Club Noir: Blutnächte

Erschienen: 12/2007
Serie: Club Noir
Teil der Serie: 2

Genre: Fantasy Romance

Location: Belgien, Brüssel

Seitenanzahl: 180 (Übergröße)

Hörprobe: Reinhören

Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-93828-139-0
ebook: 978-3-86495-005-6

Preis:
Print: 14,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

Erhältlich bei u.a.:

und allen gängigen Onlinehändlern und im Buchhandel

Club Noir: Blutnächte


Inhaltsangabe

Andrew McCloud, dem bislang die Führung der Brüsseler Vampir-Bar „Club Noir“ oblag, übergibt die Leitung des Clubs dem mächtigen Vampir Pascal. Insgeheim belächelt Pascal Andrews Liebe zu einer Frau, denn er selbst hält sich Frauen gegenüber für gefühlskalt. Das ändert sich allerdings, als die temperamentvolle Psychologie-Studentin Isabella auf den Spuren des Vampir-Mythos im „Club Noir“ auftaucht. Sie gerät in die Fänge des verräterischen Vampirs Pierre, der Andrews Abwesenheit für seine düsteren Spiele nutzt. Nicht genug, dass Isabella plötzlich zum Auslöser eines Machtkampfes wird, obendrein muss sie sich eingestehen, wie sehr sie sich doch von der Nacht – vor allem aber von Pascal – angezogen fühlt ...

Die Fortsetzung von "Club Noir" und "Michelles Verführung".

 

Über die Autorin

Emilia Jones ist das Pseudonym der Autorin Ulrike Reineke. Die Autorin, Jahrgang 1978, ist bis heute wohnhaft in der niedersächsischen Kleinstadt Gronau (Leine). Sie ist gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte und arbeitet in der technischen Abteilung einer Zeitung. Seit März 2004...

Weitere Teile der Club Noir Serie

Leseprobe

Szene 1

Pascals Körper vibrierte. Er spürte, wie sich ein immer intensiver werdendes Hämmern durch seinen Brustkorb zog. Es lähmte ihn auf unerklärliche Weise. Und als er schon glaubte, es könnte gar nicht mehr schlimmer kommen, krümmte er sich vor Schmerz zusammen. Ein heftiger Krampf ergriff Besitz von ihm.
Der Morgen war angebrochen. Obwohl Pascal in seinem düsteren Versteck keinen Sonnenstrahl sehen konnte, wusste er es. Er erlebte den Anbruch des Tages wie nie zuvor. Denn für gewöhnlich befand er sich zu diesem Zeitpunkt längst in einem tiefen Schlaf. Nicht aber an diesem Morgen.
Das Verlassen Isabellas quälte ihn. Er fühlte...

...ihre Angst und die aufkommende Panik, die sie nervös nach ihren Sachen greifen ließ. Sie konnte den Club gar nicht schnell genug wieder verlassen. Als die Tür schließlich hinter ihr ins Schloss fiel, sank Pascal in sich zusammen. Die Anspannung verflog jäh. Zurück blieb der Geschmack einer unerklärlichen Macht.
Pascal blieb eine Weile still liegen und starrte in die Dunkelheit. Er hatte auf sein Versteck in einer kleinen Kammer, direkt neben dem Schlafzimmer, zurückgreifen müssen. Ein unbequemer Ort mit nicht viel mehr Mobiliar als einem Bett und einem winzigen Schrank.
Viel lieber wäre er allerdings auf der anderen Seite der Tür gewesen, um Isabella am Gehen zu hindern. Wie hatte er nur so verrückt sein können und hoffen, sie würde freiwillig bleiben und auf ihn warten? Er verstand sich selbst nicht. Seine Gefühle. Vor allem aber diese merkwürdigen Körperreaktionen seit dem Sex mit Isabella. Etwas Ähnliches hatte er bei keiner Frau zuvor verspürt.
War es das, was Andrew so verändert hatte?
Er musste sich ganz einfach dagegen wehren. Verflucht sollte er für seine Schwäche sein!
Er war ein mächtiger Vampir, der alles haben konnte, was er nur wollte. Diese Frau – Isabella – spielte keine Rolle. Sie war nur eine ganz gewöhnliche Frau. Nichts Besonderes. Das sagte Pascal sich immer und immer wieder, bis er schließlich doch noch seinen tiefen, todesgleichen Schlaf fand.

****

Verwirrt stolperte Isabella durch die Straßen. Sie versuchte sich an das zu erinnern, was vor ihrem Aufenthalt in dem Vampir-Club geschehen war. Es schien in so weiter Ferne zu liegen, dass sie es kaum greifen konnte.
Louisa. Hatte die Freundin sie nicht davor gewarnt, dorthin zu gehen?
Isabella fragte sich, wie spät es eigentlich war. Sie hatte für diesen Tag gewiss schon eine oder mehrere Vorlesungen verpasst. Louisa würde sich vermutlich Sorgen machen.
Vor der Tür einer Apotheke entdeckte sie eine digitale Uhrzeitangabe. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, wie schwer der Kopf auf ihren Schultern lastete. Alles dröhnte und rauschte. Sie fühlte sich sogar ein wenig benommen. Dennoch registrierte sie die Uhrzeit: 8.35 Uhr. Überraschend früh, wie sie sich selbst eingestand. Dann ging sie weiter, ohne in der Apotheke nach einem Medikament zu fragen. Was hätte sie auch verlangen sollen? Ein Anti-Vampir-Serum? Man hätte sie ausgelacht. Ganz sicher.
Wenige Augenblicke später erreichte Isabella ihre Wohnung. Automatisch fischte sie ein Werbeprospekt aus dem Briefkastenschlitz und klemmte es sich unter den Arm. In ihrer Handtasche wühlte sie nach dem Schlüssel. Ein kurzer Schreck durchfuhr ihre Glieder, als sie ihn nicht auf Anhieb fand. Doch schließlich stießen ihre Finger gegen das erlösende Metall. Sie schloss auf, stieg die wenigen Treppenstufen empor und öffnete die Tür zu ihrer Wohnung. Im Flur wäre sie beinahe zusammengebrochen. Taumelnd, mit der Wand als Stütze, erreichte sie ihr Wohnzimmer und ließ sich der Länge nach auf das Sofa fallen.
Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Die Bilder in ihrem Kopf würden sie noch in den Wahnsinn treiben. Immer wieder schob sich dieser blonde Verführer in ihre Gedanken. Sie wusste nicht, wie sie eigentlich in seine Arme geraten war. Doch sie spürte, wie sehr sie seine Berührungen genossen hatte. So sehr, dass sie am liebsten an gar nichts anderes mehr denken wollte.
Wie primitiv du bist, schimpfte sie sich selbst!
Und doch seufzte sie und schlang die Arme energisch um eines der Sofakissen, als sie nun so da lag und vor sich hin schlummerte.

***

Gegen Mittag wurde sie von einem permanenten Klingeln, begleitet mit stürmischen Klopfen an ihrer Tür, in die Realität zurückgeschleudert.
„Isabella! Mach doch endlich auf! Ich weiß, dass du da drin bist! Man hat dich reingehen sehen!“
Louisa?
Isabella kämpfte sich vom Sofa hoch. Für einen grauenhaften Moment glaubte sie, ihr Kopf würde nun endgültig zerspringen. Dann stand sie auf den Füßen. Blinzelnd betrachtete sie ihr Umfeld.
„Isabella!“
Das Klingeln stach wie ein Messer auf ihren Schädel ein.
„Verdammt noch mal“, fluchte sie. „Ich komme ja schon!“
Sie stolperte zur Tür. Dabei knickte sie um und schimpfte nur noch mehr vor sich hin. Ihre Füße steckten nach wie vor in den hochhackigen Schuhen, die sie nun wütend in die Ecke schleuderte. Endlich erreichte sie die Klinke und drückte sie hinunter. Sogleich wurde die Tür von außen mit einem derartigen Ruck aufgerissen, dass es Isabella beinahe erneut umhaute. Sie sprang zurück und starrte Louisa mit weit aufgerissenen Augen an.
„Bist du verrückt geworden?!“
Louisa legte den Kopf schief und betrachtete ihre Freundin abschätzend. „Das fragst du mich? Was ist eigentlich los mit dir?“
„Was soll schon mit mir los sein? Gar nichts.“ Isabella wandte sich ab. Sie verspürte auf einmal den Drang, sich ablenken zu müssen. Sich mit irgendetwas zu beschäftigen. Nur reden wollte sie nicht. Daher marschierte sie schnurstracks in die Küche. Sie räumte einige Geschirrstücke aus vollkommen undurchsichtigen Gründen von einem Fleck zum anderen.
Louisa war ihr währenddessen gefolgt, lehnte nun im Türrahmen und beobachtete Isabella. Diese griff nun nach der Kaffeekanne und füllte sie mit Wasser.
„Möchtest du auch?“, fragte sie, ohne aufzusehen. „Ich könnte jetzt einen vertragen.“
„Isa“, ihre Freundin seufzte, „ich sag’s dir nicht gerne, aber du siehst schrecklich aus. Was ist passiert?“
Anstatt endlich von dem Club und den Vampiren zu erzählen, wich Isabella jedoch erneut aus. „Ich weiß nicht, was du meinst. Ich war auf einer Feier. Ist spät geworden. Und ich hab bis eben geschlafen.“ Sie nahm einen Kaffeefilter aus einer Halterung an der Wand. „Auf dem Sofa.“
„Auf dem Sofa? In den Klamotten?“
„Ja.“
„Und die Nacht davor?“
Isabella nahm eine Metalldose von ihrem Küchenregal und schaufelte daraus das Kaffeepulver in die Maschine.
„Da haben wir doch gelernt“, gab sie tonlos zur Antwort.
„Nein.“ Louisa schüttelte den Kopf. „Das war vor zwei Nächten.“
Mit einem Mal wurde es Isabella schwindelig. Die Metalldose wäre ihr beinahe aus den Händen geglitten und zu Boden gefallen. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie suchte an der Kante der Arbeitsfläche nach einem Halt, da sie fürchtete, ohnmächtig zu werden.
„Vor zwei Nächten?“
Im nächsten Moment war Louisa an ihrer Seite. Vorsichtig streckte sie eine Hand nach der Freundin aus.
„Alice hat mir ziemlich wirres Zeug erzählt. – Von dem Club, in dem sie dich angeblich gesehen hat. Sie meinte, die Leute da würden dich umbringen. Aber sie sagte auch, dass wir nicht zur Polizei gehen dürften, weil diese Leute uns dann ebenfalls umbringen würden.“ Louisa wirkte verzweifelt. „Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. Ich wäre heute Nacht selbst in den Club gegangen, wenn ich dich nicht gefunden hätte.“
Viel länger konnte Isabella nicht an sich halten. Sie fiel ihrer Freundin einfach in die Arme.
„Tut mir leid“, nuschelte sie.

***

Isabella konnte sich ihr gestörtes Zeitverhältnis nur durch Drogeneinfluss erklären. Der erste Vampir musste ihr schon an der Bar etwas in ihr Getränk gemischt haben. An die darauffolgenden Geschehnisse erinnerte sie sich lediglich vage. Er hatte versucht, ihren Willen zu brechen, und er hatte von ihrem Blut getrunken. Wie auch der Blonde. Allerdings auf eine ganz andere Weise. Sie gestand sich ein, dass sie sich gegen Letzteren vermutlich nicht einmal unter vollem Bewusstsein ihrer Handlungen gewehrt hätte.
Sie wünschte sich nichts mehr, als ein besseres Bild von ihm in ihrem Kopf. In Wahrheit war es unheimlich verschwommen.
Seufzend stützte sie ihr Kinn in der Handfläche ab. Mittlerweile saßen Louisa und sie am Küchentisch und tranken Kaffee. Vorher hatte sich ihre Freundin auf den Weg gemacht, um Brötchen und Croissants zu holen. Sie befand, dass Isabella endlich etwas essen musste. Doch diese nagte nur sparsam wie eine Maus an einem der Croissants.
„Drogen also?“ Louisa zog die Nase kraus. „Das ist ja furchtbar. Du solltest sie anzeigen.“
„Nein.“ Isabella winkte ab. „Ich habe sie ja auch genommen. Ich bin genauso Schuld.“
Sie hatte keine Ahnung, aus welchem Grund sie Louisa anlog. Aber sie wusste, dass es besser war, die Wahrheit für sich zu behalten.
Vampire!
Ein irrsinniges Lächeln schlich sich in Isabellas Züge. Sie hatte sie also tatsächlich gefunden. Diese Wesen der Nacht. Düstere Gestalten, denen sie nur um ein Haar entkommen war. Oder hatte der Blonde sie absichtlich wieder laufen lassen?

Szene 2

Alice saß hilflos in der Falle. Ihr Peiniger war ein Vampir. Ein mächtiger seiner Art. Unter anderen Umständen hätte sie sich ganz sicher zu ihm hingezogen gefühlt. Selbst in ihrer momentanen Lage musste sie sich eingestehen, dass sie ein wohliges Kribbeln nicht vollkommen unterdrücken konnte. Eine kühle Eleganz umgab ihn. Er durchbrach die Finsternis auf eine Weise, die ihr einen Schauder über den Rücken jagte. Sein scharf geschnittenes Gesicht zeigte oftmals einen strengen Ausdruck. Sie hatte ihn nie ausgelassen oder scherzend erlebt. Nie hatte er sich kopflos in all die Vergnügen des Club Noir gestürzt. Stets blieb er ernsthaft und beherrscht. Er war einer von den Vampiren, die selbst seinesgleichen Furcht einflößten. Wozu war dieses Wesen wohl alles fähig?
Alice mochte gar nicht daran denken, warum er Isabella so dringend finden wollte. Sie suchte händeringend nach einem Ausweg. Aber sie fand keinen. Ausgenommen den, sich selbst zu opfern und ins Verderben zu stürzen. Diesen Schritt war sie jedoch nicht bereit zu tun. Da gab es ein gewisses Maß an Egoismus, das ihr sagte, sie sollte lieber ihre eigene Haut retten.
Isabella war den Klauen der Vampire schon einmal entkommen. Sie würde es sicher wieder schaffen. Zumindest beruhigte Alice mit diesem Gedanken ihr Gewissen, während sie an der Seite von Pascal die Straßen von Brüssel durchquerte.
Passanten kreuzten ihren Weg, und mehr als einmal war Alice versucht, sie um Hilfe anzuflehen. Aber vermutlich hätten die Menschen sie nur ausgelacht. So ging sie schweigend weiter. Sie führte den Vampir zu der ahnungslosen Isabella.
Alice seufzte.
Arme Isabella!
Pascal blickte sie von der Seite an, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Wieder durchströmte es sie heiß und kalt. Sie wusste nicht, ob er womöglich über diese Fähigkeit verfügte.
Er schmunzelte wie zur Bestätigung.
„Wie weit ist es noch?“, durchbrach Pascal das Schweigen. Er hatte alle Mühe, seine Abscheu für diese törichte Blondine zu verbergen. Sie verriet ihre Freundin, um ihre eigene Haut zu retten. Und ganz nebenbei begaffte sie ihn permanent wie eine fleischgewordene Frauenfantasie. Bevor er sich jedoch fragen konnte, warum er sich daran mit einem Mal störte, blieb Alice abrupt stehen.
„Eigentlich ...“, sie stockte und hüllte sich erneut in stummes Verharren.
Pascal wartete seelenruhig ab. Sein frostiger Blick würde das Übrige tun, um sie zitternd vor Angst zum Reden zu bringen.
Doch es geschah gar nichts. Sie starrte einfach nur auf eine Häuserfront auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Schließlich konnte Pascal nicht mehr an sich halten. Am liebsten hätte er sie gepackt und geschüttelt, begnügte sich jedoch mit einer schlichten Nachfrage.
„Eigentlich was?“
Alice schluckte.
„Eigentlich sind wir fast da.“ Sie hob eine Hand und deutete mit dem Zeigefinger voraus. „In dem Haus. Eine Parterre-Wohnung mit Terrasse und einem kleinen Gartenstück auf der anderen Seite.“ Alice konnte nicht sagen, aus welchem Grund diese Informationen willenlos aus ihr heraussprudelten. Natürlich wies sie Pascal damit eine Möglichkeit, die er sogleich aufgriff.
„Das erleichtert die Sache erheblich.“ Er war wild entschlossen, über die Terrasse in Isabellas Wohnung einzusteigen.
„Du wirst ihr doch nichts tun?“, platzte es aus Alice heraus, als wäre ihr der Gedanke gerade erst gekommen.
„Nein.“ Mit diesem schlichten Wort ließ er sie einfach stehen. Wenn er wollte, konnte er sich so schnell bewegen, dass menschliche Augen ihn nicht wahrnahmen. Auf eben diese Art entfernte er sich von ihr.
Im nächsten Moment hatte er ihre Existenz auch schon vergessen. Alles, was er spürte, war die Gegenwart von Isabella. Sie hielt sich in ihrer Wohnung auf. Sie war ihm so unglaublich nahe, dass die Erinnerung an ihren Körper auf seiner Haut brannte.
Kurz verwünschte er sich für die Schwäche, die sie in ihm auslöste. Dann schlüpfte er mit einem seiner vampirischen Tricks durch die Terrassentür in die Wohnung.

***

Isabella musste nicht lange warten. Louisa meldete sich gleich nach dem zweiten Klingelton am anderen Ende der Telefonleitung. Sie tat, als hätte sie bereits mit dem Anruf der Freundin gerechnet. Ihre Besorgnis war überpräsent, so dass Isabella am liebsten gleich wieder aufgelegt hätte. Sie wollte ein unbefangenes Gespräch führen. Doch Louisa erdrückte sie mit ihrer Fürsorglichkeit.
„Ich hätte gleich bei dir bleiben sollen“, ereiferte sie sich. „Wie konnte ich dich nur alleine lassen? In deinem Zustand.“
„Du tust ja gerade so, als wäre ich sterbenskrank.“ Isabella sank verzweifelt in ihr Sofa zurück. Sie hielt den Hörer zwischen ihrem Ohr und der Schulter eingeklemmt. „Es ist alles in Ordnung. Wirklich.“
Louisa schwieg für einen kurzen Moment.
„Du rufst an, um mir das zu sagen? Dass alles in Ordnung ist?“ Sie schnappte nach Luft.
Isabella seufzte. „Bitte, mach dir keine Sorgen. Ich wollte nur mit irgendjemandem sprechen.“
„Irgendjemand“, wiederholte Louisa. Sie klang beleidigt.
Noch während Isabella sich fragte, was ihre Freundin eigentlich von ihr erwartete, verlangte etwas ganz anderes nach ihrer Aufmerksamkeit. Plötzlich erstarrte sie vor Schreck. Ihr Herzschlag schien kurz auszusetzen. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht, bis sie beinahe wie eine kalkweiße Statue wirkte. Bewegungsunfähig starrte sie den Eindringling an.
Da war er. Der Blonde.
„Isabella?“
Sie hatte gar nicht bemerkt, wie ihr der Hörer aus der Hand gefallen war. Nervös griff sie ihn wieder auf.
„Ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich später wieder.“
Entgegen Louisas lautstarken Protestes legte sie auf. Sie starrte den Eindringling an.
Er kam aus seinem düsteren Versteck gekrochen und richtete sich direkt vor ihr zu seiner vollen, atemberaubenden Größe auf. Seine eisblauen Augen blitzten. Sie durchbohrten Isabella bis auf den Grund ihrer Seele. Es nötigte ihr ein Schaudern ab.
Umschmeichelt wurden seine markanten Gesichtszüge von den Strähnen seines langen blonden Haars. Sie wehten leicht in dem Wind, der durch ein offenes Fensters in das Zimmer strömte.
Genauso hatte Isabella ihn sich vorgestellt. Es war wie ein Traum, aus dem sie niemals erwachen wollte. Sie wünschte sich so sehr, dass er sie augenblicklich an sich riss, ihren Oberkörper zurückbog, um sanft ihre Kehle entlangzustreichen und sie zu küssen. Vielleicht würde er sie beißen. Das war ihr allerdings vollkommen gleichgültig. Allein der Gedanke, die Hitze der Lust mit ihm gemeinsam zu spüren, beflügelte sie, und ließ sie alles andere vergessen.
„Nimm mich!“, wollte sie ihm entgegenschreien, wurde sich aber im gleichen Moment ihres lächerlichen Verhaltens bewusst. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, als hätte sie tatsächlich etwas dergleichen gesagt.
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Seine Stimme klang sanft. Sie schmeichelte ihrem Gehör. Dazu bewegte er sich vorsichtig auf sie zu. Wie eine Raubkatze. War sie etwa seine Beute?
Erschrocken keuchte Isabella auf. Mit einem Satz sprang sie vom Sofa und brachte eine angemessene Entfernung zwischen sich und ihn. So leicht würde sie es ihm nicht machen! In der Opferrolle gefiel sie sich ganz und gar nicht.
Er blieb stehen. Ruhig wartete er ab, was sie als nächstes tun würde. Doch auch sie hielt inne – und so standen sie sich eine Weile lauernd gegenüber. Beide versuchten den anderen einzuschätzen.
„Warum folgst du mir?“, platzte es schließlich aus ihr heraus. Sie hatte die Stille nicht länger ertragen können. Rückwärts stolperte sie in eine Ecke des Raumes. Gefangen in ihrem eigenen Unterschlupf fühlte sie sich wie ein Tier in der Falle. Hilflos. Ein leises Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Ihre Beine knickten ein, und sie sank ganz plötzlich zu Boden. Wie ein Häufchen Elend blieb sie dort sitzen und verschränkte die Hände vor dem Gesicht, um ihren Kummer zu verbergen.
Pascal blieb stumm. Er rang mit sich selbst. Warum empfand er nur so viel Mitleid und Zuneigung für diese Frau? Er wollte sich neben sie setzen. Sie in die Arme nehmen und beruhigend über ihr wunderschönes schimmerndes, schwarzes Haar streichen. Ein schmerzhafter Stich bohrte sich in seinen Brustkorb.
„Du quälst mich. Merkst du das denn nicht?“, presste sie hervor. Sie verachtete sich selbst für diese Offenbarung ihrer Gefühle. Aber sie konnte nicht anders. Die Worte kamen von ganz allein über ihre Lippen. Sie wagte es nicht, sich nun vom Fleck zu rühren oder gar zu ihm aufzusehen. Er musste sie für erbärmlich halten. Nicht einmal fünf Minuten hatte sie seiner übermächtigen Präsenz standhalten können.
„Es tut mir leid.“
Der Satz bohrte sich in ihren Kopf, ohne dass sie ihn tatsächlich verstand. Es tat ihm leid! Was meinte er damit? Die vergangene Nacht? Dass er sie nun verfolgte?
„Ich wollte dich nicht verfolgen“, sagte er, als könnte er in ihr lesen wie in einem offenen Buch.
Isabella regte sich mit einem Mal doch. Irritiert starrte sie ihn an. Er wirkte weder Furcht erregend noch grausam. Er war alles andere als das. Anziehend und verführerisch. Eine Versuchung. Aber gerade das machte ihn so unheimlich gefährlich.
Abrupt befreite sie sich von seiner hypnotischen Wirkung. Reiß dich verdammt noch mal zusammen, schalt sie sich selbst.
„Warum stehst du nur da und siehst mich an? Was willst du von mir? Mein Blut? Bitte!“ Sie streckte ihm ihr Handgelenk entgegen. Abermals erschrak sie über ihr eigenes Verlangen. Seine Nähe elektrisierte sie. Es kostete sie so unglaublich viel Kraft, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Ruhig zu atmen. Sich nichts anmerken zu lassen. Doch ihr Arm, den sie weiter ausgestreckt hielt, wurde schnell zur Last und wollte sich einem Zittern ergeben.
Pascal verharrte nach wie vor. Wie eine Statue stand er ihr gegenüber und sah auf sie hinab. Natürlich sehnte er sich nach ihrem Blut. Er gierte danach.
Es gab Vampire, die sich von einem derartigen Hunger in den Wahnsinn treiben ließen. Aber Pascal gehörte nicht zu dieser Sorte. Er war schon immer ein Meister der Selbstbeherrschung gewesen – abgesehen von der vergangenen Nacht.