Kings of Retribution MC: Kiwi

Übersetzer: Paula Baker

Erscheint: 01/2025
Serie: Kings of Retribution MC
Teil der Serie: 15

Genre: Contemporary Romance, Motorcycle Club Romance

Location: USA, Louisiana, New Orleans


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-746-8
ebook: 978-3-86495-747-5

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Kings of Retribution MC: Kiwi

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Inhaltsangabe

Er hat viele Namen – aber im Kings of Retribution MC nennen sie ihn Kiwi, ihren kompromisslosen Road Captain und unerschütterlichen Clubbruder. Als junger Mann verließ Kiwi Neuseeland, um in Las Vegas nach seinem leiblichen Vater zu suchen – und fand sich mitten im Sumpf der Unterwelt von Sin City wieder. Der Moment, als er einem Fremden namens Riggs vertraute, änderte alles und führte ihn direkt in die Arme des MC, aus dem er nie wieder entkommen wollte.

Doch dann kehrt Piper LeBlanc nach Hause zurück. Die Tochter des Club-Enforcers ist längst nicht mehr das Mädchen von früher – sie ist eine selbstbewusste, atemberaubend heiße Frau, die eine gefährliche Anziehungskraft auf Kiwi ausübt. Kiwi weiß, dass sie verboten ist. Sie ist zu jung, die Tochter seines Clubbruders und somit vollkommen tabu. Aber die hitzige Leidenschaft zwischen ihnen ist unvermeidlich – und Kiwi wird alles riskieren, um sie zu erobern.

Piper kennt das raue, gefährliche Leben der Biker nur zu gut. Aufgewachsen mit einem alleinerziehenden Vater, hatte sie nie etwas anderes gewollt – bis ihre Mutter, die als Old Lady eines anderen MC-Präsidenten zurückkehrt, wieder in ihr Leben tritt. Piper ist hin- und hergerissen zwischen dem Hass auf die Frau, die sie vor vielen Jahren verlassen hat, und der Sehnsucht nach der Mutter, die sie nie hatte.

Als Piper nach einem Jahr College nach Hause zurückkehrt, ist sie nicht nur äußerlich verändert – auch Kiwi sieht sie plötzlich mit völlig anderen Augen. Der Blick, den er ihr zuwirft, lässt ihr Herz heftig schlagen. Sie sollte sich fernhalten, doch die Anziehungskraft zwischen ihnen wird immer stärker, bis sie nicht mehr zu leugnen ist.

Was als verbotene Leidenschaft beginnt, wird schnell zu einem gefährlichen Spiel ums Überleben. Als Piper plötzlich spurlos verschwindet, ist der Kings of Retribution MC entschlossen, Vergeltung zu üben. In einem Wettlauf gegen die Zeit kämpft Kiwi nicht nur um Rache, sondern auch darum, Piper lebendig und heil zurückzubringen – koste es, was es wolle.

Über die Autorin

Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie.
Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Bücher und das Geschichtenerzählen führte sie auf eine aufregende Reise,...

Crystal Daniels und Sandy Alvarez sind ein Schwestern-Duo und die USA Today-Bestsellerautorinnen der beliebten "Kings of Retribution MC"-Serie.
Seit 2017 hat das Duo zahlreiche Romane veröffentlicht. Ihre gemeinsame Leidenschaft für Bücher und das Geschichtenerzählen führte sie auf eine aufregende Reise,...

Weitere Teile der Kings of Retribution MC Serie

Leseprobe

Piper

Als ich am nächsten Morgen die Küche betrete, steht Promise am Küchentresen und bereitet Eier zu. Mein Dad sitzt neben Jaxson, der in seinem Hochsitz thront. „Guten Morgen, Dad.“ Ich küsse ihn auf den Kopf.
„Morgen, Bean“, sagt er, bevor er an seinem Kaffee nippt.
„Du siehst miserabel aus. Ich bin überrascht, dass du schon wach bist, da ich dich erst nach Sonnenaufgang heimkommen gehört habe. Weißt du, Dad, du wirst alt. Du solltest nicht bis in die Morgenstunden mit den Jungs Party machen.“ Ich kichere, und er funkelt mich über den Rand seiner Tasse weg an.
„Ich bin nicht...

...alt.“ Er reibt sich mit der Hand übers Gesicht. „Und nur so nebenbei: Ich hab nicht mit meinen Jungs einen draufgemacht, sondern mich ums Geschäft gekümmert.“
Als mein Dad das Geschäftliche erwähnt, weiß ich, dass das Thema abgehakt ist. Ich gehe durch die Küche und schnappe mir selbst eine Tasse Kaffee.
„Also, Piper, hast du irgendwelche Pläne für heute?“, fragt Promise. „Ich dachte mir, wir könnten Zeit miteinander verbringen, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Ich wollte mit Jaxson ein Picknick im Park machen.“
Während ich mich an den Tisch setze, lehne ich mich vor und kitzle den Bauch meines Bruders, was ihn quieken lässt. „Ich würde liebend gerne Zeit mit euch verbringen. Was ist mit dir, Dad? Begleitest du uns in den Park?“
Er schüttelt den Kopf. „Ich treffe mich heute mit Kiwi. Er ist fast fertig mit dem Bike, an dem er in seiner Scheune gerade schraubt, und ich will es mir ansehen. Ein Kumpel von mir möchte es ihm vielleicht abkaufen.“
Bei der Erwähnung von Tai flattern die Schmetterlinge in meinem Bauch. Es war hart, gestern in seiner Nähe zu sein. All die Gefühle, die ich ein Jahr lang versucht habe zu begraben, strömten sofort wieder auf mich ein.
„Aber keine Sorge.“ Dad steht auf und stellt seine Tasse ins Waschbecken. „Ich werde in ein paar Stunden zurück sein und möchte Zeit mit meinem Babygirl verbringen, um alle Neuigkeiten zu erfahren. Ich will alles über das Collegeleben wissen.“ Er küsst mich auf den Kopf und macht das Gleiche bei Jaxson. Dann geht er rüber zu Promise, zieht sie in eine Umarmung und flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie errötet. Ich liebe es, die beiden zusammen zu sehen. Ich liebe es, meinen Dad so glücklich zu sehen.

Ungefähr eine Stunde später sitzen Promise und ich auf einer Decke unter einer großen Eiche im Park und beobachten Jaxson, wie er einem Ball hinterherkrabbelt. „Ich habe das Gefühl, so viel verpasst zu haben im vergangenen Jahr. Jaxson ist so groß geworden. Ich hasse es, dass ich ein paar seiner ersten Meilensteine verpasst habe.“ Ich seufze. Nach seiner Geburt war ich kurz zu Hause und auch einige Male seither. Aber das ist nicht dasselbe. „Gäbe es kein FaceTime, wüsste mein Bruder nicht einmal, wer ich bin.“ Ich zupfe an den Grashalmen vor mir herum. Promise sagt nichts, sie nickt nur und brummt. „Ich denke darüber nach, wieder nach Hause zu ziehen.“
„Ist es das, was du willst? Geht es dabei nur um deinen Bruder, oder gibt es da noch etwas anderes?“
Ich richte meinen Blick auf sie und sage verärgert: „Seit wann geht es nicht um mehr?“ Promise und ich stehen uns nahe, seit sie in das Leben meines Dads gekommen ist. Wir haben über viele Dinge gesprochen, und sie hat möglicherweise ein ziemlich gutes Bauchgefühl und erahnt die Gründe, warum ich New Orleans verlassen wollte. Sie hat mich nur einfach nie darauf angesprochen.
„Darf ich ehrlich zu dir sein, Piper?“
„Ich möchte, dass du immer ehrlich zu mir bist, Promise.“
„Ich verstehe, dass man manchmal allem entfliehen will, dass man manchmal wegmuss, um den Kopf freizubekommen. Du hast in deinem Leben viel durchgemacht. Teil des Clubs zu sein, ist nicht immer einfach. Und dann auch noch deine Mutter, die nach so vielen Jahren wieder auftaucht. Das hat dich aus der Bahn geworfen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich weiß, was du durchmachst, Liebes, aber all diesen Schmerz zu verdrängen und diese Themen nicht aufzuarbeiten, wird nur dafür sorgen, dass es weiter in dir brodelt. Wenn du dich dazu entscheidest, nach Hause zu kommen, musst du es für dich tun. Tu es, weil es das ist, was du brauchst, und weil du bereit bist, dich deinen Ängsten zu stellen, damit du endlich wieder deinen Weg gehen kannst. Wenn du zu viel Zeit vergehen lässt, wirst du irgendwann mit einer Vergangenheit voller ‚Was-wäre-wenn‘ enden.“ Promise hört auf zu sprechen, und auch ich sage nichts mehr. Wir sitzen nebeneinander, beobachten Jaxson beim Spielen, und ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen.
Die nächsten zwei Stunden verbringe ich damit, jede Sekunde mit meinem Bruder in mich aufzusaugen. Wir sausen gemeinsam die Rutsche hinunter, während ich ihn eng an meine Brust drücke, ich schubse ihn auf der Schaukel an und lausche seinem Lachen. Bald darauf bekommt Jaxson jedoch schlechte Laune. „Zeit für sein Schläfchen. Was hältst du davon, wenn wir zusammenpacken und nach Hause fahren?“, schlägt Promise vor, und ich helfe ihr, die Reste von unserem Mittagessen zusammenzuräumen und die Decke vom Boden aufzuheben.
„Klingt gut. Ich wollte bei der Klinik vorbeischauen und Dr. Channing besuchen.“
Während Promise Jaxson in seinen Autositz bugsiert, öffne ich den Kofferraumdeckel und verstaue unser Zeug. Plötzlich beschleicht mich das komische Gefühl, beobachtet zu werden. Ich blicke über meine Schulter, und am anderen Ende des Parkplatzes sehe ich eine vertraute weiße Limousine. Es ist meine Mutter.
„Ist das …?“
„Ja“, sage ich und unterbreche Promise, als sie in die Richtung schaut, in die mein Blick gerichtet ist. „Sie muss mitbekommen haben, dass ich wieder in der Stadt bin. Auch wenn ich mir nicht erklären kann, wie sie es herausfinden konnte.“
„Möchtest du hinübergehen und mit ihr sprechen oder deinen Dad anrufen?“, fragt Promise.
Ich schüttle den Kopf. „Nein. Sie kommt nie näher. Sie taucht immer einfach nur zufällig auf, wenn ich irgendwo unterwegs bin. Wie damals bei meiner Abschlussfeier und ein paar Mal letzten Sommer oder wenn ich zu Hause zu Besuch war.“
Promise sieht mir in die Augen. „Du weißt davon?“
„Ja.“
„Warum hast du nichts gesagt? Dein Dad und ich haben sie an diesem Tag auch gesehen, wir dachten aber, du hättest es nicht bemerkt.“
Ich zucke mit den Schultern. „Sie meinte zu Dad, dass sie warten möchte, bis ich bereit dazu bin, auf sie zuzukommen. Es mag blöd klingen, aber irgendwie mag ich den Gedanken, dass sie nach mir sieht.“
„Das klingt überhaupt nicht blöd, Piper.“
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder zurück auf meine Mutter und komme nicht umhin, den hoffnungsvollen Ausdruck in ihrem Gesicht zu bemerken. Dieser Blick wirkt jedoch schnell niedergeschlagen, als ich mich umdrehe und gegenüber von Promise ins Auto klettere.
Zum Glück sagt Promise auf der Heimfahrt kein Wort. Mein Kopf ist mit einem absoluten Durcheinander an widersprüchlichen Gefühlen beschäftigt. Ich möchte unbedingt Antworten auf so viele Fragen. Warum hat sie beschlossen, mich zu verlassen? Gleichzeitig möchte ich einfach nur, dass die Dinge wieder so sind, wie sie waren, bevor sie erneut in mein Leben getreten ist. Soviel ich von Dads Erzählungen weiß, haben die Hell’s Punishers und die Kings keinen Konflikt und verhalten sich einander gegenüber respektvoll. Regel Nummer eins von meinem Dad lautet, dass weder meine Mutter noch sonst jemand vom Club mir zu nahe kommen darf.
Heute ist sie das erste Mal allein aufgetaucht. Bei all den bisherigen Gelegenheiten, bei denen sie mich aus der Ferne beobachtet hatte, war sie von Crow begleitet worden. Das erste Mal war auf der Abschlussfeier von der Highschool gewesen, danach noch einige Male während des Sommers, bevor ich nach Texas ging. Manchmal war ich mit Freundinnen gerade beim Mittagessen, als ich das Dröhnen einer Harley hörte. Ich weiß, dass sie gute Absichten hat. Der Club würde ihr oder den Hell's Punishers sonst nicht erlauben, auch nur einen Fuß nach New Orleans zu setzen. Ich würde mein letztes Hemd darauf verwetten, dass mein Dad von jedem einzelnen Mal weiß, das sie in der Stadt gewesen waren. In New Orleans passiert nichts, ohne dass der Club davon weiß.
In Gedanken versunken bekomme ich von der Heimfahrt nichts mit, bis wir irgendwann in die Garage einbiegen.
„Möchtest du immer noch in der Klinik vorbeischauen?“, fragt Promise.
„Ja. Ich vermisse diesen Ort.“ Ich lächle. „Ich werde bis zum Abendessen zurück sein. Dad hat gemeint, er macht heute seine berühmten Zwiebelringe im Bierteig mit gegrillten Steaks. Das lasse ich mir nicht entgehen.“
„Okay, Süße. Bis später.“ Promise hebt den schlafenden Jaxson vom Rücksitz, während ich mir meine Handtasche schnappe, mich auf den Weg zu meinem Auto mache und einsteige. Auf dem Weg zur Klinik komme ich am Outdoor-Shop des Clubs vorbei und entdecke meinen Dad, der vor der Tür steht und mit Fender spricht. Mit einem Lächeln im Gesicht biege ich auf den Parkplatz ab. Mein Dad erwidert das Lächeln, sobald ich aus dem Wagen steige. „Was hast du vor, Bean?“
Ich schlinge meine Arme um seine Taille. „Ich bin auf dem Weg zur Klinik und habe euch hier draußen gesehen. Da wollte ich anhalten und Hallo sagen.“ Mein Blick wandert von Dad zu Fender. „Hi, Fender.“
„Wie gehts, Darling?“
„Gut. Bin froh, zu Hause zu sein.“
Dad drückt mich. „Und wir sind verdammt froh, dich zu Hause zu haben.“
Ich öffne gerade meinen Mund, um zu antworten, als Tai aus dem Vordereingang des Outdoor-Shops schlendert. Ich ziehe scharf die Luft ein, als ich ihn erblicke. Tai ist einen Meter neunzig groß und hat braunes Haar, das ein bisschen länger geworden ist, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Er sieht aus, als hätte er sich seit einer Woche nicht rasiert, und hat die wunderschönsten grünen Augen, die ich bei einem Mann je gesehen habe. Heute trägt er ausgewaschene Jeans, ein graues T-Shirt, das sich an seiner muskulösen Brust spannt, und schwarze Motorradstiefel. Hinter ihm kommt eine Frau in Polizeiuniform aus dem Laden. Ich habe sie noch nie gesehen, sie muss also neu bei der Einheit sein. Sie sieht aus, als wäre sie in den späten Zwanzigern oder frühen Dreißigern. Sie ist groß und trägt ihr braunes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden – und jetzt gerade ist sie dabei, Tai schöne Augen zu machen.
Ein unangenehmes Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus. Ich muss mir auf die Zunge beißen, um mich davon abzuhalten, etwas zu sagen. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist ein Auftritt des grünäugigen Monsters namens Eifersucht. Das Einzige, was dieses wilde Tier in mir zähmt, ist der Umstand, dass Tai die Frau offensichtlich ignoriert. In Wahrheit kann ich spüren, wie sein Blick direkt auf mich gerichtet ist. Ich gebe mein Bestes, niemanden diese Genugtuung spüren zu lassen, indem ich meine Augen auf den Boden gerichtet halte.
„Also sehen wir uns am Dienstag?“ Beim Klang der sinnlichen Stimme der Polizistin schnellt mein Blick nach oben und ich sehe, wie sie für Tai mit den Augen klimpert. Er wendet sich von mir ab und der Frau zu.
„Fender kümmert sich um die Bestellungen“, sagt er in einem neutralen Tonfall.
„Oh, okay, ich dachte nur …“
Tai unterbricht sie. „Dachtest was?“
Die Frau tut mir beinahe leid, als sie plötzlich enttäuscht wirkt und über ihre eigenen Worte stolpert. „Oh, gut, okay. Dann komme ich am Dienstag wieder, um meine Bestellung abzuholen.“
Sobald die Frau weggeht, richtet sich Tais Aufmerksamkeit wieder auf unsere Gruppe, und die hübsche, neue Polizistin ist nur noch eine Erinnerung.
„Verdammt, Bruder.“ Fender klopft Tai auf den Rücken und lacht. „Musstest du dich wie ein Arsch verhalten? Ich meine, die Neue ist ein bisschen zu bemüht, aber sie ist ganz schön anzusehen.“
Tai zuckt mit den Schultern, zieht eine Zigarette aus seiner Kutte und zündet sie an.
Ich beschließe, mich zu verabschieden, und stupse meinen Dad an. „Ich haue ab. Bin bis zum Abendessen zu Hause. Steht das Angebot noch, dass du kochst?“
„Ja. Ich habe dir Zwiebelringe und Steaks versprochen, also bekommst du das auch.“
Dad deutet mit seinem Kinn zu Fender und Tai. „Wollt ihr beide später auch zum Essen vorbeikommen?“
„Ich wünschte, ich könnte, Bruder, aber ich habe schon etwas vor. Eines der Kinder vom Freizeitzentrum muss abgeholt werden. Sawyers Mom muss länger arbeiten, und ich helfe ihr.“
Dad nickt und blickt Tai an. „Was ist mit dir?“
Tai nimmt einen Zug von seiner Zigarette und sein Blick wandert in meine Richtung, bevor er sich wieder zu meinem Dad umdreht. „Ja, Bruder. Ich komme gerne vorbei.“

Fünfzehn Minuten später komme ich in der Klinik an und bemerke, dass meine Nachfolgerin Erica nicht hinter dem Empfangstresen sitzt. Ich höre ein Bellen aus den hinteren Räumen, gefolgt von der Stimme von Dr. Channing, die ruft: „Ich bin gleich bei Ihnen!“
Eine Sekunde später eilt sie um die Ecke und sieht ein bisschen entnervt und sehr erschöpft aus. Dr. Channing ist Ende fünfzig und ungefähr zehn Zentimeter kleiner als ich. Sie hat dunkelbraunes Haar, das mit grauen Strähnen gesprenkelt und zu einem kurzen Bob frisiert ist, und sie ist einer der liebsten Menschen, die ich kenne.
„Piper! Oh mein Gott! Was machst du denn hier?“ Sie kommt näher und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Ich bin über den Sommer zu Hause und wollte Sie besuchen. Wie läuft es bei Ihnen? Und wo ist Erica?“
Dr. Channing stemmt die Hände in die Hüften. „Sie hat letzte Woche gekündigt. Ohne Vorankündigung.“
„Ist das Ihr Ernst? Einfach so?“
„Ja. Nicht, dass es etwas ändert. Sie war eine schreckliche Empfangsdame. Ehrlich, ich wollte sie schon entlassen, bevor sie selbst gekündigt hat. Mein Terminkalender ist ein Chaos. Dieses arme Mädchen hatte keinen blassen Schimmer von irgendwas.“
Ich kichere. „Soll ich Sie unterstützen? Ich habe nicht viel vor, während ich den Sommer hier verbringe.“
„Piper, spiel keine Spielchen mit mir. Meinst du das ernst?“
„Ja. Ich würde sehr gerne zurückkommen. Dieser Ort hier fehlt mir.“
„Oh, Piper, du hast mir auch gefehlt. Diese Klinik ist nicht die gleiche ohne dich. Ich würde dich nur an den Vormittagen brauchen – bis ungefähr zwei Uhr nachmittags. Ich habe diesen netten Jungen eingestellt. Er ist Schüler an der Highschool und besucht die Sommerschule. Er kommt nach dem Unterricht vorbei.“
„Das klingt perfekt. Wie wärs, wenn ich gleich anfange? Soll ich mir Ihren Kalender genauer ansehen und das Chaos lichten?“
„Sehr gerne. Danke dir, Piper.“
„Gerne, Dr. Channing. Aber darf ich vorher nach hinten gehen und die Fellbabys begrüßen?“
„Natürlich. Ich habe gerade Rocky nach draußen gelassen.“
Rocky ist eine Englische Bulldogge, die vergangenen Sommer neben dem Highway gefunden wurde. Wir denken, dass er mit Absicht ausgesetzt worden war, und er musste dort in der Hitze leiden. Er war lebensbedrohlich dehydriert und hatte Verbrennungen an den Unterseiten seiner Pfoten aufgrund der hohen Temperaturen des Asphalts. Rocky ist auch schon ein alter Hund und fasst nicht gerade schnell und leicht Vertrauen zu Menschen, was dafür gesorgt hat, dass er schwer zu vermitteln ist. Es wundert mich nicht, dass er noch hier ist.
Als ich mich auf den Weg zu den Hundezwingern mache, führt mich mein Weg ohne Umschweife direkt zum größten Zwinger, wo Chance gehalten wird. Chance ist ein Beagle und wurde vor einem Jahr aus einem Massenzuchtbetrieb gerettet. Viele der mehr als hundert Tiere konnten mittlerweile in ein neues Zuhause einziehen, aber leider mussten einige auch eingeschläfert werden. Einer, der beinahe eingeschläfert werden musste, war Chance, weil seine Hinterpfoten gelähmt sind. Als Dr. Channing von seiner Situation hörte, eilte sie herbei und nahm sich seiner an. Sie kennt einen Mann in Mississippi, der Rollstühle für Hunde baut, und er zögerte nicht, zu helfen. Ich liebe Chance und habe seit meinem ersten Arbeitstag hier eine tiefe Verbindung mit ihm. Es war schrecklich, ihn zurücklassen zu müssen, als ich nach Texas ging. Wäre das Studium nicht, würde ich ihn selbst adoptieren.
Ich finde seinen Zwinger nur leer vor. Ich suche die anderen ab und drehe mich dann zu Dr. Channing um. „Ist Chance mit Rocky draußen?“, frage ich und mache mich auf den Weg zu der Tür, die in den kleinen Garten hinter der Klinik führt.
„Nein“, antwortet sie mit Freude in der Stimme. „Er wurde adoptiert.“
„Was?“, frage ich ein bisschen enttäuscht.
„Chance wurde abgeholt, kurz nachdem du nach Texas gegangen bist. Ein Typ kam vorbei und fragte explizit nach ihm.“
Ich hebe eine Augenbraue und denke nach, wer genug über Chance wissen könnte, um nach ihm zu fragen und ihn zu adoptieren.
Dr. Channing kann meinen Gesichtsausdruck lesen. „Oh, Piper. Ich versichere dir, dass Chance in ein großartiges Zuhause ziehen durfte und sehr glücklich ist. Sonst hätte ich ihn nie gehen lassen.“
„Ich weiß. Ich vertraue Ihrem Urteil. Es wäre nur schön gewesen, wenn ich ihn hätte nehmen können.“
„Das glaube ich dir, Liebes, aber ich verspreche dir, dass er einen guten Platz bekommen hat. Außerdem bringt ihn sein neuer Besitzer nächste Woche zu den jährlichen Auffrischungsimpfungen vorbei. Dann kannst du ihn sehen und seinen neuen Besitzer kennenlernen.“
Einige Stunden später, nachdem ich den Kalender der Tierklinik von Ericas Chaos befreit habe, muss ich immer noch über Chance nachdenken und frage mich, wer ihn wohl adoptiert hat. Sich um einen behinderten Hund zu kümmern, braucht viel Zeit und Hingabe. Nicht, dass ich mich nicht für ihn freue. Er verdient es, ein Zuhause zu haben und seine Tage nicht hier verbringen zu müssen. Und wie Dr. Channing meinte – ich kann den neuen Besitzer von Chance nächste Woche kennenlernen.
Als ich meine Arbeit erledigt habe, logge ich mich aus dem Computer aus, schnappe mir meine Handtasche aus dem Schrank neben mir und schwinge sie mir über die Schulter, während ich zum Büro von Dr. Channing spaziere. Ich stecke meinen Kopf durch die Tür. „Hey. Ich bin fertig. Der Kalender ist wieder auf dem aktuellsten Stand, und Sie haben morgen nach dem Mittagessen drei freie Stunden. Erica hat es geschafft, einige Termine doppelt zu buchen. Ich habe die Duplikate gelöscht und ein paar Dinge verschoben, damit Sie wieder in geordnete Bahnen kommen können.“
Dr. Channing blickt von der Schreibtischarbeit vor sich auf und strahlt. „Du bist ein Engel, Piper. Danke.“
„Gern geschehen. Wir sehen uns morgen früh.“


Kiwi

Ich schließe den Outdoor-Shop heute früher. Nachdem ich vor dem Abschließen meine übliche Runde gedreht habe, räume ich gründlich auf und schnappe mir zwei Säcke voll mit Müll, bevor ich das Gebäude durch die Vordertür verlasse. Danach lege ich die Plastiksäcke neben mir auf den Boden, schließe die Tür ab und stelle die Alarmanlage scharf. Ich nehme den Müll mit um die Ecke des Hauses, wo mein Bike steht, und schmeiße die Säcke auf dem Weg dorthin schnell in einen Container. Es ist fast sieben Uhr abends. Mit meinen Schlüsseln in der Hand schwinge ich mein Bein über meine 1997 Heritage Softail Harley. Die untergehende Sommersonne brennt mir auf den Rücken, als ich in die Straße lenke, und der Tag endet, wie er begonnen hat – heiß. Ich beschließe, dass ich mich zu Hause etwas frisch machen sollte, bevor ich zu Nova fahre.
Dreißig Minuten später biege ich mit meinem Bike auf einen unbefestigten Feldweg ab, der von alten Pekannussbäumen gesäumt ist. Ich kann es immer noch kaum glauben, dass ich den Sprung gewagt habe und ein Stück Land mit einem Haus gekauft habe. Um ehrlich zu sein: Es war nie Teil meines Plans gewesen, so lange in den Staaten zu bleiben. Ich hatte nur mit einigen wenigen Jahren gerechnet, nachdem Riggs mir einen Zufluchtsort angeboten hatte. Meine Schultern spannen sich an, wenn ich daran zurückdenke, warum ich in erster Linie nach Louisiana gekommen war.
Bis heute denke ich darüber nach, welche Rolle ich unwissentlich im Untergrundimperium meines leiblichen Vaters gespielt hatte. Der Umstand, dass dieser jämmerliche Wichser irgendwo in der Anonymität noch am Leben ist, bringt mein Blut zum Kochen. Wir können uns immer noch nicht erklären, wie er es geschafft hat, Riggs und seinem Team in der Nacht damals, in der sie den Club gestürmt haben, zu entwischen. Ein paar Tage später brach die Hölle los, FBI-Beamte durchsuchten sein Bürogebäude und sein Penthouse.
Ich lasse mein Bike ausrollen, stelle es ab und gehe zur Vordertür. Sobald ich sie öffne, werde ich von einem glücklichen Heulen von Chance begrüßt. „Was geht ab, Kumpel?“ Ich knie mich auf den Boden und kraule ihn hinter den Ohren. Seine Zunge hängt ihm seitlich aus dem Maul. „Wer ist ein guter Junge?“ Ich stehe auf, klopfe seitlich an meinen Oberschenkel und gehe in Richtung Küche. Chance mag seine Hinterbeine nicht benutzen können, aber er hält trotzdem meine Geschwindigkeit. Ich schmeiße meine Schlüssel auf den Tresen und öffne das Glas mit den Leckerli, um gleich darauf einen Erdnussbutterhundekeks in die Luft zu werfen. Chance schnappt ihn sich und folgt mir dann ins Schlafzimmer. Er trägt seine Beute in sein Hundebett und versteckt sie unter einem alten Flanellhemd, das er in seiner ersten Woche bei mir für sich beschlagnahmt hat.
Nach den ersten zwei Wochen allein in diesem Haus hatte ich beschlossen, dass ich einen Hund brauche. Lange genug hatte ich meine Nächte im Clubhaus verbracht. Für all die Jahre, die ich bis dahin in New Orleans gelebt hatte, war es mein Zuhause gewesen, und mit den Ladys, die dort leben, und den Jungs, die immer kommen und gehen, war ich an Gesellschaft gewöhnt.
Ich erinnerte mich an die Tierärztin, für die Piper gearbeitet hatte, bevor sie gegangen war, und entschied mich dafür, sie zu fragen, bevor ich den Weg ins regionale Tierheim nehmen würde. Piper hatte mehrmals erwähnt, dass Dr. Channing immer wieder Streuner bei sich aufnimmt. Ich muss lachen, wenn ich daran zurückdenke, wie oft Piper versucht hat, Nova oder einen der anderen Jungs dazu zu überreden, eines der Tiere aufzunehmen. Piper hat ein fürsorgliches Herz. Von dem Moment an, als sie in der Klinik zu arbeiten begann, hatte Piper eine Mission. Vögel, Hunde, Katzen, Schildkröten – egal was, sie war entschlossen, ihnen zu helfen und für alle ein Zuhause zu finden. Chance beobachtet jede meiner Bewegungen, als ich mich aus den schweißgetränkten Klamotten schäle.
Als Dr. Channing mich und Chance einander vorstellte, wusste ich sofort, dass ich ihn mitnehmen werde. Aufgrund seiner Lähmung war es sehr schwierig, ein Zuhause für ihn zu finden. Wenige Menschen sind bereit dazu, einen Hund mit besonderen Anforderungen zu adoptieren. Ich kann das nicht verstehen. Die Behinderung scheint Chance nicht einzuschränken. Seine liebenswerte Natur und seine Beharrlichkeit waren alles, was ich sah, und ich könnte mir keinen besseren Freund wünschen, der am Ende eines Tages zu Hause auf mich warten würde.
Ich gehe in mein kleines Badezimmer und greife in die Dusche, um das Wasser anzustellen. Es dauert nicht lange, bis der Dampf den Raum erfüllt und der Spiegel über dem Waschbecken anläuft. Chance rollt sich auf dem Badevorleger zusammen, während ich in die Wanne steige. Es ist draußen heiß wie in der Hölle, aber die Wärme des Wassers, das über meine Haut rinnt, fühlt sich gut an und sorgt dafür, dass sich meine Muskeln entspannen. Warum habe ich zugesagt, zum Abendessen zu kommen? Warum zögere ich ausgerechnet heute, am Tisch meines Bruders Platz zu nehmen, obwohl ich doch schon so viele Male dort war? Möglicherweise, weil ich an nichts anderes als an sie denken kann, seit Piper als erwachsene Frau diese Bar betreten hat.
Noch nie in meinem Leben habe ich mich nach einer Frau verzehrt. Und auch wenn ich mir immer wieder sage, dass Piper eine Frau ist, beschäftigt mich der Umstand, dass ich sie aufwachsen sehen habe – von einem Kind zu der Frau, die sie heute ist. Um nicht vor allem zu erwähnen, dass Nova mein Bruder und sie somit tabu ist. Wassertropfen rinnen über mein Gesicht, während ich mich daran erinnere, wie sie mich angesehen und wie sich ihr Körper an meinem angefühlt hat, als wir uns vor ein paar Nächten umarmt haben. Ich schwöre – noch nie hat sich etwas so richtig angefühlt. Ich rolle meinen Kopf von einer Seite zur anderen, um die Verspannungen aus meinem Nacken und den Schultern zu lösen.
Während ich mit meinen Gefühlen kämpfe, kommen mir die Worte meiner Mom in den Sinn: „Jeden erwartet ein anderer Weg. Manchmal ist der Pfad ein langer – manchmal nicht. Irgendwann kommen wir dort an, wo wir hingehören, und mit der Person, welche für uns bestimmt ist. Dafür, dass wir das Leben gemeinsam verbringen. Vertrau dem Weg, auch wenn er nicht die Richtung wählt, die du für richtig hältst. Selbst wenn es schmerzt – das Geheimnis ist, niemals aufzugeben.“
Meine Seele giert heute mehr nach diesen Worten als je zuvor. In einer perfekten Welt wäre es so einfach wie ein simpler Atemzug, Piper nicht nur zu wollen, sondern sie als die Meine auch an meiner Seite zu haben. Aber Perfektion ist nicht meine Realität. Hinter Piper her zu sein, hat Konsequenzen. Ich schiebe diese Gedanken zur Seite, dusche zu Ende, sorge schnell für Ordnung im Haus und steige dann aufs Bike, um loszufahren.
Kurze Zeit später fahre ich bei Novas Zuhause vor. Der Duft von Gegrilltem weht mir schon entgegen, als ich mein Bike abstelle. Ich schiebe meine Schlüssel in die Hosentasche und laufe ums Haus herum, von wo mir schon Lachen und Musik entgegenschlagen. Nova legt gerade Steaks auf den Grill, während Promise unter einem Sonnenschirm am Terrassentisch sitzt und ihren Sohn Jaxson auf dem Schoß wippt. Piper schwimmt Bahnen im Pool, den Nova vor ein paar Monaten gebaut hat. Ich zwinge mich, wegzusehen.
„Hey, Bruder. Ich hab schon befürchtet, du hast beschlossen, uns heute Abend zu versetzen.“ Nova blickt mich an, während ich auf die Terrasse spaziere. Er bückt sich, öffnet die Kühlbox zu seinen Füßen und zieht ein kaltes Bier aus dem Eis.
„Seit wann lasse ich mir ein kostenloses Essen entgehen?“ Ich grinse, während Nova mir die langhalsige Flasche reicht. „Danke, Kumpel.“ Ich schnippe mit meinem Ring den Deckel vom Bier und nehme einen großen Schluck.
„Kiwi.“ Beim Klang von Pipers Stimme, wie sie meinen Namen sagt, drehe ich meinen Kopf. Sie winkt mir zu und lächelt, während sie aus dem Pool steigt. Piper trägt einen dunkelroten Bikini, der alle ihre Kurven zeigt. Sie schnappt sich ein Handtuch von einer Liege und kommt in meine Richtung.
Ich kann kaum schlucken, gebe alles, um neben meinem Bruder cool zu bleiben. „Wie gehts?“, antworte ich Piper.
„Ich dachte schon, du würdest nicht mehr kommen.“ Piper wiederholt, was ihr Vater gerade gesagt hat, und lässt sich in einen Sessel neben Promise fallen. Ihr Babybruder streckt seine Hände sofort nach ihr aus, und sie nimmt ihn freudig entgegen.
„Ich hatte bei mir im Haus noch etwas zu erledigen.“
Piper sieht mich an, und ihr fällt die Kinnlade herunter. „Hast du gerade Haus gesagt?“
Ich grinse. „Ja klar, das habe ich.“
„Du hast nie erwähnt, dass du ein Haus gekauft hast.“ Sie scheint schockiert und auch ein bisschen verletzt, weil ich ihr nie davon erzählt habe. Nicht einmal, als sie bei ihrem Vater zu Besuch war, hatte ich ihr davon erzählt. Ich meine, sie steckt mitten im College-Leben. Ein Haus zu kaufen, ist keine große Sache.
„Ich habe es ungefähr einen Monat, nachdem du zum College gegangen bist, gefunden“, erzähle ich.
„Wie kommst du mit dem Renovieren voran?“, fragt Nova.
Ich nehme einen Schluck von meinem Bier. „Langsam. Ich schwöre, ich hab keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe, auf dieses Grundstück zu bieten.“ Immer wieder werfe ich verstohlene Blicke auf Piper und sauge die Kurven ihrer Brüste begierig in mich auf.
„Piper, könntest du mir mit Jaxson helfen, während ich den Tisch fürs Essen decke?“, fragt Promise. Piper, die mich anstarrt, löst ihren Blick und dreht sich weg, um zu antworten.
„Sicher“, sie lächelt Promise matt an. Mit ihrem Bruder im Arm folgt Piper Promise ins Haus.