Schreckliche Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit zwingen die junge Assistenzärztin Robyn zu einem zurückgezogenen Leben mit ihrer kleinen Tochter in Somerset, bis ihr Leben plötzlich auf den Kopf gestellt wird.
Der Anwalt und Dominus Philipp Bentleys wird von Robyns Vorgesetztem gebeten, wegen sich häufender Fälle von Medikamentendiebstählen im Krankenhaus zu ermitteln. Vom ersten Moment an übt Philipp eine starke Anziehungskraft auf Robyn aus, doch sein Interesse an ihrer Vergangenheit macht ihr Angst. Trotz ihrer Furcht lässt sie sich von Philipp in die Welt der lustvollen Unterwerfung einführen. Immer tiefer lässt Robyn sich in Philipps Arme fallen und fasst Vertrauen zu ihrem dominanten Beschützer.
Doch abrupt holt ihre dunkle Vergangenheit sie wieder ein. Robyn wird in einen Strudel bedrohlicher Ereignisse gezogen, bis sie nicht nur im Zentrum der Medikamentendiebstähle steht, sondern auch noch ihr Leben in Gefahr ist …
Dalia Black wurde 1985 im schönen Nordrhein-Westfalen geboren, wo sie bis heute lebt und arbeitet. Schon als Kind hat sie alle möglichen Bücher verschlungen und ist nach wie vor eine Leseratte. Wenn sie nicht gerade ihrem Fulltime-Job nachgeht oder in...
Charline und ich waren in der Stadt einkaufen. Nachdem ich einen langen Tag in der Klinik hinter mir hatte, plante ich, mit ihr ein Eis essen zu gehen. Ich benötigte dringend Ablenkung, denn in letzter Zeit fielen mir wiederholt die Blicke auf, die das Pflegepersonal und die Ärzte mir zuwarfen. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und wurde unsicher. Teilweise wurden sogar Gespräche unterbrochen, wenn ich dazukam.
Wir standen gerade an einem Schaufenster, in dem Charline die Kuscheltiere bewunderte, als ich auf der anderen Straßenseite Philipp mit einer blonden Frau entdeckte. Vertraut hatte sie ihre...
...Hand auf seinen Arm gelegt, sprach mit ihm und schenkte ihm dabei verträumte Blicke.
Charline drehte sich zu mir um. »Mommy, schau mal, der Hund, der ist soooo süß.«
Dann erkannte sie Philipp ebenfalls und das Kuscheltier war vergessen. Als hätte er gespürt, dass er beobachtet wurde, hob er den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Ein Lächeln bildete sich in seinem Gesicht und er winkte uns zu.
Charline erwiderte sein Winken sofort aufgekratzt und rief: »Hallo, Flip.«
Ich nickte ihm kurz zu. War das seine Freundin? Die beiden wirkten sehr vertraut miteinander. Hatte er sich die nächste angelacht, nachdem er nicht bei mir landen konnte? Schnell wandte ich den Blick ab und bedeutete Charline, dass wir weitermussten. Ich wollte mir meine Eifersucht nicht anmerken lassen. Denn zu allem Übel musste ich mir eingestehen, dass ich eifersüchtig war. Zumindest ein kleines bisschen neidisch. Ich wollte haben, was diese Frau hatte, und zugleich auch wieder nicht. Dieser Mann führte mein Gedankenchaos an, aber ich war noch immer nicht bereit dafür, ihn näher an mich heranzulassen und so vielleicht Gefahr zu laufen, ihn in mein Herz zu schließen. Erst recht, weil ich nicht wusste, ob er es wirklich ernst meinte, oder nur mit mir spielte, denn scheinbar war er schon an der nächsten Frau dran.
Ich saß mit Charline am Küchentisch und wir aßen, als es an der Tür klingelte. Ich erwartete niemanden und war überrascht, denn ich hatte auch keine Freunde, die einfach so vorbeikommen würden. War es vielleicht unsere Nachbarin, Mrs. Smith? Sie passte manchmal auf Charline auf, wenn ich Nachtdienst hatte. Kenny war seit einiger Zeit wieder untergetaucht, und darüber war ich mehr als froh. Ich dachte daher nicht, dass er vor der Tür stand.
Kurz nachdem ich aufgestanden war und zur Wohnungstür gehen wollte, wurde diese mit einem lauten Knall aufgestoßen. Charline schrie erschrocken auf und versteckte sich sofort, während ich mich einem wütenden Kenny gegenübersah. Er blickte mich zornig an und ich erkannte eine Unberechenbarkeit in seinen geröteten Augen. Offenbar stand er mal wieder unter Drogen, denn seine Pupillen waren geweitet. In seiner Schulzeit lernte er die falschen Leute kennen und rutschte immer weiter in den Drogensumpf ab. Bis er nicht mehr von seiner Sucht loskam. Ich hatte mehrmals versucht, ihm zu helfen, doch alle Versuche verliefen erfolglos.
»Hallo, ihr Süßen, wo ist mein Sonnenschein?«, schrie er mich an.
»Verdammt, Kenny. Was willst du?«
»Ich hatte Sehnsucht, Schwesterherz, was glaubst du denn?«
»Kenny, bitte geh und lass uns in Ruhe! Ich will nicht, dass Charline dich so sieht. In deinem Zustand.«
»Verdammter Dreck! Ich denke nicht daran, zu gehen.«
Unruhig lief er hin und her, und ich versuchte, ihn zu beruhigen. Er stand vollkommen neben sich. Genau wie damals. Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Meine Tochter hatte sich versteckt, und ich hoffte, dass sie nicht allzu viel von unserem Streit mitbekommen würde. Doch so, wie Kenny mich anbrüllte, war dies unwahrscheinlich. Ich versuchte, ihn zu besänftigen, aber er wurde immer lauter.
»Du wirst mich nicht los, versprochen. Du kannst nicht mit … mit Charline einfach so abhauen. Ich gehöre dazu.«
»Kenny, nein …«
Eine weitere Erwiderung blieb mir im Hals stecken, als er mir so hart ins Gesicht schlug, dass ich nach hinten stürzte und zu Boden fiel. Wie betäubt fasste ich an meine rechte Wange, wo er mich getroffen hatte. Vorsichtig versuchte ich, aufzustehen, doch Kenny schrie immer weiter und ich wich krabbelnd vor ihm zurück. Dann lief er zur Wohnungstür, und ich erhob mich, um ihn aufzuhalten, um ihn zur Vernunft zu bringen, denn er stand offenbar so unter Drogen, dass er nicht wusste, was er tat und was er wirklich hier wollte. Plötzlich geschah alles ganz schnell. Er rempelte mich an, ich verlor das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinab. Ich war leicht benommen, da ich mit dem Kopf angeschlagen war, und blinzelte zu Kenny hoch, der auf dem Treppenabsatz über mir stehen blieb.
»Shit.« Er raufte sich die Haare. »Es tut mir leid! Ich … ich komme morgen wieder und dann werde ich ihr alles sagen.«
Mit diesen Worten rannte er an mir vorbei und verschwand. Das war das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, bevor die Schwärze Besitz von mir ergriff.
In weiter Ferne vernahm ich ein Weinen. Oh Gott! Mein kleiner Schatz. Ich spürte eine Hand an meiner Wange und öffnete vorsichtig die Augen. Charline beugte sich über mich, ihr Blick voller Tränen.
»Mommy, Mommy!«
»Es … es ist alles okay, meine Süße. Mommy ist da.«
Langsam versuchte ich aufzustehen, doch es gelang mir nicht. Mit dem Kopf voran lag ich auf dem Treppenabsatz. Mein Rücken schmerzte wahnsinnig und mein Arm hatte auch etwas abbekommen, sodass ich mich nicht richtig aufstützen konnte. Vor Pein schloss ich die Augen, als ich erneut versuchte aufzustehen.
»Mommy, ich hol Hife. Du musst ins K… K… Kankenhaus.«
»Nein, Schatz. Ich muss nicht ins … Krankenhaus. Es geht … gleich …« Weiter kam ich nicht. Ich sank erneut in ein tiefes Schwarz.
Erst in der Klinik kam ich wieder zu mir. Charline musste doch Hilfe gerufen haben, denn ich lag in der Notaufnahme auf einer Liege. Es war untypisch und vielleicht nicht ganz richtig, einem Kind in ihrem Alter ein Telefon zu geben, aber nachdem ich mit Charline hierhergezogen war, hatte ich ihr ein Handy besorgt und ihr erklärt, dass sie es nur im Notfall benutzen sollte und wie sie den Notruf wählen konnte. Seitdem trug sie es immer in ihrem Kuscheltier versteckt, und ich wusste, dass sie es trotz ihres jungen Alters verantwortungsvoll nutzte, denn wir hatten sehr ausführlich darüber gesprochen. Ob ich jetzt froh darüber war, konnte ich nicht sagen, denn ich wollte nicht hier sein, dennoch schwang Stolz in mir mit, dass sie so gehandelt hatte. Wahrscheinlich hatte sie niemanden der Nachbarn erreicht, die helfen konnten, und sie wusste sich nicht anders zu helfen. Tja, und nun lag ich hier. Ich hatte das Gefühl, als ob mein Kopf kurz vorm Explodieren stünde, und hob die Hand. Mein Arm tat höllisch weh und ich stöhnte vor Schmerz auf. In dem Moment drehte sich Dr. Martens um und musterte mich prüfend.
»Ah, da sind Sie ja wieder, Frau Kollegin. Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Wissen Sie, wo Sie sind?«
»Ja, im Krankenhaus, wo ich eigentlich nicht hinwollte. Es ist alles halb so wild. Wo ist meine Tochter?«
Ich wollte mich erheben, doch da drückte mich mein Chef schon wieder auf die Liege. Ohnehin hätte ich es kaum geschafft, da nicht nur mein Rücken, sondern auch mein Kopf mich vor Schmerz fast umbrachte. Ich hatte doch mehr abbekommen, als ich zuerst gedacht hatte.
»Ganz ruhig. Ihre Kleine hat vollkommen korrekt gehandelt und den Notarzt gerufen. Sie sitzt draußen und wartet. Sie können stolz auf sie sein, dass sie in ihrem Alter so beherzt war und Hilfe gerufen hat.«
Das war ich auch, sehr sogar, aber trotzdem wollte ich nicht zugeben, dass ich Hilfe gebraucht hatte. »Was ist mit mir?«
»Sie haben eine Gehirnerschütterung, eine angeknackste Rippe und Prellungen am Rücken und an der Schulter. Ich behalte Sie ein paar Nächte hier. Ich werde Sie …«
Die Tür ging auf und … Oh nein! Was machte der denn hier? Das durfte doch nicht wahr sein. Philipp Bentleys trat ins Zimmer, als ob es ihm gehören würde. Seine Mimik drückte Schock und Wut aus. Aber warum Wut? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. »Was ist passiert? Was hat sie?«
Dieser Mistkerl hielt es nicht einmal für erforderlich, mich persönlich anzusprechen. Nein. Stattdessen sah er meinen Arzt und Vorgesetzten an.
»Philipp, was machst du hier drin? Ich komme gleich zu dir. Ich stecke mitten in einer Behandlung, wie du siehst.«
»Was machen Sie hier? Verschwinden Sie, sofort!« Er hatte kein Recht, hier zu sein, doch er ignorierte mich.
Seelenruhig kam er näher zu mir, bis er neben der Liege stand.
»Was ist passiert?« Nun wandte er sich erstmals mir zu. Seine Stimme klang sanft und beruhigend, doch sein Blick war alles andere als das. Finster sah er an meinem Körper auf und ab und begutachtete die Verletzungen. Da ich nur in BH und Jeans vor ihm lag, hatte er die beste Aussicht auf meinen Körper. Ich versuchte, mein Shirt zu fassen, das neben mir auf dem Stuhl lag, doch ich erreichte es nicht. Ich wollte nicht so entblößt vor diesem Mann liegen.
»Das geht Sie überhaupt nichts an, Mr. Bentleys. Und jetzt verschwinden Sie, bitte!«
Vor lauter Schmerzen kniff ich meine Augen zusammen.
»Sorry, Robyn. Erst will ich wissen, was mit dir passiert ist?«
Mein Arzt war mir keine große Unterstützung. Im Gegenteil, er saß nur daneben, hörte unserem Schlagabtausch zu und amüsierte sich offenbar über uns. Das darf echt nicht wahr sein! Ich wandte mich ihm zu und ignorierte Philipp.
»Ich werde auf keinen Fall hierbleiben. Ich muss mich um meine Tochter kümmern.«
Dr. Martens sah mich prüfend an.
»Haben Sie jemanden, der sich in den nächsten Tagen um SIE kümmern kann?« Dabei betonte er das Sie ganz besonders, bevor er fortfuhr: »Sie haben eine Gehirnerschütterung und sollten heute Nacht auf keinen Fall alleine sein. Ich will nicht riskieren, dass sie eine Hirnblutung bekommen und niemand da ist, um einzuschreiten.«
»Ja, ich habe jemanden«, log ich.
Mehr musste er nicht wissen, doch ich konnte an seinem Blick erkennen, dass er mir nicht glaubte. Nein, er wusste, dass ich niemanden hatte, da ich erst vor Kurzem hierhergezogen war und bisher keinen privaten Verabredungen mit Kollegen zugestimmt hatte. Dem Einzigen, den ich hatte, hatte ich diesen ganzen Schlamassel zu verdanken. Kenny würde ich garantiert nicht um Hilfe bitten, auch wenn ich wusste, dass ihm leidtat, was geschehen war. Es war ein Unfall gewesen – wieder einmal. Er war mein Bruder, wenn auch nur Stiefbruder, aber sollte ich ihn deswegen weiterhin in Schutz nehmen?
Die zwei Männer sahen mich zweifelnd an. Beiden gefiel nicht, dass ich gehen wollte. Aber ich war selbst Ärztin und Ärzte waren ja bekanntlich die schlimmsten Patienten.
Dr. Martens seufzte laut und zuckte resigniert mit den Schultern.
»Es ist unverantwortlich, das muss ich Ihnen nicht erklären.« Kopfschüttelnd nahm er meine Patientenakte und machte sich Notizen. »Warum macht hier eigentlich jeder, was er will? Ich sollte alle Patienten anketten und die Schlüssel wegwerfen«, knurrte er immer leiser werdend. »Hier ist ein Schmerzmittel, das Sie bitte nehmen. Und wenn sich Ihr Zustand verschlechtert, will ich Sie unverzüglich hier sehen.«
Er sah mich streng an und gab mir eine Schachtel mit Tabletten. Dieser Blick und seine Worte strahlten zunehmende Autorität aus, die keinerlei Widerspruch duldete.
»Na schön. Ich glaube, wir sind hier fertig, Ms. Thompson. Sie gehen auf eigene Verantwortung und sind die nächsten drei Wochen krankgeschrieben.«
Mein Chef nahm die Krankenakte und stand auf. Erneut versuchte ich, mich aufzurichten, doch mit den Verletzungen war dies leider kein leichtes Unterfangen.
Kaum sah dieser ungebetene Gast namens Philipp Bentleys meine hilflosen Versuche, half er mir und stützte mich an der Taille. Seine Berührung fühlte sich wie ein Stromstoß an und ich spürte die Wärme durch meinen Körper fließen.
Ich wehrte ihn ab.
»Finger weg.«
»Cool down, Kätzchen. Ich will dir nur helfen. Fahr deine Krallen bitte wieder ein.«
»Ms. Thompson, denken Sie dran: Ich möchte Sie die nächsten drei Wochen nicht hier sehen. Es sei denn, Ihr Zustand verschlechtert sich. Haben wir uns verstanden?« Mein Arzt wandte sich bereits von uns ab und schritt zur Tür.
»Dr. Martens, nein. Das können Sie mir nicht antun. Ich kann arbeiten.« Ich nahm mein Shirt und meinen Pullover und versuchte, sie ohne Hilfe anzuziehen. Denn Philipp würde ich garantiert nicht fragen. Nie im Leben.
»Ich kann und ich werde. Sie haben mich offenbar nicht verstanden, als ich Ihnen sagte, dass Sie eine Gehirnerschütterung und eine angeknackste Rippe haben. Nicht zu vergessen, Ihre übrigen Verletzungen. Sie werden ganz sicher nicht damit arbeiten.«
Er wandte sich dem Mistkerl zu, einem seiner besten Freunde, wie Dr. Martens vor ein paar Tagen zufällig erwähnt hatte. »Philipp, wir reden morgen, okay?« Damit war für ihn das letzte Wort gesprochen und er ging hinaus in den Flur.
Philipp und ich folgten ihm kurz darauf. Meine Tochter saß in sich zusammengesunken mit ihrem Lieblingskuscheltier im Arm auf einem Stuhl. Verschüchtert hatte sie den Kopf gesenkt, schaute mich aber unter ihren dichten Wimpern hervor an.
Ich wollte auf sie zugehen, da wurde ich am Arm gepackt. Ganz nah beugte Philipp Bentleys sich zu mir.
»Hüte deine Zunge, Kätzchen. Deine Kleine hat Angst, dass du böse auf sie bist, weil sie Hilfe gerufen hat. Also pass auf, was du jetzt sagst.«
Ich erzitterte bei seinen gehauchten Worten, die so viel in mir auslösten und meine Fantasie trotz meiner momentanen Verfassung in Gang setzten. Es dauerte einige Sekunden, bis ich die Tragweite des Gesagten verstanden hatte und sich mein Kopf mit etwas anderem beschäftigte, als mir zu wünschen, den Sexgott nackt zu sehen. Jetzt musste ich mich erst einmal um mein kleines Mädchen kümmern. So ungern ich es auch zugeben wollte: Der Mann hatte recht. Meine Tochter hatte Angst, dass sie etwas falsch gemacht hatte.
»Hey, meine Süße. Es ist alles gut. Siehst du? Mommy ist wieder bei dir und jetzt werden wir uns ein Taxi rufen und nach Hause fahren, okay?«
Ich streckte ihr meine Hand hin und sie ergriff sie vorsichtig.
»Kommt gar nicht infrage. Ich fahre euch«, bestimmte Philipp.
»Nein, das ist nicht nötig, Mr. …«
Der Blick, den er mir zuwarf, sollte meine Widerworte im Keim ersticken. Doch er kannte mich nicht. Das lag nicht in meiner Natur. »… Bentleys. Wir kommen prima allein zurecht.«
»Das sehe ich, Schätzchen«, raunte er mir zu.
Jetzt beugte er sich zu Charline hinunter, flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie kicherte. Dann nahm er sie auf den Arm und sie schloss vertrauensvoll ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals. Hatten sie sich etwa gegen mich verschworen? Irgendwie lief gerade alles komplett aus dem Ruder.
Wie in Trance bemerkte ich, dass er bereits ein paar Schritte weitergegangen war und auf mich wartete. Wie angewurzelt stand ich da.
»Na komm schon, Kätzchen.«
Kätzchen? Ernsthaft? Erneut wollte ich protestieren, doch dann kam er wieder zu mir zurück, legte seinen Arm um meine Taille und stützte mich.
»Und nenn mich endlich Philipp. Das hält man ja nicht aus. Mr. Bentleys sagt man zu meinem Vater.« Jetzt zwinkerte er mich an.
Okay. Ich würde mich von ihm heimfahren lassen. Ausnahmsweise. Aber nur, weil ich im Moment echt fertig war. Meine Kraftreserven waren aufgebraucht. Ich bemerkte, wie schwach ich auf den Beinen war, und hätte er mich nicht gestützt, wäre ich vermutlich zu Boden geglitten. Also gab ich mich geschlagen.
»Na schön. Ich will einfach nur ins Bett«, flüsterte ich erschöpft und ließ mich von ihm nach draußen führen.
Auf dem Krankenhausparkplatz angekommen, setzte er Charline kurz auf dem Boden ab, um mir die Beifahrertür seines weißen Porsche Cayenne zu öffnen. Er half mir, mich reinzusetzen und anzuschnallen. Kurz darauf schnallte er meine Tochter hinten an, stieg ein und fuhr los.
Einen winzigen Augenblick gestattete ich mir, mich in die weichen Ledersitze zurückzulehnen und an unsere erste Begegnung zu denken. In diesem Moment änderte sich mein ganzes Leben, wie sich kurz darauf zeigen würde.
Ich spürte, wie ich hochgehoben wurde, und öffnete träge meine Augen. Philipp drückte mich an sich, und als er merkte, dass ich wach wurde, zog er mich noch näher an seinen muskulösen Körper. Ich musste während der Fahrt eingeschlafen sein und stellte nun mit Schrecken fest, dass es nicht unser Haus war, vor dem wir standen.
»Was soll das? Du solltest uns nach Hause bringen. Ich will in mein Bett!« Ich hörte mich weinerlich an und versuchte, mich aus seinen Armen zu winden, aber die Schmerzen machten es mir unmöglich.
»Ssschh. Ich bringe dich ins Bett, keine Sorge. Das ist mein Zuhause und hier kannst du dich ausruhen. Du und Charline seid hier in Sicherheit.«
»Ich will in MEIN Bett, du Mistkerl.«
»Sorry, aber das hast du vorher nicht ausdrücklich gesagt. Du hast nur gesagt, du willst ins Bett. Wessen Bett, hast du nicht erwähnt.«
Dieser Bastard. Er besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit und zwinkerte mir zu. Hinter mir hörte ich jemanden glucksen, und da erst sah ich einen anderen Mann, der mein Kind auf den Schultern trug. Er war ein Hüne mit hellen blonden Haaren, die er zu einem Dutt nach oben gebunden hatte.
Charline kicherte vergnügt. Sie schien einen Heidenspaß zu haben.
»Du legst dich mit einem Anwalt an, Sweetheart. An deiner Stelle wäre ich vorsichtig, was du sagst. Ich bin übrigens Ian. Und keine Angst, ich kümmere mich gut um die Prinzessin.« Er lächelte mich an und alberte weiter mit Charline herum.
Philipp trug mich unbeirrt eine Treppe hoch, und ich kam nicht umhin, die riesige Eingangshalle, die wir durchquerten, zu bestaunen. Das musste doch alles ein Traum sein. Wahrscheinlich war ich durch die Schmerzen betäubt und würde gleich wieder aufwachen. Ja. Genauso musste es sein.
Nachdem Philipp mich eine weitere Treppe hochgetragen hatte, bog er links in einen Gang ein und betrat mit mir ein Zimmer auf der rechten Seite. Es war ein riesiges Schlafzimmer mit einem Kingsize-Bett. Das wird doch nicht sein Schlafzimmer sein, oder? Mir schwante Böses. Aber er schien meine Gedanken gelesen zu haben.
»Keine Sorge, das ist mein Gästezimmer. Mein Bett wirst du später noch ausgiebig kennenlernen.« Er zwinkerte mir zu und ich versteifte mich. »Hier können du und Charline euch ausruhen. Ian macht euch noch eine Kleinigkeit zu essen. Mein Zimmer ist direkt rechts nebenan, falls etwas sein sollte.«
Philipp legte mich vorsichtig auf dem Bett ab und ich verzog schmerzhaft das Gesicht. Offenbar hatte ich die Verletzungen unterschätzt.
Natürlich bemerkte er mein Ächzen und zog eine seiner perfekt geformten Augenbrauen hoch. »Erzählst du mir, was passiert ist?« Er deckte mich zu, setzte sich auf die Bettkante und sah mich eindringlich an.
»Nichts, es ist alles gut.« Ich wollte ihm nichts sagen, da es ihn nichts anging und nur weitere Fragen von ihm aufwerfen würde. Mir konnte niemand helfen. Da musste ich allein durch.
»Das sehe ich anders, und ich werde rauskriegen, was genau geschehen ist. Keine Sorge. Du wirst es mir schon noch erzählen. Jetzt ruh dich aus. Ich komme gleich mit Charline wieder.«
Er verließ das Zimmer und ließ mich mit meinen Gedanken allein. Warum konnte mein Leben nicht ruhig und langweilig sein? Womit hatte ich das verdient? Und vor allem, wie sollte es weitergehen? Dass ich mit Charline hier wegmusste, stand außer Frage. Niemals würde ich lange mit diesem Kerl unter einem Dach schlafen. Er irritierte mich. Nie zuvor hatte ein Mann so eine Wirkung auf mich gehabt, und seit unserer ersten Begegnung versuchte ich, nicht ständig an ihn zu denken. Doch dies erwies sich als zwecklos, denn ich hatte das Gefühl, seine blauen Augen blickten jedes Mal, wenn wir uns begegneten, auf den Grund meiner Seele und könnten genau erkennen, was ich mir wünschte.
Seit er mir Blumen und Charline sogar Schokolade geschickt und mich wiederholt zum Essen eingeladen hatte, wurde mir von Sekunde zu Sekunde mehr bewusst: Er wurde mir gefährlich, und es würde nicht mehr lange dauern, bis er meine innere Mauer zum Einsturz bringen würde. Ich musste darauf achten, dass er nicht zu nah an mich herankam und mein Geheimnis lüftete. Dann würde ich vielleicht alles verlieren, was ich mir hier aufgebaut hatte, denn er würde mich für meine Vergangenheit bestimmt verachten. Und das war das Letzte, was ich wollte.
Das Chaos in meinem Kopf wirbelte umher. Mir platzte beinahe der Schädel, und ich merkte, wie ich immer weiter in den Schlaf driftete.