Heaven's Rejects MC: Heaven Sent

Originaltitel: Heaven Sent (Heaven's Rejects MC Book 1)
Übersetzer: Jazz Winter

Erschienen: 08/2024
Serie: Heaven's Rejects MC
Teil der Serie: 1

Genre: Motorcycle Club Romance, Romantic Thrill

Location: USA, Kalifornien


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-700-0
ebook: 978-3-86495-701-7

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Heaven's Rejects MC: Heaven Sent


Inhaltsangabe

Ihr Alptraum dauert immer noch an. Seiner hat ihn gebrochen zurückgelassen.

Dani Espinoza hat einen Stalker. Zuerst ermordete er ihre Eltern und nun ist er auf der Suche nach ihr. Um ihr eigenes Leben zu retten, steigt Dani in den nächsten Bus, der Ohio verlässt, und flieht. Aber als sie in Kalifornien ankommt, findet sie nur noch mehr Probleme vor, denn sie gerät mitten in einen Biker-Krieg. Dani wird vom Heaven's Rejects MC gefangen genommen, da sie Dani verdächtigen, dass sie mit den Todfeinden des Clubs, dem Twisted Tribe MC, zusammenarbeitet. In dieser ausweglosen Situation lernt sie Hero, den Vizepräsidenten des Clubs, kennen und fühlt sich mit ihm verbunden, auch wenn er derjenige ist, der sie gefangen hält.

Tyler „Hero“ Tobias ist der Vizepräsident des Heaven’s Rejects MC und er nimmt seine Position dort sehr ernst. Als er Dani trifft, ist ihm sofort klar, dass er ihr nicht über den Weg trauen kann. In ihren braunen Augen verbergen sich Geheimnisse und Lügen liegen auf ihren süß lächelnden  Lippen. Also warum kann er dann nicht aufhören, an sie zu denken, wenn er sich doch
eigentlich darauf konzentrieren sollte, seinen Club am Leben zu halten?

Als Danis Geheimnisse ans Licht kommen und ihre Lügen aufgedeckt werden, riskiert Hero sein Herz und auch seinen Club, um sie zu beschützen und sie zu der Seinen zu machen.

Über die Autorin

Avelyn Paige ist eine Wall Street Journal- und USA Today-Bestsellerautorin von Romantic Suspense- und MC Romance-Geschichten. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf pelzigen Kindern in einer Kleinstadt in Indiana.
Wenn sie nicht gerade schreibt, verbringt Avelyn ihre Tage...

Weitere Teile der Heaven's Rejects MC Serie

Leseprobe

Dani

Ich gebe für die Nacht auf und kehre zum Haus zurück. Der Sonnenaufgang fängt gerade erst an und der Himmel färbt sich in hübsche Rosa- und Orangetöne. Als ich um die Ecke biege, bemerke ich einen großen Mann, der im Schatten neben der Hintertür des benachbarten Salons herumlungert. Ich kann seine Gesichtszüge nicht ausmachen, allerdings erkenne ich die orange und grüne Schrift mit dem weißen Totenkopf auf der Rückseite seiner Jacke. Es handelt sich dabei um genau das gleiche Abzeichen, das meine Entführer getragen haben.
Shit. Sie haben mich gefunden.
Sofort macht sich Panik in mir breit. Mein Herzschlag beschleunigt...

...sich, als ob ich einen Sprint gelaufen wäre, und es klopft wild in meiner Brust.
Ich schleiche mich hinter eine Reihe von Mülltonnen, um nicht entdeckt zu werden, und beobachte, wie der Mann am Türschloss herumrüttelt, dann seinen Fuß hebt und die Tür eintritt. Er holt eine Taschenlampe hervor, betritt das Gebäude und schließt die Tür hinter sich. Ich kann hören, wie Glas zerbricht und harte Gegenstände gegen die Wände schlagen. Plötzlich verlässt er das Haus wieder und wirft ein brennendes Zündholz hinter sich. Feuer bricht auf dem Boden auf und breitet sich rasend schnell im Innern des Bauwerks aus. Er joggt an meinem Versteck vorbei, springt in einen ramponierten Pick-up, rast auf die Straße und entfernt sich vom Tatort.
Ein Feuer ist im Moment nicht das, was ich gebrauchen kann. Es wird die Lokalpolizei und Feuerwehr anlocken. Also nicht das, was ich benötige. Ich halte inne und denke über meine Optionen nach. Ich könnte zum Haus zurückkehren und mich dort verstecken, in der Hoffnung, man wird mich dort nicht finden. Oder ich kann versuchen, damit klarzukommen und meine Existenz vertuschen. Beides ist keine gute Wahl, aber es dauert nur Sekunden, bis mir bewusst wird, dass ich eigentlich nur eins tun kann, um das Risiko der Entdeckung zu reduzieren.
Während ich auf das brennende Gebäude zulaufe, entdecke ich ein weggeworfenes Handtuch in der Nähe eines Mülleimers. Ich greife danach und versuche, die Flammen so gut es geht zu ersticken. Mit jedem Schlag des Handtuchs füllt der Rauch meine Lungen, während das Feuer den Stoff versengt. Bei jedem mühsamen Schwung, den ich nehme, schreien meine Rippen förmlich vor Schmerzen.
„Scheiße!“ Ich huste und sauge noch mehr rauchhaltige Luft in meine ohnehin bereits brennenden Lungen ein. Ich habe höchstens ein paar Minuten Zeit, bis mich das Kohlendioxid in der Luft völlig außer Gefecht setzt. Ich ziehe mein Shirt provisorisch über meine Nase und Mund und schlage nach den Flammen, bis ich eine Haarwaschstation erreicht habe. Ich huste noch heftiger in dem stinkenden Rauch, während meine Finger nach dem Griff des Wasserhahns tasten. Als meine Finger endlich finden, was ich suche, benutze ich den Sprayer, um die letzten Flammen zu löschen. Das verkohlte Holz brutzelt durch die Hitze und das darüber verteilte Wasser zischt leise. Mein Herz klopft, als ich in der Ferne die Sirenen höre, die von Sekunde zu Sekunde näher kommen.
Ich muss hier raus. Sie dürfen mich nicht hier finden.
Ich flitze aus dem Salon und in mein provisorisches Zuhause, gerade als das Löschfahrzeug in die Gasse biegt. Ich schiebe das Holzbrett wie immer über meinen Geheimeingang und gleite zu Boden.
Ich schnappe nach frischer Luft, komme langsam wieder zu Atem und bemühe mich, das Adrenalin in mir zu drosseln, das gerade durch meinen Körper pumpt. Der anstrengende Versuch, das Feuer zu löschen, hat bei meinen angeschlagenen Rippen seinen Tribut gefordert. Das Adrenalin reicht aus, um den Schmerz vorübergehend zu dämpfen, doch als es aus meinem Körper weicht, wird es durch stechende Pein ersetzt, die mich bei jedem Atemzug fast lähmt.
Ich muss mich wirklich bald darum kümmern. Irgendwie.
Stundenlang beobachte ich, wie die Feuerwehrleute um das halb verbrannte Gebäude umherschwirren und behalte sie im Auge, bis sie den Ort des Geschehens verlassen. Die Polizei jedoch bleibt zurück, sichert das Gebiet mit Barrikaden und inspiziert den Tatort draußen. Ich stoße einen stillen Fluch aus, als einer der Beamten meine Tasche voller weggeworfener Schätze bemerkt und darin herumwühlt. Ich atme erst wieder, nachdem er sie beiseite wirft und seine Suche fortsetzt.
Kurze Zeit später verlässt auch die Polizei den Tatort und ich kann endlich beruhigt sein, dass ich nicht entdeckt worden bin. Ich gehe in die alte Küche, ziehe die mit Rauch und Ruß bedeckten Shorts und das Shirt aus und weiche sie in dem mit Wasser gefüllten Waschbecken ein.
Gott, ich wünschte, ich hätte eine gute Seife.
Ich bin mir sicher, dass die einzigen Shorts, die ich habe, jetzt ruiniert sind. Ich ziehe mir eins der alten, abgetragenen Shirts über den Kopf, die ich bei meinen nächtlichen Streifzügen gefunden habe, trinke ein paar Gläser Wasser und gehe dann ins Bett. Ich weiß, dass es keine gute Idee ist, unbeaufsichtigt zu schlafen, obwohl ich so viel Rauch eingeatmet habe, allerdings habe ich keine andere Wahl. Ich muss meinem Körper und meinen Rippen etwas Ruhe gönnen. Ich rutsche auf das weiche, wenn auch abgenutzte Sofakissen und ziehe die Decke über mich. Einzuschlafen fällt mir so leicht.
Eine Stimme weckt und erschreckt mich.
Nein. Nein. Nein. Ich muss mich verstecken.
Im Versuch, genau das zu tun, rutsche ich vom Bett, renne, so leise ich kann, zum Schrank unter der Treppe und schließe die Tür hinter mir. Ich dränge mich in die Dunkelheit und hoffe, dass sie ausreicht, um mich zu verbergen. Mit schweren Schritten betritt jemand den Raum.
„Siehst du jemanden, Voodoo?“ Die weibliche Stimme, die fragt, kommt aus der Küche.
„Nein, Maj, hier steht allerdings ein Bett“, antwortet eine männliche Stimme. Die schweren Schritte treten näher an mich heran. „Es ist noch warm, also ist derjenige, dem das gehört, noch nicht weit weg.“
Ich kann hören, wie die Metallfüße des Kinderbettes über den Holzboden scharren. Als der Lärm verstummt, hallt das Klicken von Absatzschuhen im Raum wider.
„Hier muss jemand sein. Die rußigen Fußabdrücke haben direkt in dieses Haus geführt. Bist du dir sicher, dass du unten alles überprüft hast?“, fragt sie.
„Ja. Ich würde mich ja oben auch umsehen, allerdings befürchte ich, dass die Stufen total verrottet sind und ich möchte nicht mit meinem Arsch im Keller landen. Was meinst du, sollen wir uns trollen und es später noch einmal versuchen?“
„Nein“, widerspricht sie. „Ich weiß, dass derjenige noch in der Nähe ist. Du gehst nicht eher, bis du ihn gefunden hast.“
„Ich bin nicht das Mädchen für alles“, protestiert er. „Ruf jemand anderen dafür.“
„Tu es, V“, knurrt sie und das Klicken ihrer Absätze nähert sich meinem Versteck. „Hast du schon hier drin nachgesehen?“
Die Tür springt auf und ich bin enttarnt. Eine Frau mittleren Alters mit dunklem Haar steht vor mir und starrt mit ihren dunklen Augen in die Dunkelheit. Ich atme noch immer nicht, doch es ist, als würde sie eine Nachtsichtbrille tragen. Sie lächelt auf mich herab, während ich mich zurückziehe.
„Na, was haben wir denn hier? Ich habe ein Mädchen gefunden, V. Hilf mir, sie da rauszuholen“, ruft sie hinter sich.
Der Mann geht auf sie zu und stößt sie beiseite. Er steckt seine Hände in den Schrank und ergreift meine Oberarme. Ich versuche mich so weit wie möglich in die Tiefe des Schrankes zu drücken, um von ihm wegzukommen, doch es hilft nichts.
„Bitte“, flehe ich. „Ich habe nichts getan.“
„Das werden wir noch sehen. Komm raus“, befiehlt er und holt mich dann aus meinem Versteck.
Mich aus diesem Schrank zu entfernen, hat allerdings einen Preis für diesen Mann. Ich trete und beiße und versuche, mich aus seinen breiten Griffeln zu befreien.
„Himmel, Frau“, schreit er, als meine Zähne sich in seine Haut versenken. Mit einer schnellen Bewegung wirbelt mich der Kerl herum, zieht meinen Rücken an seinen Körper und schlingt die Arme fest um meine Brust und meine angeknacksten Rippen. Meine Gegenwehr löst sich in Luft auf, während die Pein erneut in mir aufsteigt. Die Frau nähert sich mir und untersucht mein Gesicht.
„Dem Rauchgeruch zu urteilen, schätze ich, dass du diejenige bist, deren rußige Spuren wir vom Salon aus verfolgt haben. Hast du das Feuer gelegt?“, fragt sie mich und mustert mein Gesicht, als ob sie darin nach Schuldgefühlen sucht.
„Ich habe es gelöscht“, flüstere ich.
„Ist das so?“ Sie sieht mich skeptisch an.
„Es war ein Mann in einer Lederjacke mit orange-grüner Aufschrift und einem weißen Totenkopf auf dem Rücken“, verrate ich nervös, während ich auf ihre Reaktionen warte.
Die Augen der Frau leuchten auf und blicken sofort zu dem Gesicht des Mannes auf, der mich festhält. „Bist du dir da sicher, Schätzchen? War es ein weißer oder ein roter Schädel?“
„Von meinem Versteck aus wirkte er weiß“, erwidere ich.
Gott, ich hoffe, meine Ehrlichkeit endet nicht damit, dass ich wieder im Besitz der Bastarde lande. Wenn das der Fall wäre, ist der Tod die bessere Option.
„Es war dasselbe Symbol, das die Männer trugen, die mich entführt haben“, ergänze ich leise.
Der Mann, der mich festhält, lässt mich plötzlich los, reißt mich herum, damit ich ihn direkt ansehen kann. Sein Gesicht ist auf einmal nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. „Entführt? Männer mit diesen Farben haben dich entführt?“ Sein Antlitz ist rot vor Wut. „Warum sollten sie dich entführen? Bist du eine ihrer Huren? Dealst du Drogen für sie?“ Er bellt mir weitere Fragen in schneller Abfolge zu. „Antworte mir, Frau.“
„Wegen meiner Mitbewohnerin“, weine ich. „Ich habe keine Ahnung, warum sie sie wollten, aber stattdessen haben sie mich mitgenommen.“
Die Frau nähert sich. Ich kämpfe gegen den Drang an, zurückzuweichen, doch der Mann lässt mich los, als ihre Hand meine Schulter berührt und schubst mich in ihre Richtung.
„Wenn du hier bist, um mich zu töten, dann bring es endlich hinter dich.“
„Dich umbringen, Süße?“, gibt der Mann von sich und lacht bei jedem einzelnen Wort. „Was denkst du, Maj? Glaubst du ihre Geschichte, oder soll ich die Jungs rufen, damit sie den anderen Pick-up herbringen, um ihre Leiche loszuwerden.“
Die Augen der Frau werden schmal, während sie mich beurteilt. Sie geht um mich herum, als stünde ich auf einem Auktionsblock, bereit, verkauft zu werden. Sie bleibt auf einmal stehen und bedeutet mir, näherzukommen. Ich tue, was sie verlangt, und gehe vorwärts, gerade nah genug, dass sie mich nicht packen kann.
„Wie heißt du?“
„Dani.“
„Nun, Dani. Da du behauptest, du hättest meinen Salon gerettet, denke ich, dass wir weiterreden sollten. Voodoo hier wird dich unter meinem Schutz zurück zu unserem Clubhaus bringen. Was sagst du dazu?“
„Ich bin nicht dumm“, argumentiere ich. „Warum sollte ich mein Einverständnis dazu geben, ein Gefängnis gegen ein anderes einzutauschen? Warum sollte ich verdammt noch mal zustimmen?“
„Weil du keine andere Wahl hast, fürchte ich“, gurrt die Frau fast. „So wie ich das sehe, hast du zwei Optionen. Entweder du gehst unter meinem Schutz oder du wirst dazu gezwungen, ohne meinen Schutz. In unserem Clubhaus bist du jedenfalls sicherer als auf der Straße. Dort werden sie nicht nach dir suchen. Auf die eine oder andere Weise wirst du mit uns kommen.“
„Entschuldige, wenn ich denke, dass das totaler Bullshit ist“, feuere ich zurück und blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Was würde dich davon abhalten, mich zu verraten, sobald wir dieses Haus verlassen? Woher zur Hölle soll ich mir sicher sein, dass du nicht eine von ihnen bist?“
„Wir sind nicht wie diese Bastarde“, zischt der Mann. Er kommt nur wenige Zentimeter an mich heran und hat den Köder, wie ich erwartet habe, geschluckt, den ich ausgeworfen hatte.
Die Frau hebt ihre Hand, um ihn davon abzuhalten, sich mir noch weiter zu nähern. „Du hast mir geholfen, also werde ich dir jetzt helfen. Du verdienst dir unser Vertrauen und wir sorgen dafür, dass du in Sicherheit bist und nicht in die Hände des Tribes gerätst.“
Ich habe derzeit wirklich keine vernünftige Alternative. Der Typ, der mich eben gepackt hat, ist stark. Viel stärker als ich, selbst ohne angeknackste Rippen. Gegen jemanden wie ihn habe ich keinerlei Chance, wenn ich versuchen würde zu fliehen. Die Wahl war im Grunde in dem Moment gefallen, als sie mich entdeckt hatten.
„Ich gehe mit zu dir nach Hause.“
„Es ist nicht nur mein Haus, Süße. Siehst du den Kerl da?“ Sie zeigt auf den Bigfoot neben ihr. „Es gibt noch fünfzehn weitere wie ihn, die genau wie er dort leben. Mein Mann ist Präsident eines Motorradclubs. Die verspeisen kleine, aufmüpfige Schlampen wie dich zum Frühstück, also würde ich an deiner Stelle meine Einstellung überdenken.“
„Ja, Ma’am“, erwidere ich.
„Das ist es, was ich hören will. Gehorsam bringt dich in unserer Welt weiter.“ Sie dreht sich zu dem Mann um und bellte weitere Befehle. „Bring Dani hier zurück ins Clubhaus und bitte Ruby, ihr zu helfen, sich zu waschen und sie soll ihr etwas zum Anziehen zu besorgen. Sie soll sie in einem der Gästezimmer unterbringen. Sie ist für die Jungs tabu! Sofern sie nichts anderes sagt. Hast du das verstanden, Voodoo? Stell sicher, dass jeder der Jungs das weiß. Wird sie scheiße behandelt, wäre es dasselbe, als würden sie es mit mir tun. Köpfe werden rollen, sobald auch nur ein Haar auf ihrem Kopf gekrümmt wird.“
Tabu? Möchte ich überhaupt wissen, was die anderen Frauen für diese Männer tun, wenn sie mich schon als Tabu brandmarkt?
Der Mann knurrt zustimmend und zerrt mich aus meinem provisorischen Zuhause, zieht mich hinter sich her und direkt zu einem auf der anderen Straßenseite geparkten Pick-up. Er schiebt mich regelrecht in die Fahrerkabine und rutscht dann auf den Fahrersitz. Er startet den Motor und fährt von dem Salon weg. Die gesamte Fahrt über schweigt er. Immer wieder biegen wir an verschiedenen Straßen ab, bis wir an einem Upland-Schild vorbeikommen. Heilige Scheiße, er bringt mich zurück in die Stadt, in der ich mit Ricca gewohnt habe.
„Ihr lebt in Upland?“, frage ich.
„Ja“, ist die einzige Antwort, die ich erhalte, und dann biegt er erneut ab und steuert auf die Berge zu. Seit ich in dieser Stadt wohne, wollte ich Mount Baldy sehen. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass ich das zum ersten Mal mit einem tätowierten Biker in einem Pick-up tun würde. Wenn ich mich umsehe, habe ich Hoffnung, vielleicht doch noch nach Hause zurückkehren zu können, um mein Geld und meine Sachen zu holen. Der Gedanke an das Foto meiner Eltern, das in meinem Zimmer steht und darauf wartet, gestohlen oder weggeworfen zu werden, macht mich krank. Das letzte Bild meiner Eltern könnte bereits entwendet worden sein. Doch darüber kann ich im Moment nicht nachdenken.
Voodoo biegt auf eine staubige, unbefestigte Straße ab und fährt tief in die Berge hinein. Ein paar Minuten später kommt eine Metallkonstruktion in Sichtweite, vor der mehrere Motorräder auf einem gepflasterten Grundstück stehen. Er tritt auf die Bremse und parkt auf der linken Seite der Bikes. Er springt aus der Fahrerkabine, noch bevor der Motor gänzlich verstummt ist. Voodoo öffnet die Beifahrertür und zerrt mich aus dem Pick-up, führt mich zur Eingangstür und schiebt mich in einen Raum voller lederbekleideter Männer und Frauen in winzig kleinen Outfits.
Fassungslose Stille legt sich über den Raum, kaum, dass ich ihn betreten habe.
Während ich mich umsehe, fallen mir in der Mitte alte Ledersofas auf. An den Wänden hängen Leuchtreklameschilder von Bier und Harley-Davidson. Der abgenutzte Holzfußboden unter meinen nackten Füßen hat auch schon bessere Tage gesehen, genau wie einige der älteren Kerle in diesem Raum. Der Geruch von abgestandenem Bier, Zigarettenrauch und billigem Parfüm liegt in der Luft.
„Hast du uns ein neues Spielzeug mitgebracht“, sagt ein großer Typ grinsend. „Hübsches kleines Ding, nicht wahr?“
„Das ist Dani. Sie steht unter Maj’s Schutz“, verkündet er laut in die Runde. „Behaltet eure Griffel bei euch.“
Voodoo verschwendet keine weitere Zeit und schubst mich in Richtung eines Flurs. Zu meiner Linken erscheint eine Tür und er schiebt mich in das Zimmer. „Bleib hier drin“, fordert er. „Sobald ich gehe, wird diese Tür abgeschlossen.“
„Ihr könnt mich doch nicht wie ein Tier hier einsperren“, protestiere ich.
„Wir können und wir werden.“ Er bewegt sich, um den Raum zu verlassen. „Geh duschen. Du stinkst. Eins der Mädels wird dir etwas zum Anziehen bringen.“ Er greift nach der Tür und schlägt sie hinter sich zu. Das Schloss rastet ein und ich kann hören, wie seine schweren Schritte sich entfernen.
Ich hämmere gegen die Tür, bis meine Fäuste wehtun. Eine sinnlose Reaktion, wie mir klar wird. Ich bin hier gefangen. Das habe ich mir selbst eingebrockt, um mich selbst zu schützen. Wie man sich bettet, so liegt man, heißt es doch. Ich sacke gegen die Tür und weine. Die ganze Wut, die Angst und die Traurigkeit strömen in großen, dicken Tränen aus mir heraus und laufen über mein Gesicht. Ich schluchze, bis ich nicht mehr kann. Ich habe nichts mehr in mir.
Ich stoße mich vom Türblatt ab und gehe in das angrenzende Badezimmer. Eilig streife ich meine schmutzigen Sachen ab, schalte die Dusche an und steige unter den heißen Strahl. Das Wasser fühlt sich himmlisch an, während es den Stress und den Schmutz von meiner Haut spült. Ich bleibe so lange in der Dusche, bis das Wasser kalt wird. Ich nehme mir eins der Badetücher unter dem Waschbecken, wickele mich darin ein und kehre zurück ins Schlafzimmer.
Eine freche, zierliche, rothaarige Frau sitzt auf dem Bett mit einem Bündel Kleidung in den Händen.
„Wer bist du?“
„Ruby.“ Sie lächelt. Nachdem sie vom Bett aufgesprungen ist, tänzelt sie zu mir hinüber und schiebt mir die Klamotten in die Arme. „Ich habe dir ein paar Clubshirts, eine Jogginghose und Unterwäsche mitgebracht. Es ist nicht viel, aber es ist das, was wir hier haben.“
„Das ist großartig, danke.“ Ich zwinge mich selbst zu einem Lächeln. Allmählich verliere ich den Halt an den Gegenständen in meiner Hand und mein Badetuch verrutscht.
Sie schnappt nach Luft, als sie die Blutergüsse an meinen Rippen sieht. „Hat V das getan?“, zischt sie und bewegt ihre Finger über die verletzte Haut.
„Nein“, erwidere ich kopfschüttelnd. „Ich bin entführt worden.“
„Du brauchst einen Arzt.“ Damit hat sie nicht ganz unrecht, doch diese Entscheidung ist ihnen überlassen. Meinen neuen Entführern.
„Ich denke, ich habe nur eine gebrochene Rippe.“ Die Antwort kommt mir lässig über die Lippen, als wäre das keine große Sache.
„Heilige Scheiße, du hast eine Rippe gebrochen und sagst jetzt erst etwas? Warte hier“, sagt sie und verlässt mein Zimmer. Während sie weg ist, nutze ich die Gelegenheit, mich anzuziehen, lege das Handtuch ab und schlüpfe in die Jogginghose und ziehe mir eins der T-Shirts über. Als sie zurückkommt, habe ich es mir auf dem Bett gemütlich gemacht und bin gerade dabei einzunicken.
„Hier, nimm das“, meint sie. Sie drückt mir zwei große, weiße, längliche Pillen und eine kleine Flasche Cola in die Hände. Ich stecke mir die Tabletten in den Mund und spüle sie mit einem Schluck Cola runter. Ruby setzt sich neben mich auf die Bettkante und beobachtet mich. Die Medikamente zeigen rasch ihre Wirkung. Meine Sicht trübt sich und der Raum um mich herum beginnt sich zu drehen. Sie bleibt still, während ich immer mehr die Fähigkeit einbüße, Worte zu bilden. Die Dunkelheit kriecht an den Rändern meines Blickfeldes entlang und ich spüre, wie mein Körper schlaff wird, bevor ich vollständig das Bewusstsein verliere.
Ich wurde unter Drogen gesetzt.


Hero

In meinem Verstand tobt ein Krieg, und es gibt nichts, was ich trinken oder ficken kann, um diese schmerzhafte Erinnerung zurück in die Kiste meines Unterbewusstseins zu drängen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich vielleicht Voodoos Platz bei der Brandbekämpfung im Salon einnehmen sollen. Die Arbeit hätte mich von den Albträumen abgelenkt und ich hätte einen sinnvollen Zweck erfüllt, um sie ignorieren zu können. Das Bedürfnis, mich davon zu distanzieren, wächst mit jedem Tag, doch ein Besuch bei meiner Therapeutin kommt nicht infrage. Zumindest nicht, bis der Krieg mit dem Tribe vorbei ist. Ich kann meine Brüder nicht wegen meiner eigenen Probleme im Stich lassen. Im Moment muss ich es eben irgendwie in den Griff bekommen und damit klarkommen. Schwäche ist keine Option.
Während Voodoo und ein paar der anderen mit Maj losgezogen sind, um nach ihrem Salon zu sehen, ist der Rest von uns in höchster Alarmbereitschaft zurückgeblieben. War das ein Versuch gewesen, um uns aus dem Lockdown zu locken? Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch. Besonders nach dem kleinen Paket, das wir heute Morgen erhalten haben. Ein Stück von Jaggers blutiger Kleidung war uns zugeschickt worden, zusammen mit einem Foto seines Körpers, wie er in dem Schuppen hing.
Während ich auf das Bild gestarrt hatte, brodelte die Wut in mir und hatte das höchste Level aller Zeiten erreicht. Mit jeder Sekunde, in der ich das Foto ansah, war ich dem Verlust meiner Selbstbeherrschung nähergekommen. Wir müssen gegen sie vorgehen, und zwar bald, jedoch nicht, ehe wir vorbereitet sind. Es gab noch zu viele Unbekannte in diesem Kampf. Das war unsere Priorität, bevor wir zuschlagen.
Voodoo hat praktisch die letzten Tage vor seinem Computer gelebt und versucht, weitere Informationen zu finden, doch er hatte nichts Konkretes entdecken können. Da uns klar ist, was in den nächsten Tagen und Wochen auf uns zukommen wird, können wir nur mit den vorliegenden Tatsachen arbeiten.
Der einzige Fakt, der mich antreibt, ist die absolute Gewissheit, dass ich die Männer zur Strecke bringen werde, die für die Ermordung meines Bruders verantwortlich sind. Ihr letzter Anblick in diesem Leben soll sein, dass sie sehen, wie ich es ihnen nehme.
Und genau das werde ich tun. Auf die eine oder andere Weise.
Nach einigen Stunden schickte Raze ein paar von uns ins Bett, damit wir uns ausruhen konnten. Ich hatte protestiert, doch er war stur geblieben.
Der Schlaf kam jedoch nicht, dafür taten es die Albträume. Die ganze verfluchte Nacht lang.
Jedes Mal, sobald ich die Augen schloss, sah ich das Blutbad an meinen Brüdern und dann die Frau aus der Bar, die in meinen Armen starb. Ihr Gesicht erfüllte meine Gedanken, während ich in meinem Zimmer auf und ab lief und an die kurze Begegnung mit ihr zurückdachte. Wie sich ihr Körper an meinen gepresst hatte. Die Art und Weise, wie ihre haselnussbraunen Augen mich angestrahlt hatten, obwohl sie von Alkohol ein wenig glasig gewesen waren. Wie ihr der Atem gestockt hatte, als ich ihr zugeflüstert hatte, was ich in dieser Nacht mit ihr hatte anstellen wollen.
Sie war so perfekt gewesen, bis zu dem Moment von Red’s Offenbarung. Auf irgendeine Weise war sie mit dem Twisted Tribe verbunden. Jegliche Möglichkeit für ein wenig Spielzeit zwischen uns war damit null und nichtig geworden. Wir befanden uns auf entgegengesetzten Seiten und das war eine Linie, die ich niemals überschreiten wollte.
Brüderlichkeit und Loyalität zu meinem Club bedeuten mir mehr als alles andere auf dieser Welt. Ich lebe, atme und würde wahrscheinlich, ohne zu zögern, für diesen Club sterben. Ich habe diesen Eid geleistet und kein noch so hübscher Hintern würde mich dazu bringen, meine Meinung zu ändern.
Ich gebe den Versuch auf, etwas Schlaf zu bekommen, nachdem ich stundenlang auf und ab gelaufen bin, und trainiere einige Durchgänge mit meinen Hanteln, ehe ich unter die Dusche steige. Der heiße Strahl schafft es nicht, meinen angespannten Körper zu entspannen, aber das habe ich auch nicht erwartet. Diese Art von Wut und Hass lässt sich nicht mit heißem Wasser heilen. Ich schalte die Dusche ab und wickele mir ein Handtuch um die Taille, als jemand plötzlich an meiner Tür klopft.
„Was zum Teufel willst du?“, brülle ich, öffne die Tür und sehe Voodoo dort stehen. Er beäugt mich von oben bis unten und schüttelt dann den Kopf. „Begrüßt du jeden so, der an deine Tür klopft, oder gilt das nur mir?“, fragt er grinsend.
„Nope, das ist nur für dich. Ich versuche dir zu zeigen, wie der Körper eines echten Mannes aussieht, wenn er auf sich achtgibt“, witzle ich.
„Hey, beleidige nicht meinen kleinen Bierbauch. Er könnte sich angegriffen fühlen. Nicht alle von uns haben die Zeit, so zu trainieren, wie du, VP.“ Er streckt seinen Kopf in den Raum und sieht sich um.
„Willst du mir jetzt endlich sagen, warum du an meine Tür gehämmert hast, oder wolltest du mich nur im Handtuch sehen?“ Ich fange an, das Handtuch von meiner Taille zu lösen und er zuckt zurück.
„Hero, du bist nicht mein Typ“, sagt er.
Ich starre ihn an und er lächelt nur, wie ein Vollidiot. „Der Prez will dich unten haben. Ich habe neue Infos, dass der Twisted Tribe derjenigen ist, der den Salon in Brand gesteckt hat. Die Versammlung beginnt in fünf Minuten.“
„Wie hast du rausgefunden, dass es sich dabei um den Twisted Tribe handelt? Hast du die Überwachungsvideos der benachbarten Unternehmen gesichtet?“, will ich von ihm wissen.
Voodoo ist unser ITler und er ist verflucht gut darin. Er ist vielleicht nicht der Kräftigste von uns, doch das macht er mit anderem Mist wieder wett, den er beherrscht.
„Oh, das ist das Beste daran. Ich habe dir eine Überraschung mitgebracht.“ Er lacht, dreht sich auf den Absatz um und begibt sich auf den Weg durch den Flur zurück.
Eine Überraschung? Warum habe ich gerade das Gefühl, dass hier gleich die Scheiße hochgehen wird?
Ohne die Tür zu schließen, gehe ich zu meiner Kommode, hole mir eine frische Jeans und eins meiner Club-T-Shirts heraus. Ich ziehe mich schnell an und werfe mir meine Kutte über. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was es mit dieser Überraschung auf sich haben könnte, also schnappe ich mir meine Bikerboots und streife sie mir über, ehe ich mein Zimmer verlasse.
Als ich die Treppe hinuntersteige, sehe ich Ratchet und Voodoo vor der Tür warten. Ratchets dreckiges Grinsen lässt meine Alarmglocken schrillen. Mir wird nicht gefallen, was sich hinter den Türen unseres Versammlungsraumes befindet. Davon bin ich überzeugt. Dieser Mistkerl ist nicht der Typ, der ohne Grund fröhlich lächelt, also bin ich mir sicher, dass es hier gleich rundgehen wird.
Ich schlüpfe an ihnen vorbei durch den Türspalt, und bin schockiert, als ich sehe, wie sich Maj und Raze am Kopfende des Tisches gegenseitig anschreien.
Warum zum Teufel ist sie in dem Raum? Frauen sind von unseren offiziellen Clubgeschäften ausgeschlossen. Ist dieser Club in nur einer Nacht zur Hölle gefahren?
„Du bescheuerte Schlampe“, brüllt Raze. „Was hast du dir dabei gedacht, jemanden hierherzubringen? Ich führe diesen verdammten Club, nicht du!“
„Dieser kolossale Bockmist, den ich, deiner Meinung nach, gebaut habe, hat uns den einzigen stichhaltigen Beweis gegen diese mörderischen Bastarde geliefert. Ich dachte, du würdest dich freuen, nachdem ich dir diese Information präsentiere wie auf einem Silbertablett“, schießt Maj zurück. „Entschuldige, dass ich an den Club gedacht und mich mal nicht um deinen Schwanz gekümmert habe.“
„Du hast einen Feind in unser Haus gebracht. Du hättest mich wenigstens anrufen können, und wir hätten sie zu einem unserer Verhörhäuser gebracht, statt sie in unser Zuhause einzuladen und sie ihnen nun darüber Bericht erstatten kann.“
Oh Scheiße!
Da ich weiß, dass das hier bald einen Punkt erreichen wird, an dem es kein Zurück mehr gibt, schmeiße ich mich mitten ins Getümmel und dränge mich zwischen die beiden. Voodoo packt Maj und reißt sie zurück, während ich bemüht bin, Raze aufzuhalten. Wie haben die zwei es geschafft, so lange verheiratet zu bleiben?
„Du bist ein verfluchter Bastard. Ich versuche, dir zu helfen, aber du bist zu verbohrt, um das zu erkennen. Weißt du, manchmal würde ich gerne die Dinge aus deinem Blickwinkel sehen, allerdings bekomme ich meinen Schädel nicht so tief in den Arsch gesteckt“, schreit sie, als Voodoo sie zum Eingang zerrt, nach draußen stößt und ihr die Tür vor der Nase zuschlägt. Sie hämmert dagegen und brüllt Raze weitere Beleidigungen zu, ehe sie weggeht.
Ich wende meine Aufmerksamkeit nun Raze zu und bemerke, dass er immer noch vor Wut kocht. „Möchtest du den Rest von uns über das aufklären, was hier gerade vorgefallen ist? Was hat deine Old Lady jetzt schon wieder angestellt?“
Raze schiebt mich zur Seite und rammt seine Faust in die Wand hinter uns. „Das Miststück hat jemanden, der mit dem Twisted Tribe in Verbindung steht, hierhergebracht und ihr im Austausch für Informationen einen verfluchten Zufluchtsort unter unserem Dach angeboten.“
Der Schock fährt mir durch den Körper. „Du verarschst mich jetzt, oder? Sie hat einen Verräter in unser verdammtes Clubhaus gebracht? Was zur Hölle hat sie sich dabei gedacht?“
„Das ist das Problem, Hero. Sie hat nicht gedacht. Sie war davon überzeugt, uns damit ein Geschenk zu machen, stattdessen verursacht sie nur noch größere Probleme. Sie hat nicht einmal einen Schimmer davon, was die Schlampe für diese Arschlöcher ist und trotzdem hat sie sie hierhergeholt. Was, wenn sie eine ihrer Old Ladys oder eine ihrer Huren ist? Das würde Krieg bedeuten und wir sind noch nicht bereit dazu, zurückzuschlagen. Maj würde damit unseren Todeszeitpunkt eigenhändig festlegen, wenn ihnen dieses Schätzchen wichtig genug ist.“
Ich schüttele angewidert und frustriert den Kopf und weiß nicht einmal, was ich zu Majs Täuschung überhaupt sagen soll. Die meiste Zeit hat sie ihr Herz am rechten Fleck, doch selbst ein absoluter Vollidiot würde niemals einen Feind einfach herbringen, ohne vorher mit Raze gesprochen zu haben.
„Was willst du jetzt tun, Raze?“, fragt Ratchet. „Soll ich mich um die Schlampe kümmern?“
„Meine Frau hat sie unter ihren Schutz gestellt. Das heißt, wir haben sie nun erst einmal an der Backe. Das Einzige, was wir tun können, ist, sie unter Verschluss zu halten und sie rund um die Uhr zu überwachen. Lass Hot Spot alles aus ihrem Zimmer entfernen, was sie möglicherweise zur Kommunikation benutzen könnte. Alle Anfragen, die sie stellt, laufen über mich und sonst niemanden. Ich möchte, dass dieses Miststück jederzeit unter Beobachtung steht. Sie wird nicht einmal scheißen gehen, ohne dass einer von uns dabei zusehen wird“, befiehlt Raze.
„Hero, du könntest vielleicht einige der Mädels dazu bringen, dass sie sich mit ihr anfreunden, um zu sehen, ob sie dann vielleicht redet“, schlägt Voodoo vor.
„Ich spreche mit Ruby. Sie wird mitziehen.“
„Eine Sache noch. Passt auf, was ihr in ihrer Gegenwart sagt. Gespräche über Clubangelegenheiten verstummen sofort, sobald sie den Raum betritt. Verstanden?“
„Ja, Prez“, erwidert die gesamte Gruppe. Raze klopft mir mit der Hand auf den Rücken und verlässt gemeinsam mit mir den Besprechungsraum. Wir laufen den Flur entlang zu den Wohnräumen und Gästezimmern.
Ich folge ihm, halte ihn jedoch auf, bevor er die Tür öffnet, vor der wir stehen geblieben sind. „Raze, bist du dir dabei sicher, sie hier behalten zu wollen? Sie stellt eine Gefahr dar, wenn der Twisted Tribe herausfindet, dass sie hier ist“, gebe ich zu bedenken.
Eigentlich habe ich nicht vor, die Box der Pandora, die Maj damit mit nach Hause gebracht hat, noch einmal zu öffnen. Nicht jetzt, wo er einigermaßen ruhig wirkt, doch ich muss das fragen. „Ist das ein kluger Schachzug für unseren Club, während die anderen Charter gerade ihre Menstruationsbeschwerden wegen der Kutten-Situation noch ausleben?“
„Wir können nichts machen, bis sie redet. Verdammt, natürlich ist sie ein Problem, aber solange sie es nicht genug verkackt und wir damit rechtfertigen können, sie zu töten, bleibt Majs Schutz bestehen.“
„Wenn du das so handhaben willst, stehe ich hinter deiner Entscheidung, aber wie du bereits gesagt hast, müssen wir in ihrer Nähe vorsichtig sein, bis wir es sicher wissen.“
Raze greift nach der Klinke und öffnet die Tür. Die auf dem Bett liegende Frau wirkt komatös, als wir den Raum betreten. Sie ist vollständig unter einer Decke verborgen und rührt sich nicht einmal, als wir näherkommen.
Herr Gott, was haben sie ihr verabreicht? Betäubungsmittel in Elefantendosis?
Ich greife nach der Decke, reiße sie von ihr runter und erstarre.
Das kann sie nicht sein.
Der verdammte Verräter ist die schwarzhaarige Schönheit aus der Bar von neulich.


Dani

Das Gefühl, beobachtet zu werden, weckt mich, doch es ist niemand sonst im Raum.
Plötzlich erinnere ich mich an die Ereignisse, die geschehen waren, bevor ich das Bewusstsein verloren habe.
Dieses rothaarige Miststück hat mich unter Drogen gesetzt.
Ich muss hier raus, ehe sie mit der nächsten Dosis zurückkehrt. Als ich mich auf die Bettkante setze, spüre ich, wie sich dabei meine Bauchmuskeln verkrampfen.
Was zum Teufel?
Ich schiebe die Decke weg, die fest um mich gewickelt war, und stelle fest, dass mein Oberkörper mit einem Stützverband versehen worden ist.
Wann zur Hölle ist das passiert?
Ich gleite aus dem Bett, stehe auf wackligen Beinen und stolpere in Richtung Badezimmer, wo ich das Licht einschalte. Ich gehe hinein und schließe die Tür hinter mir. Mein Spiegelbild starrt mich an und mein eigener Anblick presst mir regelrecht die Luft aus den Lungen. Dass ich mich beschissen fühle, steht außer Frage, aber der Spiegel zeigt mir deutlich das Ausmaß davon. Schmutzig und kaputt, so kann man das recht gut beschreiben. Mein Haar ist zu einem wilden Durcheinander verfilzt und auf meiner Stirn ist eine Wunde mit einigen Stichen genäht worden.
Ich blicke noch ein paar Minuten länger in den Spiegel, bis ich höre, dass die Zimmertür geöffnet wird und schwere Schritte folgen. Das Geräusch der näherkommenden Person bringt mich dazu, mich in eine Ecke des Bades zu drängen, weg davon. Ich weiß nicht, wer da auf mich zukommt, aber zumindest ist mein Rücken geschützt. Die schweren Schritte stoppen direkt vor der Tür, bevor sie eingetreten wird. Ich schreie auf, als das Holz gegen die gefliesten Wände kracht.
Vor mir steht ein großer Kerl mit Kurzhaarschnitt. Seine massiven Oberarme wölben sich aus seinem schwarzen T-Shirt und passen zu den muskulösen Beinen, die in dunkelverwaschenen Jeans stecken. Unter den Ärmeln seines Shirts lugen Tribal-Tattoos auf beiden Armen hervor. Ein kurzer grauer Bart bedeckt sein Gesicht und bildet einen starken Kontrast zu seinen tiefblauen Augen. Er steht da mit absoluter Autorität und sein Blick verlangt Respekt. Er ist der Typ Mann, bei dem man die Straßenseite wechselt, nur um ihm aus dem Weg zu gehen.
„Nun, wie ich sehe, ist Dornröschen endlich wach“, sagt er, während ich mich noch tiefer in die Ecke kauere. Er lacht, als er mir zusieht, wie ich mich abmühe, vor ihm zurückzuweichen. „Hast du deine Zunge verschluckt, Schätzchen? Du siehst aus, als hätte ich gerade vor deinen Augen deinen Hundewelpen getreten.“
Seine tiefe Stimme schockiert mich ebenso wie dieses Lächeln auf seinem Gesicht. Er streckt mir die Hand entgegen, doch ich weigere mich, sie anzunehmen. „Warum kommst du nicht da raus? Diese Position muss tödlich für deine Rippen sein.“
Ich mustere ihn mit kalkulierendem Blick und schätze die Bedrohung ein. Er ist mindestens doppelt so schwer wie ich und etwa fünfzehn Zentimeter größer. Die Chancen, an ihm vorbeizukommen, stehen ungefähr bei eins zu einer Million, selbst wenn ich gesund wäre. Er will nach mir greifen und ich schlage seine Hand weg.
„Ich werde dir nicht wehtun. Maj würde mir die Eier abschneiden.“
Als ich den Namen der Frau höre, entspanne ich mich ein wenig. Der Typ, der mich hierhergebracht hatte, hatte gemeint, ich stünde unter ihrem Schutz. Er hatte es der Allgemeinheit verkündet, also musste das etwas bedeuten. Vielleicht ist er derjenige, der diesen Mann hier geschickt hat.
„Maj?“, flüstere ich. „Kann ich mit ihr reden?“
„Nope, das geht nicht. Aber da sie meine Frau ist, kannst du ebenso gut mit mir über alles sprechen, was du brauchst.“
„Nein, ich will nur mit ihr reden“, erwidere ich und rühre mich keinen Zentimeter.
„Du wirst mit ihr reden, wenn ich es sage. Komm jetzt aus der Ecke raus, oder muss ich dich da rausholen?“ Er schiebt seine Hand in meine persönliche Distanzzone, aber ich schlage sie erneut weg, als ich aus meiner sicheren Ecke schlüpfe. Er versucht, mich abermals zu packen, doch ich weiche ihm im letzten Moment aus.
„Ich will mit Maj sprechen“, beharre ich. „Sie ist diejenige, die mich hergebracht hat und ich will wissen, warum ich unter Drogen gesetzt wurde?“
„Du wurdest unter Drogen gesetzt, weil ich es so angeordnet habe. Wenn du jemandem die Schuld dafür geben willst, dass du drei Tage ungestörten Schönheitsschlaf bekommen hast und man dich medizinisch versorgt hat, dann gib sie mir. Übrigens, wie fühlen sich die Rippen an?“, fragt er und beäugt meine Mitte.
Drei Tage? Ich war drei ganze Tage außer Gefecht? Was zum Teufel haben sie mir gegeben?
„Die sind okay“, erwidere ich mit abgehackten Worten. „Bekomme ich meine nächste Elefantendosis Narkosemittel, nachdem wir unser kleines Gespräch hier beendet haben, oder kommt das rothaarige Miststück später damit vorbei? Ich möchte wenigstens an einem bequemen Ort liegen, falls meine Entscheidung zu bleiben widerrufen wird.“
„Ich kann es kaum erwarten, Ruby von deinem kleinen Spitznamen für sie zu erzählen. Das wird sie richtig in Stimmung bringen“, lacht er.
Wenn er auch nur eine Sekunde glaubt, ich lasse mich von dieser Frau wieder unter Drogen setzen, dann liegt er falsch. Dafür müssten sie mir den Mund aufstemmen, mir die Pillen in den Mund schieben und mich zum Schlucken zwingen, ehe ich mich noch mal so einfach außer Gefecht bringen lasse.
Er starrt mich an, während ich mich nicht rühre. „Ich verstehe es. Du bist an einem fremden Ort unter fremden Menschen, wurdest unter Drogen gesetzt und bist bereit, den Kampf aufzunehmen. Unter anderen Umständen würde ich deinen Kampfgeist wirklich bewundern, aber du befindest dich in meinem Clubhaus unter dem Schutz meiner Frau. Wie wäre es damit? Du gehst duschen, ziehst dich an und danach unterhalten wir uns ein bisschen. Vielleicht bei einem kleinen Mittagessen?“
„Damit du mir erneut Drogen verabreichen kannst? Danke, aber ich verzichte.“
„Das war keine Bitte. Und bevor du auf irgendwelche Ideen kommst, es steht ein Wachmann vor der Tür. Weglaufen gibt’s also nicht.“
Ich schweige und denke über seine Forderung nach. Obwohl sein Auftritt etwas übertrieben erscheint, wirkt er doch recht vernünftig. Dass Maj seine Frau ist, spielt mir ebenfalls in die Karten. „Also gut“, gebe ich mich geschlagen.
„Du hast zehn Minuten Zeit, bevor Slider dich abholt. Ich empfehle dir, darauf zu achten, pünktlich zu sein. Ich werde die Tür später ersetzen lassen.“
Der grübelnde, graubärtige Kerl stolziert aus dem Zimmer und bellt die gleichen Befehle dem Mann zu, der vor dem Raum steht.
„Nur noch neun Minuten, Mädchen“, brüllt er. „Ich höre die Dusche noch immer nicht laufen.“
Er lacht draußen im Flur, als ich zurück ins Bad eile und über die Reste meiner Tür steige. Ich stelle mich unter den heißen Strahl und spüle den tagelangen Schweiß und Schmutz von mir, der vom komatösen Schlaf herrührt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich so lange außer Gefecht gesetzt war. Es gibt kein Medikament auf dieser Welt, das mich derartig umhauen kann und das mit nur zwei Tabletten. Unmöglich. Entweder haben sie mir die Dosis zwischenzeitlich noch einmal verabreicht oder mir etwas Härteres gespritzt. Normalerweise schlafe ich nicht sonderlich gut, daher ist es ausgeschlossen, dass ich mehrere Tage durchschlafe, selbst wenn man mich unter Drogen setzt.
Meine Haare müssten eigentlich mit einem grobzinkigen Kamm extra bearbeitet werden, doch dafür bleibt mir keine Zeit. Ich steige aus der Dusche, trockne mich ab und binde meine wirren Locken zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Darum werde ich mich später kümmern. Auf meinem Bett finde ich einen kleinen Stapel Klamotten und einen frischen Stützverband. Jemand muss die Sachen hergebracht haben, während ich unter der Dusche gestanden habe.
Ich wickele den Verband behutsam um meine verwundeten Rippen, greife nach dem T-Shirt und zucke zusammen, als ich mich ein wenig zu weit vorgebeugt habe.
„Shit“, zische ich.
Als ich mir das Shirt überziehen will, bleibe ich mit dem Kopf stecken. Ich zerre energisch an dem widerspenstigen Stoff, als ein paar raue Männerhände den Saum packen und ihn über mein Haar ziehen. Seine Berührung erschreckt mich. Der Schock muss sich auf meiner Mimik widerspiegeln, dann der großwüchsige Kerl weicht mit erhobenen Händen zur Kapitulation zurück.
„Sorry, sah so aus, als würdest du Hilfe brauchen. Der Prez wird sauer sein, wenn ich dich nicht pünktlich unten abliefere. Lass uns gehen“, sagt er, packt meinen Oberarm und steuert mit mir auf die Tür zu. Er schleppt mich mit Leichtigkeit in den Flur hinaus. Wir wenden uns nach links und drängen in eiligem Tempo voran.
„Ich bin übrigens Slider“, erklärt er, während wir gemeinsam die Treppe hinabsteigen.
„Dani“, erwidere ich. „Ist das dein richtiger Name?“
Er ignoriert mich vollkommen.
Schweigend lassen wir den Flur hinter uns und durchqueren den großen, überfüllten Hauptraum, durch den ich vor einigen Tagen gezerrt worden war. Schließlich betreten wir einen Nebenraum, wo er mich auf einen Holzstuhl setzt, dann hinausgeht und die Tür schließt.
Allein gelassen zu werden ist ziemlich beängstigend, besonders in einer Bikerhölle wie dieser.
Ich trommele mit den Fingerspitzen auf der Armlehne des Stuhles herum, und einen Augenblick später schwingt die Tür wieder auf und König Graubart erscheint. Es ist allerdings der Mann, der hinter ihm hereinschlendert, der mir den Atem raubt. Ich kann sein Gesicht noch nicht erkennen, aber mein Körper reagiert sofort auf seine Anwesenheit.
Das kann er nicht sein. Das ist nicht möglich. Er ist keines dieser Arschlöcher.
Ich starre weiterhin auf sein noch verborgenes Gesicht, während die Temperatur in dem Raum den Siedepunkt zu erreichen scheint. Schockbedingt beginne ich zu schwitzen. Mein Körper fängt an zu zittern, was mich bis in die Knochen erschüttert. Ob es Panik ist oder Vorfreude, ich weiß es nicht. Ein vertrauter Duft umströmt mich, als der Mann die Tür hinter sich schließt. Sein Antlitz bleibt weiterhin verborgen, bis er sich umdreht.
Fuck. Es ist der Typ aus dem Red’s!
Er ist größer, als ich es in Erinnerung habe, allerdings war ich an diesem Abend nicht gerade nüchtern. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass er wahrscheinlich etwa ein Meter neunzig groß ist. Sein gesamter Körper besteht aus Muskeln und die Tätowierungen, die sich an seinen Armen entlang schlängeln, sind nur ein weiterer Bonus.
In Gedanken flehe ich ihn an, mir ins Gesicht zu schauen und als sein Blick endlich auf meinen trifft, bewegt sich keiner von uns. Die Spannung im Raum steigt, als meine alkoholvernebelte Erinnerung in Wellen zu mir zurückkehrt. Sein Körper, der sich mit meinem gewiegt hatte, verführt mich im Geiste erneut. Der Flashback an seine Berührung erregt mich abermals. Jemand da draußen im Universum besitzt einen verdammt scheußlichen Sinn für Humor, weil er ihn mir in den Weg stellt. Auch wenn er kein Wort von sich gibt, möchte ich ihn am liebsten vögeln und ihm ebenso gerne in die Eier treten, am besten beides gleichzeitig.
König Graubart beobachtet uns und versucht wohl zu entschlüsseln, was zwischen uns vor sich geht.
„Du bist der Typ aus der Bar“, sage ich und hoffe immer noch, dass ich falschliege.
Er bleibt still.
„Das bist du doch, nicht wahr?“, hake ich ein weiteres Mal nach in der Hoffnung, ihm eine Antwort zu entlocken.
„Sag du es mir.“
„In Ordnung“, wirft Graubart ein. „Fangen wir mit den einfachen Dingen an. Wer bist du und wo zum Teufel kommst du her?“
„Du kannst eher damit anfangen, mir zu sagen, wer zur Hölle du bist und wo ich mich befinde“, erwidere ich und verpasse mir im Geiste selbst eine Ohrfeige, weil ich mich gleich zu Beginn so unhöflich verhalte.
„Ich bin der Präsident des Heaven’s Rejects Motorrad Clubs und du kannst mich Raze nennen. Die Frau, die dich in diese unangenehme Position gebracht hat, ist meine Frau Maj. Der Mann zu meiner Linken ist Hero. Und jetzt bist du an der Reihe, mir deinen Namen zu nennen.“
„Mein Name ist Dani.“
„Nun, Dani, ich werde schon etwas mehr brauchen. Wie wäre es mit einer zweiten Frage? Wo kommst du her?“
„Ich komme aus dem mittleren Westen“, antworte ich und nenne nur wenige Details. Ich muss weder ihm noch Hero gegenüber weitere Informationen über mich preisgeben. Ich habe keine Ahnung, ob über mich eine Fahndungsmeldung herausgegeben wurde und ich werde den Teufel tun und mir einen roten Pfeil über den Kopf malen nach dem Motto: „Hier bin ich“, wenn eins dieser Arschlöcher meinen Namen durch die Suchmaschinen jagen sollte.
„Mittlerer Westen also, aha. Und was führt dich hierher?“
Shit, was soll ich darauf erwidern? Denk nach, Dani. Denk!
„Ich warte, Dani. Antworte mir“, verlangt er.
„Ich habe einen Tapetenwechsel gebraucht und dachte, das sonnige Kalifornien wäre ein guter Ort dafür“, erkläre ich.
Beschränke dich auf minimale Details. Du möchtest nicht ausführlich lügen, falls du dich später nicht mehr daran erinnern kannst, was du erzählt hast. Du schaffst das, Dani. Halte es einfach und vielleicht überlebst du das hier ja.
„Wie alt bist du?“
„Was für eine Rolle spielt mein Alter. Ich bin volljährig, oder mag es dein Verein etwas weniger legal?“
Raze lehnt sich gegen den Tisch und starrt mich an. „Lass mich mal eins klarstellen. Ich weiß nicht, was für eine beschissene Vorstellung du von einem MC hast oder darüber, wie wir Frauen behandeln, aber wenn du mich oder eins der Mitglieder dieses Clubs noch einmal als kranken Idioten oder Kinderficker bezeichnest, jage ich dir eine Kugel zwischen die Augen, hast du das verstanden, Dani? Mein Club und meine Männer werden mit Respekt behandelt.“
„Ja, Raze“, flüstere ich, während seine Drohung in der Luft hängt und ich meine Haltung bereue. „Ich bin fünfundzwanzig.“
„Wie bist du in diesem verlassenen Haus neben dem Salon gelandet?“, will Raze als Nächstes von mir wissen.
Hero verändert seine Position an der Wand und geht vor mir in die Hocke. „Ich würde mir an deiner Stelle die Antwort darauf sehr gut überlegen, Dani. Du willst uns nicht belügen. Die Konsequenzen würden dir nicht gefallen.“
„Halt dich zurück, Hero“, verlangt der Mann und versetzt Hero damit wieder zurück in sein wütendes Schweigen.
Ich sehe Hero direkt an, während ich antworte. Ich werde nicht zurückweichen oder zeigen, dass ich mich von ihm eingeschüchtert fühle.
„Eine Gruppe spanischsprechender Männer hat mich als Ersatz für meine Mitbewohnerin aus dem Bett entführt. Sie haben mich in einen Kofferraum gesperrt, allerdings erst, nachdem sie so lange auf mich eingeprügelt haben, bis ich ohnmächtig geworden bin. Ich bin ihnen entkommen und habe mich in dem verlassenen Haus versteckt. Ich wollte dort ausharren, bis ich zurück in meine Wohnung kann, um meine Sachen zu holen. Dann bin ich auf einen Mann gestoßen, der den Salon neben dem Haus in Brand gesteckt hat.“
„Du kaufst ihr diesen Bullshit doch nicht ab, oder, Raze?“, fragt Hero und schaut zu ihm auf. „Für mich klingt das alles viel zu einfach. Wie ein verdammtes Märchen.“
„Sag mir“, fordert er und ignoriert den Mann neben ihm. „Hast du den Mann gesehen, der das Feuer im Salon gelegt hat? Ist dir irgendetwas an ihm aufgefallen?“
„Wie ich dem Mann, der bei deiner Frau dabei war, schon erzählt habe, hat er eine Lederjacke mit einem weißen Totenkopf und einer orange-grünen Aufschrift auf dem Rücken getragen. Der Rauch war zu dicht, um die Worte zu erkennen, aber es war dieselbe Jacke, die die Kerle angehabt haben, die mich entführt haben.“
Die Erwähnung der Farben sorgt dafür, dass er sich anspannt, genau wie es bei Voodoo der Fall gewesen war.
„Bist du dir absolut sicher, was das Emblem auf seiner Jacke betrifft? Wenn ich es dir noch einmal zeige, würdest du es wiedererkennen?“
Ich nicke. Daraufhin zieht er sein Handy aus seiner Gesäßtasche und wischt mit dem Finger über das Display. Dann hält er mir das Mobiltelefon vor die Nase. „Ist es das?“ Er wartete, bis sich meine Augen an den hellen Bildschirm gewöhnt haben.
„Ja“, erwidere ich. Es scheint mit meiner Antwort zufrieden zu sein und steckt das Handy wieder in die Tasche. „Ich habe alle deine Fragen beantwortet. Ich möchte jetzt gehen. Du hast bekommen, was du wolltest.“
„Du wirst hierbleiben, bis wir deine Geschichte geprüft haben.“
„Ich möchte das aber nicht. Du kannst mich nicht einfach hierbehalten.“
„Da liegst du falsch, Dani. Ich kann und ich werde es tun, bis ich verdammt noch mal bereit bin, dich freizulassen. Du bist ein unerwünschter Gast, bis ich etwas anderes sage. Und es gibt ein paar Grundregeln, die du befolgen wirst. Du wirst nirgendwo allein hingehen, weder in diesem Clubhaus noch außerhalb. Slider, den du kennengelernt hast, wird dein persönlicher Schatten sein. Von dem Moment, sobald du dein Zimmer verlässt, bis zu dem Zeitpunkt, indem du zurückkehrst. Wenn ein Mann mit einer Kutte wie meine, dir sagt, dass du etwas tun sollst …“ Er zeigt auf die Lederweste an seinem Oberkörper. „Dann tust du es. Du darfst dich im Hauptraum und in der Küche aufhalten, wenn du dein Zimmer verlässt. Hast du mich verstanden?“
„Ja, ich verstehe. Ich bin hier eine Gefangene, bist du dich entschieden hast, ob ich bereit bin, gefickt oder getötet zu werden.“
„Wie ich sehe, kapierst du die Spielregeln immer noch nicht“, schnaubt er und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Partner. „Hero, sag Slider, er soll ihr einen Teller mit Essen besorgen und sie dann wieder in ihrem Zimmer einsperren. Vielleicht hilft ihr ein wenig Isolation auf die Sprünge.“
Raze verlässt schnell den Raum durch die Tür und ich erhebe mich ebenfalls, um zu gehen. Kaum habe ich die Schwelle erreicht, legt sich Heros Hand um meinen Oberarm und zieht mich zurück in das Zimmer. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.
„Erzähl mir, was du über den Twisted Tribe weißt“, befiehlt er mir. Ich schaue zur Tür und bete, dass Raze oder Maj noch in der Nähe sind. Er packt meine Arme härter.
„Twisted wer?“, stottere ich. „Ich weiß nicht, wer das sein soll.“
„Bullshit. Deine Mitbewohnerin ist eines von ihren Mädchen. Sie haben dich entführt, oder besser gesagt, das behauptest du. Mir scheint, du kennst sie also recht gut.“
„Ich weiß nur, dass ich entführt, angegriffen und dann erneut entführt worden bin. Ich bin müde, verletzt und habe einen höllischen Hunger. Wenn du auch nur eine Sekunde glaubst, ich würde Informationen über diese Bastarde zurückhalten, dann bist du schief gewickelt. Und jetzt …“, sage ich und reiße mich von ihm los. „Lass mich gefälligst vorbei.“
Er tritt vor mich und blockiert erneut meinen Fluchtweg.
„Denk nicht, dass dieser eine Abend irgendetwas bedeutet. Ich bin kein guter Kerl. Wenn mein Präsident sagt, ich soll dir den Garaus machen, werde ich es tun. Ungeachtet dessen, was du glaubst, über mich zu wissen. Es war nur ein Tanz. Keine Hochzeitszeremonie.“
Mir fehlen die Worte, um auf seine Drohung zu reagieren. Ich habe keine Ahnung, wer dieser andere Club ist oder ob Ricca irgendwie mit denen involviert ist. Ich bin genauso sauer wegen der Entführung, wie sie über das, was dieser Club ihnen scheinbar angetan hat. Ich bin sicherlich alles andere als unschuldig, doch mit diesen Anschuldigungen oder diesem anderen Club habe ich nichts zu tun. Ich muss einfach abwarten und mich so verhalten, wie sie es von mir verlangen, bis es mir erlaubt wird, mich frei zu bewegen.
Warum werde ich das Gefühl nicht los, bereits am Arsch zu sein?

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