Michelle ist verheiratet mit dem reichen Patrick, der zu Beginn ihrer Ehe ihre Sehnsucht nach Dominanz und Unterwerfung auf eine väterlich liebevolle Art erfüllte. Das ist allerdings lange vorbei, die Ehe unglücklich.
Als sie von vier raubeinigen Brüdern auf einen einsamen Hof an der Elbe entführt wird, die von ihr fordern, die pädophilen Neigungen ihres Ehemanns nicht länger zu decken, sondern ihn bei der Polizei anzuzeigen, wehrt sie sich vehement – nicht nur gegen die ungeheuerlichen Verdächtigungen, sondern auch gegen ihre Gefühle für Tyler, einen der Entführer. Die Situation erregt Michelle ungewollt über alle Maßen, was Tyler nicht verborgen bleibt.
Tyler Carter, ehemaliger New Yorker Cop und nun Privatdetektiv, empfindet tiefe Verachtung für die Frau, die vermeintlich die pädophilen Neigungen ihres Mannes deckt. Doch auch Michelle ist ein Opfer ...
Teil 3 der romantischen BDSM-Reihe "Hard & Love".
Sara-Maria Lukas (alias Sabine Bruns) war gebürtige Bremerin und lebte mit ihrem Partner und diversen Vierbeinern in einem winzigen Dorf zwischen Hamburg und Bremen. Die Verbundenheit zur Natur, sowie die Liebe zum Meer und der norddeutschen Lebensart bestimmten ihren Alltag...
„Fuck“, knurrt Tyler, „das ist nicht witzig. Ich bin mir sicher, sie weiß, was ihr Mann treibt, und deckt ihn.“
„Wie kommst du darauf?“
„Ich war heute da.“
„Erzähl.“
„Ich beschatte den Typen und seine Frau seit vierzehn Tagen, abwechselnd mal ihn, mal sie. Er ist ständig unterwegs, wechselnde Hotels, viel in Deutschland, aber auch in Holland. Man kommt nicht an ihn ran. Sie ist währenddessen allein in der Villa. Meine Beobachtungen brachten mich weder bei ihm noch bei ihr weiter, deswegen war ich heute, nachdem der Typ weggefahren ist, da. Hab mich als Elektrotechniker ausgegeben, um...
...ins Haus zu kommen. Zum Glück hat sie mir die Überraschung, die angebliche Lisa wiederzusehen, abgenommen. Mein Plan war, in seinem Arbeitszimmer eine Wanze und möglichst auch eine Kamera zu verstecken. Michelle hat zum Glück keine Ahnung von Elektrizität, sie glaubte mir, dass ich die Leitungen checken muss, hat sich aber vehement geweigert, mir das Arbeitszimmer ihres Mannes zu zeigen. Und als ich angedeutet habe, dass ich ihr helfen kann, falls sie Hilfe benötigt, hat sie nicht gestutzt, sondern wurde umgehend ziemlich aggressiv. Da war nicht das kleinste Zeichen von Unsicherheit oder Nervosität, dafür eine knallharte Drohung. Ich bin hundertprozentig überzeugt, sie weiß, was der Arsch treibt. Vermutlich ist der ganze verdammte holländische Clan eingeweiht. Mit Kinderpornografie lässt sich schließlich weltweit gut verdienen.“
Logan schüttelt den Kopf. „Du warst doch so fasziniert von dieser Frau. Meinst du wirklich, sie ist bei einem derart widerlichen Geschäft seine Komplizin?“
Tyler erinnert sich an ihre ablehnende, kalte Mimik und schmeckt Bitterkeit auf der Zunge. Er zuckt mit den Schultern und schnaubt verächtlich. „So kann man sich täuschen.“
Logan schüttelt den Kopf. „Vielleicht wird sie auch erpresst und deckt ihren Mann aus Angst.“
Unwillig winkt Tyler ab. „Dann hätte sie heute die Chance gehabt, sich helfen zu lassen.“
„Warum sollte sie dir trauen?“
„Fuck! Wir hatten eine intensive Session, dafür hatte sie auch genug Vertrauen.“ Er donnert mit der Faust auf den Tisch. „Ich muss in das Arbeitszimmer von dem Arsch, das ist die einzige Chance, Beweise zu finden, und Michelle van Hoogemaan wird mich hineinlassen. Ich will sie beide vor Gericht sehen. Kinder auf eine so dreckige Art auszunutzen, ist wirklich das Letzte. So wahr ich Tyler Carter heiße, ich werde dieses Weib zum Reden bringen.“
Nachdem sie die Einkäufe im Kofferraum verstaut und ihn zugeklappt hat, bewegt Michelle stöhnend ihren Kopf hin und her, während sie sich den Nacken reibt. Sie konnte vor lauter Einsamkeit mal wieder kaum schlafen. Das Ergebnis davon sind migräneartige Kopfschmerzen, die bis in den Nacken hinunterziehen.
Trotz des frühen Vormittages ist es bereits ziemlich warm. Es könnte einer der ersten Sommertage des Jahres werden. Wie gut, dass sie den schattigen Parkplatz direkt an der Hauswand des Supermarktes gefunden hat. So ist es im Wagen wenigstens kühl geblieben. Sie braucht unbedingt eine Tablette und wird sich zu Hause noch mal hinlegen.
Als sie den Autoschlüssel aus der Jeanstasche zieht, geht so plötzlich und unerwartet die Schiebetür eines neben ihrem Kleinwagen parkenden VW-Busses auf, dass sie zusammenzuckt. Bevor sie auch nur ansatzweise reagieren kann, werden ihre Arme und ihr Oberkörper von hinten fest umschlungen, während sich gleichzeitig eine große Hand über ihren Mund legt. Der Autoschlüssel fällt auf den Boden, als sie rückwärts in den Bus gezogen wird. Es geht alles rasend schnell. Keiner sagt ein Wort, ihr Zappeln und ihr ersticktes Wimmern werden ignoriert. Die Schiebetür schließt sich mit einem durchdringenden Klick.
„Hinknien“, knurrt eine tiefe Männerstimme an ihrem Ohr. Gleichzeitig wird sie runtergedrückt, der Motor springt an und der Bus fährt los.
Michelle hat keine Chance, sich zu wehren. Stocksteif verharrt sie in dem Zwangsgriff und ihr Herz donnert wie ein Presslufthammer in der Brust.
Erst nach einigen Minuten ist der Schock so weit überwunden, dass ihre Gehirnzellen wieder arbeiten. Es muss ein kräftiger Mann sein, der sie umklammert. Er sitzt auf der Bank hinter ihr und hält sie zwischen seinen gespreizten Beinen gefangen. Sie hat Panik, nicht genug Sauerstoff zu bekommen, doch trotz ihrer Gegenwehr bewegen sich seine Arme und Hände keinen Millimeter. Todesangst will ihre Gedanken lähmen, und sie konzentriert sich darauf, ihre Umgebung zu betrachten, um nicht völlig auszuflippen. Von draußen kann sie nicht viel sehen, sie weiß also nicht, wohin sie fahren. Ein zweiter Mann steuert den Bus. Daneben sitzt noch einer, ein älterer mit grauen Schläfen in einem karierten Flanellhemd. Es riecht nach Holz und Leim, gemixt mit einem Hauch Aftershave von dem Typen, der sie hält, einem angenehmen Aftershave, was ihr in diesem Moment völlig widersinnig vorkommt.
Sie wird entführt! Die Erkenntnis presst ihre Lungenflügel noch mehr zusammen und kalter Angstschweiß bildet sich auf ihrer Stirn.
„Bleib ruhig, dir passiert nichts“, sagt ihr Peiniger. „Wir unterhalten uns nur ein wenig, dann kannst du wieder nach Hause fahren.“ Seine Stimme ist tief und drohend. Er knurrt mehr, als dass er redet, und seine Worte tun alles andere, als sie zu beruhigen.
Sie schnauft laut durch die Nase und hat immer mehr Angst, zu ersticken. Die Kopfschmerzen dröhnen wie Hammerschläge unter ihrer Schädeldecke.
Sie halten anscheinend an einer Ampel, denn der Motor bleibt an. Der Fahrer dreht sich nach hinten und sie kann in sein Gesicht sehen. Er wirkt relativ jung, hat blonde Haare und kein typisches Verbrechergesicht, eher das eines charmanten Frauenverstehers. „Gib ihr etwas mehr Sauerstoff, Logan“, sagt er trocken, „dann wird sie sich schon beruhigen.“
Die Hand über ihrem Mund löst sich etwas und Michelle schnappt keuchend nach Luft. Unwillkürlich will sie aufspringen, doch sie hat natürlich immer noch keine Chance.
„Halt still, verdammt“, knurrt es wieder an ihrem Ohr. Er nimmt die Hand von ihrem Mund, dafür liegt sie nun locker, aber äußerst bedrohlich, an ihrer Kehle. Dem Geräusch nach fahren sie auf die Autobahn, und Michelle ist klar, dass es sinnlos wäre, um Hilfe zu schreien. Nun wird es dunkel. ES hört sich an, als ob sie den Elbtunnel durchqueren. Die Hammerschläge in ihrem Kopf foltern sie nun mit kontinuierlicher Gleichmäßigkeit.
„Was wollt ihr von mir?“, wagt sie zu fragen, und ihre Stimme ist vor lähmender Angst fast tonlos.
„Nur reden, wie ich schon sagte. Kein Grund zur Panik“, antwortet der Typ, der sie hält und von dem anderen Logan genannt wurde. Die beiden auf den Vordersitzen unterhalten sich leise, aber sie versteht ihre Worte nicht. Der Ältere hat Musik angeschaltet. Musik! Was für eine bizarre Situation! Mittlerweile scheint die Sonne wieder durch die Scheiben und ihre Knie auf dem harten Boden schmerzen immer stärker. Sie hört, wie der Blinker gesetzt wird. Anscheinend verlassen sie die Autobahn. Michelle stöhnt und versucht, eine etwas bequemere Position zu finden.
„Hör auf zu zappeln, es dauert nicht mehr lange“, brummt Logan, aber sie fahren gefühlte endlose Ewigkeiten lang weiter. Michelles Beine zittern. Sie will nicht, aber ihr Oberkörper kann sich nicht mehr aufrecht halten, und sie lehnt sich schwer in den sie umschlingenden Arm des Arschlochs, der ihr keinen Zentimeter Bewegungsfreiheit zugesteht. Gleich wird ihr Schädel platzen, dann ist sowieso alles egal.
Der Bus wird langsamer, scheint nun einen unebenen, holprigen Weg entlangzufahren. Dann endlich hält er an und der Motor geht aus. Michelle durchfährt ein fieser Schreck. Sie hat aus den Augenwinkeln Bäume gesehen. Sie müssen weit aus der Stadt hinausgefahren sein. Was werden sie jetzt mit ihr tun?
„Aufstehen“, knurrt es hinter ihr, und sie will sich steif machen, aber das ist natürlich vollkommener Blödsinn. Unnachgiebig zieht der Mann sie mit hoch, die Schiebetür geht auf und sie wird nach draußen gehoben. Ihre Füße finden Halt, aber nach dem langen Knien braucht sie einen Moment, um stehen zu können. Der junge Typ, der gefahren ist, stellt sich rechts neben sie und packt ihren Oberarm, während ihr Peiniger links auftaucht und sie dort festhält. Sie wirft einen kurzen Blick zur Seite und zuckt unwillkürlich zurück. Er ist so groß und breit wie ein Profiboxer und sein Gesichtsausdruck mehr als grimmig. Die beiden Typen stützen sie, bis sie endlich sicher aufrecht steht, und schon fährt ihr ein neuer Schreck wie ein Blitzschlag durch den Körper. Ihr eigenes Auto rollt heran, wird neben dem Bus geparkt, das Motorengeräusch stirbt und Tyler steigt aus.
„Du?“, keucht sie fassungslos und bäumt sich auf, ohne sich von ihren Aufpassern befreien zu können. „Was willst du? Was soll das?“
„Das wirst du gleich erfahren“, antwortet er knapp und dreht sich weg. Er trägt ein enges, schwarzes T-Shirt über seinem kräftigen Körper, und seine Tattoos wirken in diesem Moment so bedrohlich auf Michelle als wären sie Waffen, die er offen am Körper trägt. Sein hartes Gesicht zeigt nicht den kleinsten Ansatz von Freundlichkeit. „Steven sagt, es hat niemand was gesehen“, erzählt er den anderen.
„Kommt er jetzt her?“, fragt der Ältere, der mittlerweile hinter Michelle und ihren beiden Aufpassern steht.
„Nein, er ist in sein Büro gefahren, nachdem er sicher war, dass niemand Alarm geschlagen hat und wir ihn nicht mehr brauchen.“
Michelle kapiert, dass es noch einen Komplizen geben muss, der anscheinend den Parkplatz beobachtet hat, um zu sehen, ob es Zeugen ihrer Entführung gab. Doch keiner hat was gesehen. Niemand wird die Polizei rufen. Ihr Blick verschwimmt, und sie beißt die Zähne zusammen, um nicht laut zu schluchzen.
Tyler beachtet sie gar nicht. Er läuft los, und die anderen beiden Typen halten sie weiterhin an ihren Oberarmen fest, sodass sie zwischen ihnen hinter Tyler herlaufen muss. Jeder Schritt tobt als Dröhnen in ihrem Gehirn.
Mit gehetzten Blicken sieht sie sich um. Es ist ein Hof, ein landwirtschaftlicher Betrieb oder eine Reitschule. Pferde laufen frei auf einer Weide, ein paar Hühner picken, unbeeindruckt vom Geschehen, auf einem Rasen neben einem alten Bauernhaus nach Regenwürmern und irgendwo grunzt ein Schwein.
Vögel singen und im Stall bellt ein Hund. Es muss ein großer Hund sein, denn das Bellen hört sich bedrohlich tief und dröhnend an.
Tyler öffnet die Nebentür einer Scheune, die Männer schieben sie hinein und er schlägt scheppernd die Tür hinter ihnen wieder zu. Michelle zuckt erschrocken zusammen. Die Griffe um ihre Oberarme werden locker, doch ihr ist klar, dass jeder Fluchtversuch gegen vier große, kräftige Männer zum Scheitern verurteilt ist. Sie führen sie in der schattigen Kühle der großen Halle durch einen Bereich, der wie eine Tischlerwerkstatt eingerichtet ist. Deswegen also der Geruch in dem alten Lieferwagen. Sie hat den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da legt sich eine eiserne Faust um ihr Herz. Vor ihr stehen, in einer Art Ausstellungsfläche, die typischen Möbel eines SM-Studios. Alles wirkt sehr luxuriös und besteht aus schwerem dunklen Holz, mit goldenen Nieten befestigten Lederpolstern, soliden dicken Metallringen und Ketten. Ihr Blick bleibt an einem gewaltigen Andreaskreuz an der gegenüberliegenden Wand kleben. Es wirkt, als hätte es eine Zeitreise hinter sich und wäre direkt aus einem mittelalterlichen Folterkeller importiert worden. Ihr Körper versteift sich. „Nein“, keucht sie panisch.
Die Männer beachten ihre Gegenwehr nicht. Sie zwingen sie, sich auf einen Hocker vor die Längsseite eines massiven langen Tisches zu setzen, an dessen Kantenverlauf ebenfalls mehrere schwere metallene Ringe eingearbeitet sind.
Tyler kommt mit gepolsterten, ledernen Manschetten und Ketten zu ihr. Wieder dringt ein panisches Keuchen aus ihrer Kehle und sie versteift sich, doch die Männer sind gnadenlos. Sie halten ihre Arme, damit Tyler ihre Handgelenke an jeweils einen Eisenring am Tisch fesseln kann. Ihre Hände werden ungefähr einen Meter weit voneinander entfernt fixiert, sodass ihre Arme zwar nicht schmerzhaft gedehnt werden, sie aber auch nichts anfassen kann.
„Mach mich los! Ich will das nicht!“, kreischt Michelle und zappelt, doch die Männer bleiben völlig gelassen.
„Hör auf, auszuflippen“, sagt Tyler fast gelangweilt, „dich hört hier sowieso niemand und wir tun dir nichts. Je eher du bereit bist, mit uns zu reden, desto eher kannst du in dein Auto steigen und wieder nach Hause fahren.“ Wie zum Beweis seiner Ehrlichkeit lässt er ihren Autoschlüssel vor ihr auf die Tischplatte fallen.
Michelle zuckt zusammen und starrt auf das kleine silberne Herz, den Schlüsselanhänger, den Patrick ihr zusammen mit dem Auto vor zwei Jahren geschenkt hat. Was soll das? Sie schluckt, hebt den Kopf und sieht von einem zum anderen.
Tyler steht mit verschränkten Armen auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches, seine drei Komplizen haben sich rechts und links an die Wände gelehnt. Ihr Herzschlag rast, während ihr Blick von einem zum anderen springt. Die Mienen der Männer sind ausdruckslos. Michelle konzentriert sich auf Tyler. Er kann ihr doch nichts tun! Wer BDSM praktiziert, hält sich an einen Kodex. Er hat sie nach der Session im Arm gehalten, als sie völlig wehrlos war, da kann er doch jetzt nicht brutal werden. Verdammt!
Sie räuspert sich und strafft sich innerlich. „Was wollt ihr von mir?“, fragt sie mit fester Stimme.
Er nickt knapp, tritt kurz zur Seite und kommt mit einer Mappe in der Hand zurück, die er auf die Tischplatte legt, bevor er sich auf einen Stuhl ihr gegenübersetzt.
„Seit wann bist du mit Patrick van Hoogemaan verheiratet?“
Patrick? Es geht um ihren Mann? Verdammt, wenn doch wenigstens das Dröhnen in ihrem Kopf aufhören würde! Sie runzelt die Stirn. „Warum willst du das wissen?“
„Antworte“, motzt er und sie zuckt zusammen.
Heißer Zorn explodiert in ihrem Bauch. Wieso wagt dieser arrogante Arsch es, so mit ihr zu reden? „WARUM?“
Seine Augen werden schmal und er beugt sich vor. „Möchtest du gerne nackt am Kreuz hängen?“
Sie starrt ihn an, fassungslos und umgehend wieder panisch vor Angst. „Rot“, flüstert sie, ballt die Hände zu Fäusten und zerrt an den Fesseln. Die Ketten klirren. „Das hier ist weder freiwillig noch einvernehmlich.“
Seine Lippen verziehen sich zu einem fiesen, gemeinen Knurren. „Sex mit Kindern auch nicht.“
„Was?“
Logan räuspert sich. „Ty.“
„Schon gut“, winkt Tyler ab und schlägt die Mappe auf. Er holt ein Foto heraus und legt es vor Michelle auf den Tisch. „Schon mal gesehen?“
Sie starrt darauf. Das Bild zeigt ein vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre altes blondes Mädchen, das fröhlich in die Kamera lächelt.
„Nein. Warum sollte ich?“
„Das ist Sandra. Schau genau hin, du hast sie sicher schon mal gesehen, wenn nicht in natura, dann bestimmt in einem netten Porno.“
Das letzte Wort spuckt er dermaßen verächtlich aus, dass Michelle erneut zusammenzuckt. Sie schüttelt den Kopf. „Nein! Was redest du da? Das ist doch Schwachsinn!“
Tyler lehnt sich zurück, faltet die Hände auf dem Tisch und forscht konzentriert in ihrer Miene. Michelle hält sich gut. Sie zeigt die gleiche Art von Stolz und Mut, wie während ihrer gemeinsamen Session im Club, obwohl die Situation hier sie garantiert massiv einschüchtert, was ja auch Zweck der Aktion ist. In seinem Schwanz sammelt sich heißes Blut, und das ärgert ihn. Er will nicht, dass ihn eine Frau erregt, die einen Scheiß-Kindervergewaltiger deckt.
Sie ist blass und hat dunkle Ränder unter den Augen. Das ist Angst. Ja, verdammt, sie soll Angst vor ihm haben. Fuck! Sie wird es nicht vor ihm verbergen können, wenn sie etwas weiß. Dafür hat er während der Jahre als Cop in New York zu viele Verbrecher verhört. Ihm macht keiner mehr was vor, und schon gar nicht eine sture Ziege, wie sie es ist. Ohne sie aus den Augen zu lassen, beginnt er, zu reden. „Die kleine Sandra hat übers Internet jemanden kennengelernt und sich verliebt. Als sie den vermeintlich gleichaltrigen Jungen das erste Mal traf, stellte sie fest, dass er rund zwanzig Jahre älter war als sie. Sie konnte seiner väterlichen Dominanz nicht widerstehen und schließlich zwang er sie unter Drogeneinfluss zu Sex und Filmaufnahmen, mit denen er ihr Schweigen und weiteres Mitwirken erpresste, bis sie keinen anderen Ausweg mehr wusste, als sich umzubringen.“
Michelle starrt auf das Foto. Ihre Unterlippe bebt, und an ihrer Kehle ist zu erkennen, dass sie schluckt. „Warum erzählst du mir das?“
Er hebt die Mappe an und lässt die kopierten Blätter mit der Kinderschrift über seinen Zeigefinger springen. „Sandra hat Tagebuch geführt, sie hat alles aufgeschrieben, und zwar so genau, dass man den Typen aufgrund ihrer Aufzeichnungen einsperren wird.“
Ihr Blick zuckt von der Mappe weg und sie sieht Tyler in die Augen. „Das ist gut. Aber ich weiß immer noch nicht, was das mit mir zu tun hat.“
„Sicher?“
Sie runzelt die Stirn. „Was soll das? Was willst du? Mach’s nicht so spannend, verdammt!“ Wieder zerrt sie an den Fesseln, gibt auf und presst die Lippen zusammen.
„Sandra hat in ihr Tagebuch geschrieben, dass der Mann beim Sprechen die Worte komisch betont hat und …“, er holt ein weiteres loses Blatt aus der Mappe und legt es langsam neben das Foto, „… und Sandra konnte sehr gut zeichnen.“
Michelle zuckt deutlich zurück und keucht auf, während sie die Zeichnung anstarrt, als würde ihr eine giftige Schlange daraus entgegenzischen.
„Gut gelungen, nicht wahr?“, fragt Tyler mühsam beherrscht. „Es gibt noch mehr davon, viele schöne Zeichnungen.“ Am liebsten will er aufspringen und sie schütteln. Diese arrogante Schnepfe soll aufhören, so ahnungslos zu tun, sie weiß doch ganz genau, worum es geht! Wenigstens kann sie ihren Schreck nicht verstecken. Ihre Unterlippe zittert wie Porky, wenn er im Winter in die Elbe gesprungen ist.
„Das … das … Was … ich verstehe nicht …“
„Fuck!“ Jetzt springt er wirklich auf, beugt sich nah vor ihr Gesicht und sie zuckt zurück. „Du kannst dir sparen, das naive dumme Weibchen zu spielen, Michelle van Hoogemaan. Wir wissen beide, wer das ist.“
Sie schüttelt wild den Kopf. „Das kann nicht sein. Das sieht ihm ähnlich, aber das ist nicht mein …“
Mit einer schnellen Handbewegung unterbricht er sie. „Hör zu. Du hast jetzt die Chance, gegen deinen Ehemann auszusagen. Dann kommst du selbst mit einem blauen Auge davon. Schweigst du weiterhin, wanderst du mit ihm in den Knast.“
Ihr Gesicht wird kalkweiß. „Das kann nicht sein. Patrick würde so was niemals tun.“
„Hör auf, mir was vorzuspielen“, zischt er und sie presst die Lippen zusammen. Eine gefühlte Ewigkeit ist es so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel auf den Boden fallen hören könnte.