiner Tochter. Deshalb stehe ich auf und umarme sie.
„Mir geht’s gut. Versprochen. Jetzt geh zurück zu deiner Freundin.“
Erst als Sawyer zurück zu Maddy geht, und ich mich hinter meiner geschlossenen Schlafzimmertür sicher fühle, erlaube ich es mir zu weinen.

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