Ungezügelte Leidenschaft und Liebe, die die Grenzen der Ekstase auslotet ...
Fenn Lockwood lebt im Schatten. Obwohl er die Entführung, die ihm seine Kindheit raubte, überlebte, haben ihn das Trauma und der Schmerz, den er durchlebte, für immer geprägt. Der einzige Ort, an dem Fenn er selbst sein kann, ist innerhalb der Mauern seiner privaten BDSM-Welt - ein Ort der erotischen Besessenheit und dem fesselnden Verlangen.
Hayden Thorne weiß, dass hinter Fenns undurchdringlichem Äußeren ein Mann steckt, für den es sich zu kämpfen lohnt. Doch um ihn vor der Vergangenheit zu bewahren, die ihn immer noch verfolgt, muss Hayden ihre Zurückhaltung aufgeben und sich in Fenns berauschend sinnliche Welt wagen.
Jede verlockende Sekunde, die sie in Fenns glühender Umarmung verbringt, ist köstlicher als die letzte, und bald will Hayden diese quälende Glückseligkeit nie mehr verlassen ...
USA Today Bestseller-Autorin Lauren Smith ist tagsüber eine Anwältin aus Oklahoma und nachts eine Autorin, die im Licht ihrer Smartphone-Taschenlampen-App abenteuerliche und heiße Liebesgeschichten schreibt. In dem Moment, als sie versuchte, die gesamte Handlung von "Titanic" neu zu schreiben, nur...
"Es ist vier Monate her, seit die acht Jahre alten Zwillinge Fenn Lockwood und Emery Lockwood während einer Gartenparty, die ihre Eltern Miranda und Elliot Lockwood im Lockwood-Anwesen abgehalten haben, aus ihrem Haus in Weston auf Long Island entführt wurden. Vor einem Monat wurde Emery Lockwood gefunden und nach Hause zurückgebracht. Die Polizei und das FBI waren nicht in der Lage, das Schicksal von Fenn Lockwood zu bestimmen. Es wurde weder eine Leiche noch ein Tatort gefunden, und Emery Lockwood reagiert nicht auf Befragungen, da er an Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Es scheint, dass das Schicksal des geliebten kleinen...
...Jungen Fenn Lockwood möglicherweise nie bekannt werden wird."
– New York Times, Oktober 1990
Der Bulle stürmte den mit Metallschienen ausgekleideten Lauf hinunter und in den schmalen Pferch. Fenn Smith ergriff das rostige Geländer und drückte seinen Hut fester auf den Kopf, während er das Tier studierte.
Tabasco. Ein schwarzer Stier mit dem Temperament eines Teufels. Genau die Art von wildem Tier, das ihm einen teuflisch üblen Ritt verschaffen würde. Die Zuschauer im Stadion schrien und brüllten ihm Ermutigungen zu, als er über die Abtrennung auf das Tier stieg. Die Lichter im Stadion ließen den braunen Sand gleißend wirken und erhitzten Fenns Körper trotz des kühlen Wetters. Er rutschte auf den Bullen und setzte sich vorsichtig auf seinen Rücken. Das Tier trat um sich und zappelte, aber es gab nicht genug Platz, als dass es sich hätte aufbäumen können.
Fenn zog seine Handschuhe fester und wischte sich frischen Schweiß von der Stirn. Das Biest zwischen seinen Beinen verkrampfte sich, jeder Muskel zuckte und spannte sich an, während es auf den Moment wartete, an dem das Tor aufspringen würde und es ihn abwerfen könnte.
„Mach ihm die Hölle heiß, Smith!“, rief ihm einer der Bullenreiter zu, die an der Seite des Gangs abhingen.
Er lachte und schlug dem Stier mit der Hand auf den Nacken. Genau das wollte er tun. Wenn es eine Sache gab, die er konnte, dann war es, Stiere zu reiten.
Fenn ergriff das geflochtene Bullenseil, das um Tabascos Flanken geschlungen war. Das harzbehandelte Seil wäre umso leichter zu packen, je mehr es sich bei der Belastung während des Rittes erhitzte. Und das war gut so, denn Tabasco war bekannt dafür, mit dem Kopf nach unten zu kreiseln. Wie ein wirbelnder Derwisch warf er in jeder Rodeo-Saison im Bundesstaat Colorado unzählige Männer ab. Die Leute reisten aus dem ganzen Land an, um ihn zu reiten. Einige Stiere bockten geradeaus, andere drehten sich im Kreis. Der Schlüssel, um zu gewinnen, war, einen Bullen vor dem geplanten Ritt für ein paar Wochen zu beobachten und ein Gefühl für seinen Stil zu bekommen. Fenn hatte die letzten zwei Monate damit verbracht, Tabasco zu studieren. Er konnte es sich nicht leisten, heute Abend einen Fehler zu machen, nicht, wenn alles von diesem Ritt abhing.
Er verlagerte sein Gewicht, legte seine dominante Hand von unten um das Seil des Bullen und saß so nah wie möglich bei seinen Händen. Er beugte sich nach vorn, sodass seine Brust fast über den Schultern des Stiers lag.
„Der nächste Reiter ist Fenn Smith aus Walnut Springs. Er kämpft um den Hauptpreis von fünfzigtausend Dollar. Der Bulle ist Tabasco, was von unserer Rodeocrew als eine der härteren Runden des heutigen Abends bewertet wird.“
Fenn ignorierte die Eröffnungsrede des Ansagers und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Die Gerüche von billigem Bier, Heu und Mist, Aromen, mit denen er aufgewachsen war, waren intensiv und doch beruhigend. Dies war seine Stadt, sein Stadion. Er konnte das. Er musste es tun. Beim Visualisieren des Ritts stellte er sich vor, wie er die Körpersprache des Stiers lesen musste, um acht Sekunden lang auf ihm sitzen zu bleiben. Nur acht Sekunden.
Fünfzigtausend Dollar. Das reichte aus, um die Hypothek auf Jim und Callie Taylors Broken Spur Ranch wieder aufzunehmen. Er hätte seinen Hals auf diesem Stier aus keinem anderen Grund riskiert. Der alte Jim war in seinen Fünfzigern, und seine zwanzigjährige Tochter Callie musste versorgt werden. Sie waren seine Familie, und er hätte alles riskiert, wenn es nötig wäre, um ihnen zu helfen. Er leckte sich die Lippen und rollte mit den Hüften, während Tabasco schauderte und schnaubte.
„Das Tor öffnet sich in fünf …“ Der Ansager begann mit dem Countdown.
Fast augenblicklich überfiel ihn ein schreckliches, kribbelndes Gefühl auf der Haut, als würden Käfer über ihn krabbeln. Mit einem Rollen seiner Schultern versuchte er, das beunruhigende Gefühl abzuschütteln.
„Vier, drei …“
Der Stier zitterte unter ihm.
„Zwei, eins …“
Das Tor flog auf und der Bulle schoss heraus. Fenn bemühte sich, auf dem Stier zu bleiben, während er den Kopf duckte und sich auf das Herumwirbeln vorbereitete. Der unbequeme Flankenriemen machte das Tier wütend, und es würde alles tun, um ihn loszuwerden. Tabascos Vorderbeine hoben sich, und Fenn lehnte sich nach vorn. Er presste die Schenkel zusammen und versuchte, seinen festen Griff beizubehalten. Wenn er seine Hüften tief und in der Mitte halten könnte …
Der Schrei einer Frau drang in seinen Geist ein und schnitt durch seinen Verstand wie ein Messer. Blitze … starke und kraftvolle Bilder flackerten wie zerbrochene Fragmente auf einer alten Filmrolle. Verfallene Säulen, erhellt von Mondlicht, das durch zerbrochene Glasfenster fiel. Efeu kroch eine Treppe empor, die ins Erdgeschoss eines Herrenhauses führte, das längst – teilweise bis zu den Grundmauern – zerfallen schien. Ein tiefes Baritonlachen, die Explosion von Kugeln, ein Geräusch aus seinen schlimmsten Albträumen …
Sein Magen zog sich zusammen und sein Abendessen arbeitete sich durch seine Kehle nach oben. Er konnte sich nicht konzentrieren, konnte nichts hören außer dem Schreien in seinem Kopf, als der Terror, den er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte, ihn packte. Er war … er war … wieder ein verlorener, verängstigter kleiner Junge.
„Nein!“ Der Schrei war ihm kaum über die Lippen gekommen, als die Welt um ihn herum vollkommen außer Kontrolle geriet.
Tabasco hob den Kopf, dann tauchte er ab, seine Hinterbeine gingen in einer unerwarteten Bewegung gerade nach oben. Fenns Griff am Seil des Bullen löste sich vollkommen.
„Er schickt einen anderen … Wenn ich weg bin, wird ein anderer meinen Platz einnehmen … Er will dich tot sehen.“
Worte – nicht seine – schienen von innen über seine Augenlider zu kratzen, drangen wie Skorpione in seinen Verstand ein und hinterließen reine Angst.
Die Lichter des Stadions wirbelten in grauenhaften Mustern vor ihm, als er in den Himmel geworfen wurde. Der Wind pfiff an ihm vorbei, schnitt über sein Gesicht, bevor er auf den Boden prallte. Etwas in seinem Bein verursachte einen stechenden Schmerz, und er hatte keine Luft übrig, um den erstickten Schrei, der ihm in der Kehle stecken blieb, auszustoßen. Der Schmerz ging ihm durch und durch, begann in seinem Kopf und arbeitete sich nach Süden zu seinen Füßen vor. Er konnte sich nicht bewegen, nicht einmal einen Zentimeter. Jedes Geräusch, jede Empfindung wurde durch die Qual, die durch seinen Körper strömte, gedämpft.
Der Bulle würde angreifen, wo auch immer er sich befand, und es wäre nur eine Frage von Sekunden, bis Tabasco über ihn trampeln und ihn mit den Hörnern zerfetzen würde. Sein Kopf war nach rechts gedreht und er konnte in drei Metern Entfernung seinen Lieblingshut liegen sehen. Der Hut schaukelte hin und her. Er blinzelte und fühlte Sandkörner auf seinen Wimpern.
Wieder blitzten Bilder in seine Sicht. Seltsame Empfindungen erfüllten seinen Körper. Hände, die nutzlos nach Sand griffen, fühlten sich eher so an, als hielte er stattdessen eine Frau in seinen Armen. Aber das war verrückt; er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und klammerte sich nicht an eine Phantomfrau.
„Smith! Beweg deinen Arsch!“, rief George Romano, einer seiner Freunde und Rodeokameraden. Er war direkt in Fenns Sichtlinie und kletterte über das Gatter am Rande der Arena.
Bewegen? Das konnte er nicht. Es ging nicht. Ein leuchtender roter Farbfleck stach ihm ins Auge. Eine hinreißend schöne Frau in einem engen roten Kleid mit wallendem rotem Haar kletterte barfuß den Zaun der Arena hinauf. George griff nach ihr, aber sie schwang die Beine über die Seite des Zauns und ließ sich in die Arena fallen.
Heilige Schei…
„Fuck!“, knurrte Fenn, als Adrenalin durch ihn strömte. Er schob die Arme unter seinen Körper und drückte seinen Oberkörper vom Boden hoch.
Das musste ein Traum sein. Ein schlechter. Es war unmöglich, dass eine Frau in einem verführerischen roten Kleid an ihm vorbei sprintete und mit den Armen wedelte in Richtung von … Tabasco. Fenn drehte den Hals, sodass er über seine Schulter sehen konnte, als der angreifende Bulle zum Stillstand kam und die Frau anzusehen schien. Das Tier schnaubte und scharrte im Sand, braune Augen waren auf sie gerichtet. Nach ein paar langen Sekunden riss er den Kopf zurück in Fenns Richtung.
Ein durchdringendes Pfeifen durchschnitt die Luft. Die Menge war verstummt, abgesehen von den Cowboys, die nach den Rodeoclowns schrien. Normalerweise waren sie eine willkommene Ablenkung, wenn Reiter abgeworfen wurden und die Stiere sie angreifen wollten, aber die Clowns kamen zu spät, um ihn jetzt noch zu retten. Das Pfeifen ertönte wieder, und dieses Mal musste Tabasco entschieden haben, dass das Mädchen es eher verdiente, sein Ziel zu werden, als er. Er scharrte den Sand auf und begann einen gleichmäßigen Trab in Richtung der Frau.
„Smith! Beweg dich!“, brüllte George. Er und drei der Reiter hatten ihre Hüte auf den Boden geworfen und stiegen über das Geländer in die Arena. Ein paar weitere Männer arbeiteten daran, ein Gatter ein paar Meter weiter zu öffnen.
Fenn fand genug Kraft, um sich umzudrehen und sich in eine vorgebeugte Sitzposition zu kämpfen. Seine Lungen arbeiteten immer noch daran, die dringend benötigte Luft einzusaugen. Seine Sicht verschwamm und sein Kopf pochte intensiv. Er blinzelte, und die einfache Aktion fühlte sich an wie Sandpapier, das über seine Augen kratzte. Seine Gedanken formten sich unglaublich langsam, und er war einfach sprachlos bei dem Anblick, der sich ihm bot. Die niedliche rothaarige Frau flitzte über den Sand und kickte ihn in kleinen Wölkchen auf, als sie zur anderen Seite der Arena floh. Der Stier legte an Geschwindigkeit zu und rannte ihr hinterher. Als sie den offenen Gang erreichte, griff ein Rodeoreiter über den Zaun und sie erfasste seine Arme. Mit einem schnellen Ruck wurde sie nach oben über den Zaun gezogen und verschwand aus dem Blickfeld und der Gefahrenzone. Der Bulle rannte in den Gang und das Tor klappte zu, wodurch er von der Arena abgeschnitten wurde und Fenn nun in Sicherheit war.
„Was zum Teufel …“, murmelte er. Diese Frau hätte getötet werden können.
Wenn ich sie jemals in die Finger bekomme, gehört ihr Arsch mir. Dass ihn jemand rettete, geschweige denn eine Frau, war nicht annehmbar, vor allem, da sie ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Verdammte Buckle Bunnys! Immer wollten diese Fangirls Aufmerksamkeit erregen …
Arme griffen ihm unter die Achseln und zogen ihn auf die Beine.
„Das war viel zu knapp“, keuchte George.
„Scheiße!“ Fenns Knöchel schien vor Schmerz wie elektrisch zu knistern und seine Augen rollten fast in seinen Kopf zurück.
Bitte lass es eine Verstauchung sein. Er konnte sich keinen gebrochenen Knochen leisten.
„Dieses verrückte Mädchen hat dich gerettet“, verkündete George mit einer Mischung aus Belustigung und Erleichterung.
„Sag mir, dass das nicht wirklich passiert ist“, verlangte Fenn, als er seinen Hut entgegennahm, den ihm einer der anderen Reiter hinstreckte. Er schlug grob mit der Handfläche darauf, sodass sich um ihn herum eine Wolke aus Sand und Schmutz bildete.
„Oh doch.“ George lachte leise. „Eine Frau hat dir gerade deinen jämmerlichen Arsch gerettet. Und zwar eine heiße. Sie ist wahrscheinlich ein Buckle Bunny. Wenn du deine Karten richtig spielst, reitest du vielleicht heute Nacht auf ihr. Ich hoffe, du hältst wenigstens da länger als acht Sekunden durch!“ George johlte und klopfte ihm auf den Rücken, während sie auf das offene Tor zuliefen.
Acht Sekunden? Er bräuchte keine acht Sekunden; er würde diese Frau übers Knie legen und ihr den Hintern versohlen, weil sie ihren hübschen kleinen Hals riskiert hatte. Es nagte an ihm, dass er derjenige war, der eine Frau beschützen sollte, nicht umgekehrt, und er brauchte definitiv keine fremden Frauen, die ihn retteten. Er war nicht hilflos. Er würde nie hilflos sein. Eine schwarze Wolke wogte durch seinen Verstand, Geflüster der Vergangenheit … Er schlug geistig die Tore zu und blockierte sie.
Fenn humpelte und stützte sich alle paar Schritte auf Georges Schulter. Er warf einen Blick zurück auf die andere Seite der Arena und erblickte die Sirene im roten Kleid, die hinter der Absperrung stand und ihn beobachtete. Lange Wellen roter Haare tanzten um ihre Schultern und umspielten ihre Schlüsselbeine. Ihre vollen Lippen waren geöffnet, als ob sie überrascht wäre. Sie war eine echte Füchsin. Gott hatte nicht viele Frauen geschaffen, die wie sie aussahen. Volle Kurven, modellierte Gesichtszüge, ein Mund, der für die Sünde geschaffen war … Und sie war diejenige, die ihn gerettet hatte. Das machte ihn sauer. Richtig stocksauer.
Er drehte der Frau den Rücken zu und schaute geradeaus.
„Wie viele Sekunden habe ich geschafft, bevor …“ Er brach ab, ohne George ansehen zu können. Scham kribbelte ihm unter der Haut. So schlimm war er nicht mehr abgeworfen worden, seit er sechzehn Jahre alt gewesen war.
„Äh … sieben Komma drei Sekunden. Sorry.“ George wusste, wie wichtig das gewesen war. Wenn ein Reiter keine acht Sekunden durchhalten konnte, qualifizierte er sich nicht für die Punktetabelle. Keine Punkte, dann keine Chance auf den Gewinn und damit keine Chance, die Broken Spur Ranch vor der Zwangsvollstreckung zu retten. In nur einer Nacht hatte er neben der totalen Kontrolle über sein Leben und der Aussicht auf das Preisgeld, mit dem er die Ranch hätte retten können, alles verloren und besaß nun einen beschissenen Haufen von Nichts. Nicht die Kontrolle zu haben, machte ihn verschlossen und unruhig.
Auf der Ranch hatte er die letzte Hälfte seines Lebens verbracht und sie war sein Zuhause. Wenn er sie nicht retten könnte, würde er den einzigen Ort verlieren, zu dem er eine Verbindung verspürte. Er weigerte sich, zu versagen, weigerte sich, Callie und Jim im Stich zu lassen.
„Ist Callie hier?“ Er machte sich nicht die Mühe, sich umzusehen. Er hätte sie nicht entdeckt, wenn sie hier wäre. Es waren im Herbst immer unglaublich viele Zuschauer hier, wenn das Stadion wegen der größeren Rodeo-Wettbewerbe gefüllt war. Die kleine Stadt Walnut Springs in Colorado explodierte mehrmals im Jahr wegen des Tourismus dank Sommerwanderern, Herbstrodeos und Winter- und Frühlingsskifahrern.
„Callie ist hier. Sie sagte, Jim sei immer noch im Krankenhaus. Sollte morgen entlassen werden. Ich habe sie …“
„Fenn!“ Ein kleiner weiblicher Farbfleck griff ihn an, während er durch das letzte Tor ging und das Stadion verließ.
„Oompf!“, gab er bei dem Aufprall von Callies Körper gegen seinen von sich. „Schön sachte, Kleine. Hier ist ein Verwundeter“, warnte er, lächelte sie aber an, als er sah, wie ein besorgter Ausdruck ihre schönen Züge überschattete.
Sie war erst zwanzig, ein süßes Kind und mehr wie die kleine Schwester, die er sich immer gewünscht hatte. Doch sie war auch stark, innerlich wie äußerlich.
„Entschuldige!“ Callie ließ ihre Arme sinken und biss sich auf die Unterlippe.
Tränen sammelten sich in ihren braungrünen Augen. „Ich habe gesehen, wie du abgeworfen wurdest, und bin ausgeflippt.“ Ihre Hände glätteten ihr rosa kariertes Hemd im Westernstil und sie grub ihre Stiefelspitzen in den Schmutz.
„Hey, ist schon gut. Du weißt, ich würde dir doch nie wegsterben, Schätzchen.“ Seine brüderlichen Instinkte kamen zum Vorschein, und er zog sie in seine Arme, scheiß auf den Schmerz. Ihr honigblonder Pferdeschwanz wippte ein wenig, als sie versuchte, ihren Kopf zu drehen und sich an ihn zu kuscheln. Er ließ sie sanft los und trat zurück.
„Wie geht es Jim? Ich dachte, er käme heute raus. George sagte, er wird nicht vor morgen entlassen.“ Fenn warf George einen Blick zu, der ihm daraufhin kurz zunickte und sie allein ließ.
Callie seufzte. „Du weißt ja, wie Dad ist. Er murrt wegen des Wackelpuddings und wollte aus dem Fenster entkommen, als die Krankenschwester ihm den Rücken zudrehte. Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass die meisten Menschen leichtere Herzinfarkte ernst nehmen.“ Sie rollte mit den Augen, aber Fenn entging nicht das Flackern von Schatten, das folgte.
Er wünschte, er könnte ihre Sorgen lindern, aber er wusste nicht, wie er so etwas in Ordnung bringen könnte. Herzinfarkte waren eines der wenigen Dinge, die Fenn nicht kontrollieren konnte. Entweder es würde Jim besser gehen oder nicht, und er und Callie würden mit allem fertig werden müssen, was dann passierte.
Sie gingen hinüber zum Sanitätszelt. Ein Arzt in Jeans und weißem Kittel winkte sie herein, bevor er sich zu einem Barrell Racing Cowgirl mit einem bösen Schnitt auf der Stirn umdrehte. Im Inneren des Zeltes befanden sich vier tragbare medizinische Tische und eine umfangreiche Notfallausrüstung. Die meisten Verletzungen, die man sich hier zuzog, waren Schürfwunden, Schnitte und gelegentliche Prellungen.
Schwere Verletzungen waren immer möglich, wenn die Rodeos auch Bullenreiten zeigten. Die Walnut Springs Rodeo Crew machte sich genügend Sorgen darum, sodass sie einen Krankenwagen neben dem Sanitätszelt postiert hatten, nur für den Fall, dass man wie ein Irrer in das nahe gelegene Krankenhaus rasen musste. Fenn hatte noch nie eine Behandlung nach einem Ritt benötigt, nicht ein einziges Mal, seit er als Teenager damit begonnen hatte. Es war etwas demütigend, dass er im Alter von dreiunddreißig Jahren hier gelandet war. Verdammt, er wurde alt, oder vielleicht lag es an den vielen Dingen, die er seinem Körper zugemutet hatte, der harten Arbeit auf der Ranch und dem Reiten. Er war definitiv nicht mehr so jung wie Callie.
Er ließ sich auf die Liege, die am weitesten von der anderen Reiterin entfernt war, fallen und legte sich auf den Rücken. Sein ganzer Körper wurde schlaff, als ob er endlich begriff, dass er sich entspannen konnte. Das Adrenalin ließ langsam nach und nun brach er zusammen. Alles tat weh. Der Sturz in den Sand war nicht gerade angenehm gewesen. Sein Brustkorb fühlte sich an, als drückte immer noch etwas Schweres auf ihn, presste ihm die Luft heraus und ließ kaum mehr Sauerstoff hinein. Jeder Knochen in seinen Beinen und Armen schmerzte, als ob sein gesamter Körper mit einem Baseballschläger bearbeitet worden wäre. Sein Knöchel tat am meisten weh und von dort strahlte der Schmerz überallhin aus. Seinen Stiefel auszuziehen, würde höllisch wehtun.
„Geht’s dir gut, Fenn?“ Callies süßes, bezauberndes Gesicht erschien in seinem Blickfeld, während sie sich über die Liege beugte und ihn anstarrte.
„Tu mir einen Gefallen, Kleine. Zieh mir die Stiefel aus, bevor mein Knöchel anschwillt.“
„Klar.“ Callie verschwand kurz, und dann traf ihn der Schmerz wie ein Güterzug, der ihn erfasst hatte, als sie an dem Stiefel zerrte.
Er zischte, drückte den Rücken durch und murmelte dann mehrere auserlesene Schimpfwörter, bevor das quälende Pochen etwas nachließ und der Raum aufhörte, sich um ihn zu drehen. Er schloss die Augen und atmete durch die Nase.
„Es tut mir so leid. Ich wette, das hat wehgetan.“ Callies Hand berührte seinen Unterarm und streichelte ihn leicht.
„Schon in Ordnung.“ Zeig ihnen nie, dass es wehtut. Das uralte Mantra kam aus der Düsternis der Vergangenheit zu ihm und zerschnitt seine Brust von innen mit Leid. Er hatte dieses Gelübde vor so langer Zeit abgelegt, aber er schien sich nicht daran erinnern zu können, warum. Er tätschelte ihre Hand, bevor er seine Schläfen rieb.
Seine Gedanken sprangen immer wieder zu dem zurück, was er gesehen hatte, als der Stier ihn abgeworfen hatte. Nichts davon ergab Sinn … er hatte Dinge gesehen … Dinge gehört. Nichts davon machte wirklich Sinn. Wurde er verrückt? Hatte er schlussendlich einen psychotischen Zusammenbruch? Es wäre nicht das erste Mal, dass er solche Bedenken hatte. Als er acht Jahre alt gewesen war, war sein Vater mit ihnen nach Walnut Springs gezogen, und er hatte schreckliche Kopfschmerzen und Halluzinationen gehabt.
Erst nachdem er einige Monate mit Schmerzmitteln und in Therapiesitzungen verbracht hatte, war das Leiden verschwunden. Aber als er dreizehn Jahre alt gewesen war, war sein Vater gestorben und die Albträume und Kopfschmerzen waren zurückgekommen. Jim Taylor und seine Tochter Callie hatten ihn gerettet. Er war auf die Broken Spur gezogen und hatte zu arbeiten begonnen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das Heim, das ihm Jim geboten hatte, war eine wunderbare Flucht vor der Realität eines Lebens als Waise gewesen. Die Broken Spur war jetzt sein Zuhause, und die Bank würde sie in wenigen Wochen zwangsvollstrecken. Die Vorstellung war deprimierend. Er hatte die Chance gehabt, sie heute Abend zu retten, und er hatte es vermasselt.
„Callie?“, fragte er und öffnete wieder die Augen.
„Ja?“ Sie starrte ihn an, ihr Blick voller Verehrung und Schwärmerei. Er hatte versucht, es zu ignorieren, aber er wusste, dass sie ihn anbetete. Es war schade, dass er nicht dasselbe fühlte.
„Es tut mir leid, dass ich das Geld nicht bekommen konnte. Ich habe Jim versprochen, es zu besorgen.“ Seine Kehle zog sich zusammen. Seine Augen brannten und er blinzelte mehrere Male heftig. Was hatte Jim immer gesagt? Cowboys weinen nie. Komisch, Jim war eher sein Vater als Lewis, Fenns eigentlicher Vater, der geheimnisvolle Mann, der wenig geredet und sie fünf Jahre lang mit seltsamen Gelegenheitsjobs in der Stadt über Wasser gehalten hatte, bevor er starb.
Callie versuchte, ihm ein Lächeln zu schenken, doch es welkte an ihren Mundwinkeln dahin. „Es war nicht deine Aufgabe, die Ranch zu retten. Mach dir keine Vorwürfe. Dad und ich werden uns etwas überlegen. Wir können immer noch versuchen, die Kreditrückzahlungen zu ändern. Ich habe versucht, den Papierkram auszufüllen. Es gibt immer noch Hoffnung.“
Hoffnung. Hoffnung gefiel ihm nicht. Es war ein unbeständiges Gefühl, das oft zu keinem Ergebnis führte. Ja, er würde in nächster Zeit nicht auf die Hoffnung setzen. Außerdem füllte immer, wenn er darüber nachdachte, die bloße Vorstellung von Hoffnung sein Herz und seine Seele mit einer alles verzehrenden Verzweiflung. Es war ein Instinkt, den er sich nicht erklären konnte, wie das Zurückweichen vor einer Schlange. Er reagierte einfach, ohne zu wissen, warum. Er wusste nur, dass er sich nie auf die Hoffnung verlassen würde. Das Einzige, worauf er sich verlassen konnte, war er selbst.
Der Arzt half der anderen Patientin aus dem Zelt, und nachdem die Frau gegangen war, ging er zu Fenn hinüber. Mit einem Ächzen schaffte es Fenn, sich in eine sitzende Position aufzurichten und sich dem Arzt mittleren Alters zuzuwenden.
„Ich habe gehört, Sie wurden von Tabasco abgeworfen.“ Der Arzt lächelte freundlich, während er sprach, als ob es völlig normal wäre, darüber zu reden, dass er dem Tod von der Schippe gesprungen war.
„Ja. Mein rechter Knöchel tut weh.“ Er hob seinen ungestiefelten Fuß hoch. Der Arzt hob sein Bein an der Wade an und rollte dann sanft den Knöchel. Fenn stieß heftig die Luft aus, als der Schmerz wieder durch ihn hindurch schoss.
„Die Beweglichkeit ist gut. Aber es ist eine schlimme Verstauchung.“ Der Arzt nahm sein kleines Klemmbrett und schrieb ein paar Notizen darauf, bevor er Fenn ansah, lächelte, mit dem Stift klickte und diesen in seine Manteltasche steckte.
„Behandeln Sie den Knöchel in den nächsten Tagen mit Eis, legen Sie ihn hoch, um die Schwellung zu reduzieren und …“ Der Arzt grinste immer noch, als ob er über einen geheimen Witz lachte. „Nicht reiten. Ich weiß, dass ihr Jungs die schlimmste Art von Patienten seid, wenn es um Einschränkungen geht, aber ich meine es ernst. Kein Reiten.“
„Schon klar“, murmelte Fenn.
Der verletzte Knöchel wurde dann fest in eine Schiene eingewickelt und Fenn nahm von dem Arzt die angebotenen Krücken entgegen.
„Gut. Kommen Sie morgen zu mir in die Klinik, wenn Sie etwas gegen die Schmerzen brauchen oder wenn Sie glauben, dass es schlimmer wird.“
„Wird gemacht“, versprach Fenn, rutschte von der Liege und landete gekonnt auf seinem guten Bein. Er drückte seinen Hut auf Callies Kopf. Sie lachte und schob die Krempe nach hinten, damit sie etwas sehen konnte.
„Lass uns nach Hause gehen.“ Der Anblick dieser rothaarigen Schönheit, deren kleine nackte Füße wie wild über den Sand gewirbelt waren, als sie ihn rettete und ihren eigenen verdammten Hals riskierte … Er musste das vergessen. Dennoch wusste er, dass er den Rest der Nacht damit verbringen würde, an sie zu denken und daran, wie gern er sie für etwas so Dummes bestrafen wollte.
Wer war sie? Und noch wichtiger, warum hatte sie ihr Leben riskiert, um ihn zu retten?