Fedora: Im Harem des Prinzen
von Mona Vara

Erschienen: 09/2014

Genre: Historical Romance
Seitenanzahl: 208 (Übergröße)


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paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-127-5
ebook: 978-3-86495-128-2

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Fedora: Im Harem des Prinzen


Inhaltsangabe

Fedora, eine rothaarige junge Byzantinerin, wird auf dem Sklavenmarkt von Ibrahim al-Fadal, dem Sohn des Wesirs, gekauft. Als sie ihn heftig zurückweist (und er sogar einige Barthaare dabei lässt), hat sie ihr Leben verwirkt und soll unter dem Beil des Scharfrichters landen. Prinz Ahmed, der Lieblingssohn des Kalifen, rettet ihr das Leben und nimmt sie in seinen Harem auf. Fedora jedoch erweist sich tugendhafter als er erwartet hatte, und so sucht er mit reizvollen Spielen ihren Widerstand zu überwinden und ihre Liebe zu gewinnen ...

Ein erotischer Liebesroman aus 1001 Nacht.

Über die Autorin

Mona Vara schrieb jahrelang erfolgreich erotische Liebesromane. Das  Wichtigste beim Schreiben war für sie, Figuren zum Leben zu erwecken, ihnen ganz spezifische Eigenschaften und Charaktere zu geben und ihre Gefühle und Erlebnisse auf eine Art auszudrücken, die sie nicht nur...

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Leseprobe

Fedora war die ganze Nacht wach gewesen. Selbst wenn die Schmerzen und die kleinen Nager, die unaufhörlich in Bewegung waren, sie hätten schlafen lassen, so waren da immer noch die Angst und das Grauen vor dem, was sie erwartete. Sie zuckte zusammen, als schwere Schritte ertönten, dann wurde die Tür aufgestoßen und die beiden Männer, die sie schon hierher geschleppt hatten, fassten sie und zerrten sie hinaus. Sie gelangten über einen Gang direkt auf einen großen Hof, der vermutlich regelmäßig für Bestrafungen oder Hinrichtungen verwendet wurde. Fedora sah Eisenketten an den Mauern, seltsame, umgekehrt liegende Bänke, deren Beine hinaufragten, ein...

...Becken mit glühenden Kohlen und einen kräftigen Mann, der eine Peitsche in der Hand hielt.
Man führte sie zur Wand hin, dann legte einer der Männer die Ketten um ihre Handgelenke und zog an, bis sie fast auf den Zehenspitzen stand. Jemand riss ihr mit einem Ruck das ohnehin schon zerrissene Gewand vom Körper, sodass sie nackt war. Aber das war ihr seltsam gleichgültig. Was sie erwartete, ließ alle Scham im Keim ersticken.
Fedora biss die Zähne zusammen, um gegen das Zittern, das sie ergriffen hatte, anzukämpfen. Sie hatte Angst, schreckliche Angst vor dem, was ihr jetzt bevorstand, und sie betete um genügend Kraft, um den anderen gegenüber nicht ihre Schwäche zu zeigen. Als sie den Hof betreten hatte, war ihr nicht verborgen geblieben, dass Ibrahim auf der anderen Seite an einem Fenster stand. Er wollte vermutlich zusehen, wie man das Urteil an ihr vollstreckte, aber sie würde ihm nicht die Genugtuung geben, sie um Gnade flehen zu hören.
Noch geschah nichts. Fedora wartete auf den ersten Schlag, aber er kam nicht. Sie wandte vorsichtig den Kopf. Ibrahim stand immer noch dort und trotz der Entfernung konnte sie den Hass in seinen Augen sehen. Plötzlich klatschte er in die Hände und im selben Moment, so, als hätte er nur darauf gewartet, ließ der Henker die Peitsche auf ihren Rücken knallen.
Sie stöhnte auf, hatte sich jedoch sofort wieder in der Gewalt. Der nächste Hieb kam weniger unerwartet, aber nicht minder schmerzhaft. Dann folgte einer nach dem anderen. Sie zählte mit. Je länger sie durchhielt ohne in Ohnmacht zu fallen, desto schneller konnte sie die Erlösung durch das Schwert erwarten.
Plötzlich, mitten in das Pfeifen der Peitsche und das Klatschen auf ihrer Haut, ertönte eine scharfe, befehlende Stimme über den Hof. Der Henker hielt ein. Es waren erst vierzehn Schläge, die sie erhalten hatte. Noch unzählige mehr, bis sie endlich der Gnade des Todes teilhaftig werden konnte. Stunden von Qual und Schmerzen standen ihr noch bevor und sie wollte nichts, als sie so schnell wie möglich hinter sich bringen, um das Unvermeidliche nicht hinauszuzögern.
Sie wartete, aber der nächste Schlag kam nicht. War das eine Teufelei von Ibrahim? Wollte er ihr ein wenig Erholung gönnen, um ihr die Schläge dann umso bewusster zu machen?
Da war seine Stimme. Sie klang laut und wütend, brach jedoch abrupt ab. Durch das Rauschen in ihren Ohren hörte sie Schritte, die sich näherten, wieder diese befehlende dunkle Stimme, und dann wurde sie losgebunden. Sie sollten aber nicht aufhören, sie sollten weitermachen, es vorüber gehen lassen. Der Tod war ihr ohnehin gewiss. Keine weiteren, hinausgezögerten Qualen mehr…
„Nicht“, sie klammerte sich an der Kette fest, um nicht zusammenzusacken, „ich will nicht …“
Zwei kräftige Arme packten sie, hoben sie hoch, berührten dabei die offenen Striemen auf ihrem Rücken. Sie presste die Zähne zusammen, bis sie knirschten, um keinen Laut von sich zu geben. Vor ihren Augen tanzen rote und schwarze Kreise und sie konnte nicht sehen, wohin man sich brachte, fühlte nur, dass sie längere Zeit getragen wurde. Ein leichtes Schaukeln, Schlagen von Wasser, Befehle, Worte, die, obwohl mit leiser Stimme gesprochen, in ihren Ohren dröhnten, dann verlor sie das Bewusstsein.
Sie erwachte erst wieder, als sie mit verblüffender Vorsicht und Zartheit abgesetzt wurde, sanfte Hände fassten nach ihr, eine beruhigende Stimme sprach auf sie ein und obwohl sie deren Worte nicht verstand, gab sie nach, ließ sich mit dem Gesicht nach unten auf ein weiches Lager betten. Jemand machte sich an ihrem Rücken zu schaffen, es brannte ein wenig, aber die Schmerzen waren erträglich, und langsam fand sie sich wieder in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen und darüber nachzudenken, was geschehen war.
Man hatte sie aus einem unbekannten Grund nicht mehr in die kleine fensterlose Kammer gebracht, in der sie die vergangene Nacht verbracht hatte, sondern in einen hellen, freundlichen Raum. Die Fenster waren vergittert, aber die Gitter bestanden aus kostbaren Schnitzereien, die das grelle Tageslicht und die sengende Hitze dämpften und das Innere in ein angenehmes Dämmerlicht tauchten. In der Mitte des Raumes befand sich ein kleines Becken mit einem Springbrunnen, aus dem leise Wasser plätscherte und mit jedem Luftzug, der von den Fenstern hereinwehte, einen kühlen Hauch mit sich brachte.
Sie versuchte den Kopf zu heben, obwohl die Anstrengung die Schmerzen wieder stärker werden ließen, aber eine ruhige Stimme hielt sie davon ab.
„Du bist jetzt in Sicherheit. Bleib nur ruhig liegen, es wird dir nichts geschehen.“
Fedora wandte langsam den Kopf nach der Sprecherin. Es war eine Frau mittleren Alters, mit hellem Haar und blauen Augen. Sie sprach Griechisch, die Sprache ihrer byzantinischen Heimat.
„Wo …“ Sie konnte kaum sprechen, weil ihre aufgesprungene Lippe schmerzte und ihr Mund trocken war.
„Prinz Ahmed ist hinzugekommen, als Ibrahims Männer dich peitschten. Er hat ihnen Einhalt geboten und befohlen, dass man dich hierher bringt. Ich nehme an, er wird dich dem Sohn des Wesirs abkaufen.“
Der Raum um Fedora schien sich zu drehen. Die Schmerzen in ihrem Rücken wurden stärker und ihre pochenden Lippen wollten ihr kaum gehorchen. „W... weshalb sollte … er …“
„Sprich jetzt nicht“, sagte die andere beruhigend. „Es wird alles gut. Prinz Ahmed ist nicht der Mann, der zusieht, wie man eine Frau zu Tode peitscht. Auch nicht wenn es sich um eine Sklavin handelt. Hier“, sie half ihr, sich ein wenig herumzudrehen und hielt ihr den Kopf, während sie ihr einen Becher an die Lippen setzte. „Trink das, das wird die Schmerzen lindern und dich schlafen lassen. Und wenn du aufwachst, wird es dir besser gehen. Dann werde ich dir alles erzählen. Und nun trink.“
Fedora schluckte gehorsam und fühlte fast unmittelbar darauf eine wohlige Wärme durch ihren Körper fließen. Ihre Glieder und ihr Kopf wurden seltsam leicht, die Angst verschwand und dann versank alles um sie herum.

Als sie erwachte, saß die andere wieder neben ihr, strich ihr zart übers Haar und lächelte sie an. „Nun, wie geht es dir heute?“
Fedora wollte sich aufsetzen, aber ein brennender Schmerz im Rücken hinderte sie daran.
„Nicht! Nicht so schnell. Du kannst schon aufstehen, aber langsam! Wir wollen doch nicht, dass die Striemen aufplatzen. Sie sollen gut verheilen, damit deine Haut wieder glatt und weich wird.“ Sie lachte leise, „Prinz Ahmed soll doch einen schönen Körper auf sein Lager bekommen, nicht wahr?“
Fedora sah sich um. Dann war es doch kein Traum gewesen: der behagliche Raum um sie herum, die geschnitzten Fensterläden, das Becken mit dem Brunnen in der Mitte und die weichen Kissen, die überall verteilt auf dem Boden lagen. Sie selbst ruhte auf seidigen Decken, ihr Oberkörper war unbekleidet und unwillkürlich bedeckte sie ihre nackten Brüste mit den Händen.
„Du musst dich hier nicht schämen“, lachte die andere. „Aber es ist besser, wenn man die Wunden frei lässt. Sie sollen atmen können, dann geht der Heilungsprozess schneller vor sich. Du siehst ganz schrecklich aus, aber das wird alles verheilen.“ Sie besah sie mitleidig. „Hat er dich auch mit der Faust geschlagen?“
Fedora nickte und tastete mit dem Finger nach ihrer Lippe. Sie war geschwollen und schmerzte noch ein wenig. „Wie lange … habe ich geschlafen?“
„Die Sonne ist zweimal untergegangen“, erhielt sie zur Antwort und die Frau, ihrem Gewand nach zu schließen eine der Dienerinnen, griff nach einem Becher. „Hier, das ist Milch, von der zartesten Kuh im Besitz des Prinzen. Sie wird dir gut tun.“
Fedora fasste den Becher mit beiden Händen und trank gierig davon. Die Milch schmeckte frisch und süß und sie war erstaunt, wie kühl sie war. Sie war hungrig und durstig zugleich und konnte ihre Rettung kaum fassen. Aber… war sie denn wirklich gerettet? War sie nicht dem einen Teufel entgangen und dem anderen in die Hände gefallen? Was hatte diese Frau gesagt? Sie hatte von einem Prinzen gesprochen … Ahmed … Ja, das war der Name gewesen, den sie genannt hatte.
Als sie den Becher bis zum letzten Tropfen geleert hatte, sah sie die Dienerin fragend an. „Und jetzt sag mir, wo ich bin. Und weshalb. Und wer du bist.“
„Wo du bist, habe ich dir schon gesagt: du bist im Palast von Prinz Ahmed, der dich Ibrahim al-Fadal, dem Sohn des Wesirs, abgekauft hat. Und ich selbst bin Hayana, eine Dienerin.“
„Du sprichst meine Sprache und siehst gar nicht aus wie eine Araberin.“
„Das bin ich auch nicht – zumindest wurde ich in unweit von Konstantinopel geboren. Als Kind verkaufte mich mein Vater jedoch an einen Händler, weil wir arm waren und er noch vier weitere Töchter hatte, ohne Möglichkeit, sie an einen Mann zu verheiraten. Und dann landete ich hier, im Palast des Kalifen, als Dienerin von Dananir, die damals noch seine Lieblingskonkubine war, dann jedoch seine Gattin wurde. Da ich Griechisch, also deine Sprache spreche, hat Prinz Ahmed seine Mutter gebeten, mich in seinen Palast nehmen zu dürfen. Für deine Betreuung, bis du selbst genug Arabisch sprichst um zu verstehen und dich verständlich zu machen.“
„Weshalb sollte der Prinz mir solche Freundlichkeit erweisen?“ fragte Fedora misstrauisch.
Hayana zuckte mit den Achseln, „Der Prinz ist zu allen seinen Frauen freundlich. Er behandelt sie alle gut und sie lieben ihn dafür und beten ihn an. Du wirst ihn demnächst sehen. Er ist heute früh verreist, aber er wird bald wiederkommen, und noch bevor der Mond das zweite Mal voll ist, wirst du ihm deine Dankbarkeit für deine Rettung zu Füßen legen können.“

In den folgenden Wochen blieb Fedora meist sich selbst überlassen. Lediglich Hayana war um sie und einige Mädchen, die sie bedienten, ihre Wünsche erfüllten und sie mit einer Behaglichkeit umgaben, die sie nicht einmal im Hause ihres Vaters gekannt hatte.
Ihre Lippe war gesundet und die dunklen, blutunterlaufenen Flecken auf ihrem Körper verschwanden. Auch ihr Rücken war schon bald fast völlig verheilt und nur gelegentlich ein kleines Ziehen erinnerte sie daran, dass sie nahe davor gewesen war, auf Befehl eines hasserfüllten Mannes halb zu Tode gepeitscht und dann geköpft zu werden. Sie wusste zwar nicht was sie von ihrem neuen Besitzer erwarten durfte, da dieser jedoch vorerst verreist war, gelang es ihr, jeden Gedanken an ihn wegzuschieben und stattdessen die sie umgebende Pracht zu genießen, die ihresgleichen wohl nirgendwo fand.
Auch im Harem von Ibrahim al-Fadal war es prächtig gewesen, aber ganz anders als hier. Aufdringlich hatte Fedora dort die grellen Muster, die mit Edelsteinen überladenen Teppiche und Vorhänge empfunden, und die protzige Zurschaustellung von Reichtum verachtet. Hier jedoch lagen und hingen überall Teppiche, die Fedora alleine durch ihre feine Arbeit und außergewöhnliche Schönheit entzückten, und auf denen Vögel, Pferde, Blumen und geometrische Muster zu sehen waren. Hayana erklärte ihr, dass die Teppiche in diesen Gemächern nicht weniger kostbar waren als jene, auf denen die Frauen des Kalifen selbst saßen, und dass der Prinz, obgleich weitaus weniger verschwenderisch als seine Brüder, sich gerne mit wirklich schönen Dingen umgab. Zart schimmernde Vorhänge teilten das Gemach, schirmten ihre Schlafstelle vom übrigen Raum ab, bewegten sich im leichten Luftzug und ließen zarte Glöckchen erklingen, die Fedora an Engelsläuten erinnerten. Ihr Bett bestand nur aus einer weichen Matratze, die mit Federn gefüllt und kühler Seide überzogen war. In diesem Bereich des Raumes stand auch eine Truhe, die so groß war, dass Fedora sogar darauf hätte schlafen können, und die neben zwei anderen, kleineren, Kleider beinhaltete, die jede Frau in Entzücken versetzen mussten.
Rund um das Becken in der Mitte jenes Raumes, in dem sie sich tagsüber aufhielt, gab es Gefäße in denen die schönsten und seltensten Blumen blühten, deren Farben und Duft ihr Herz erfreuten, ebenso wie der erfrischende Brunnen, an dem sie gerne saß, ihre Hände unter das kühle Wasser haltend und vor sich hinträumend. Das war aber noch bei weitem nicht alles. Zwischen zwei schlanken Säulen führte ein Torbogen in einen Garten, der ein Wunder an Schönheit war. Die Blumen in den Beeten waren farblich so gesetzt, dass sie Zeichen bildeten – Prinz Ahmeds Lieblingsgedichte, wie Hayana ihr erzählte, die der Schriftkundige von den Beeten ablesen konnte. Mit Halbedelsteinen eingefasste Wasserbecken, in denen man die Bäume und Sträucher sich spiegeln sehen konnte, luden zum Verweilen ein, und dann war da noch ein kleiner Bach, der quer durch den Garten und durch einen zauberhaften Pavillon floss, der genau in der Mitte des Gartens stand. Das Schönste waren für Fedora jedoch die Rosen, die um eben diesen Pavillon gepflanzt waren und einen Duft verströmten, der berauschender war als all die exotischen Gerüche, mit denen die Frauen in Ibrahims Harem sich parfümiert hatten.
Natürlich war ihr der Weg aus ihren Gemächern hinaus versperrt. Nicht alleine durch die geschnitzten Türen, die sich hinter goldbestickten Vorhängen verbargen, sondern auch durch zwei kräftige Eunuchen, die jeden außer den Dienerinnen davon abhielten, die Räume zu betreten, und sie selbst, sich daraus zu entfernen. Aber wohin hätte sie sich schon wenden sollen, selbst wenn sie aus ihrem goldenen Gefängnis entwich? Sie hatte keine Freunde in der Stadt und da war wohl niemand, der einer entlaufenen Sklavin helfen würde. Sie würde nur alleine durch die Straßen dieser unbekannten Stadt irren und sich am Ende wohl sehr schnell wieder in den Händen eines Sklavenhändlers und eines noch schlimmeren Menschen finden.
Hayana, die als Dienerin nicht immer an den Palast gebunden war, erzählte ihr von Bagdad, der märchenhaften Stadt des Kalifen, die über zwanzig Paläste beherbergte, die nicht weniger prächtig sein sollten als jener, in dem sie sich nun befand. In dieser Stadt stand auch der berühmte Palast der Ewigen Seligkeit, den der Vater des legendären Harun al-Raschid am Ufer des Tigris hatte erbauen lassen, und der das Zentrum des Reiches war. Er umfasste nicht nur die Privatgemächer des Kalifen und seines Harems, sondern es gab auch reich ausgestattete Audienz- und Empfangssäle sowie Räume für die Würdenträger und Sekretäre des Reiches. Auch sie selbst war darin untergebracht gewesen, und zwar in jenem Teil des Palastes, der dem Wesir und seiner Familie zur Verfügung stand. Solange, bis Ibrahim sie hatte töten wollen und Prinz Ahmed, der zufällig hinzugekommen war, sie in seinen eigenen Palast hatte bringen lassen, der auf der anderen Seite des Tigris lag.
Hayana erzählte nur wenig von den anderen Frauen im Harem des Prinzen, die weitaus weniger große Räume zur Verfügung hatten, während Fedora in Gemächern lebte, die sonst nur einer Ehefrau oder Lieblingskonkubine zustanden. „Der Prinz muss großes Wohlgefallen an dir haben, dass er dir eine derartige Bevorzugung zukommen lässt“, sagte sie eines Tages.
„Wie kann er denn Wohlgefallen an mir gefunden haben?“ fragte Fedora stirnrunzelnd. „Er kennt mich doch nicht, hat mich nie gesehen.“
Die Dienerin zuckte mit den Achseln. „Das darfst du mich nicht fragen. Aber Prinz Ahmed ist nicht der Mann, der nicht wüsste, was er tut.“

Eines Abends kam Hayana herein, „Der Prinz will dich besuchen. Du musst dich umkleiden.“
„Was will er von mir?“ fragte Fedora erschrocken. Der Moment, dem sie mit Bangen entgegengesehen hatte, war gekommen. Dieser Prinz Ahmed hatte ihr zwar das Leben gerettet, aber zweifellos nur, um selbst seine sündige Lust an ihr zu befriedigen. Und dass er das wollte, stand nach Hayanas Worten außer Zweifel. Jedoch alleine schon der Gedanke, einer dieser gottlosen Fremden könnte ihren Körper in Besitz nehmen und sich all jene Rechte anmaßen, die nur einem Gatten zustanden, erfüllte Fedora mit Abscheu und Schrecken zugleich. Die Erinnerung an den Sohn des Wesirs, an seine derben Hände, seine wulstigen Lippen, sein widerliches Lachen und an seinen stinkenden Atem hatte sie bis in ihre Träume verfolgt, und in ihrer Einbildung hatte sie sich von ihrem Lebensretter ein Bild gemacht, das jenem Ibrahims glich wie ein Ei dem anderen. Wie konnte er auch anders sein? Ein Mann, der sich einen Harem hielt! Der einen falschen Gott anbetete und zu den Feinden gehörte, die schon seit vielen Jahren versuchten, Byzanz zu erobern, und in vielen Landstrichen bereits Städte geplündert und ihre Bewohner in die Sklaverei geführt hatten!
„Was er will? Dich sehen, natürlich! Willst du ihm denn nicht deine Ehrerbietung und Dankbarkeit erweisen?“ fragte Hayana erstaunt.
„Dankbarkeit? Dafür, dass er mich von einer Sklaverei in die andere gebracht hat? Hätte er mich nur mir selbst überlassen, dann wäre ich jetzt schon tot!“
„Das würde dir schon bald Leid tun“, entgegnete Hayana kopfschüttelnd. „Außerdem ist der Prinz weit anders als der Sohn des Wesirs. Er ist viel schöner anzusehen. Jede Sklavin am Hof des Kalifen würde sich ihm mit Freuden hingeben. Außerdem ist er sehr klug und gütig, nicht so ein Tier wie der andere, Ibrahim.“
„Ich will ihn dennoch nicht empfangen!“
„Du hast gar keine Wahl.“ Hayana klatschte in die Hände und sofort liefen einige Mädchen herein, die Fedora gegen ihren Willen auskleideten, sie mehr oder weniger sanft in das große Becken schubsten, sie wuschen, abtrockneten, mit duftenden Ölen salbten und sie dann in kostbare, aber durchsichtige Seidengewänder hüllten.
Fedora, die bald schon eingesehen hatte, dass sie sich mit Widerstand nur lächerlich gemacht hätte, ließ alles über sich ergehen, ihre Lippen fest aufeinandergepresst und die Augen brennend vor ungeweinten Tränen der Demütigung. Noch vor fast sieben Wochen war es ihr ebenso ergangen, bevor man sie in Ibrahims Gemächer geschleppt hatte. Aber was dann gekommen war, war noch viel schlimmer gewesen, und sie wusste, dass sie auch jetzt nichts anderes erwarten würde. Und am Ende würde sie wieder nackt angekettet sein, während einer der Eunuchen die Peitsche schwang und der Henker schon dahinter mit dem Beil auf sie wartete. All der Lobgesang, den Hayana in den vergangenen Tagen auf diesen Prinzen Ahmed angestimmt hatte, konnte sie nicht irreführen, was seinen unzweifelhaft verdorbenen Charakter betraf.
Plötzlich hörte sie von draußen eine befehlende Stimme. Jemand näherte sich. Hayana scheuchte die Mädchen hinaus und dann stand Fedora alleine mitten im Raum, vor Aufregung bebend. Einen kurzen Augenblick lang dachte sie an Flucht, aber das wäre sinnlos gewesen - der einzige Weg, der ihr offen stand, war jener in den Garten, und dieser war von Mauern umgeben, die sie nicht überwinden konnte.
Der Vorhang, der den Eingang verdeckte, wurde zur Seite geschoben und ein Mann trat ein. Er blieb nach wenigen Schritten stehen und blickte zu Fedora herüber, die bei seinem Eintritt stolz den Kopf zurückgeworfen hatte, fest entschlossen keine Angst zu zeigen, und ihn dabei nicht weniger prüfend ansah als er sie.
Sie war verblüfft. Das war nicht der Mann, den sie erwartet oder gefürchtet hatte. Kein Wüstling wie der andere, der ihr auf den ersten Blick Abscheu einflößte.
Der Prinz mochte so um die dreißig Jahre alt sein, also kaum jünger als Ibrahim, sah jedoch vollkommen anders aus. Er war schlank und hochgewachsen, seine Haut hellbraun, wie von der Sonne verbrannt, und sein dunkler Bart war kurzgeschnitten, ließ die Wangen frei und bedeckte nur das Kinn und die Oberlippe. Er war auch nicht so prächtig gekleidet und mit Edelsteinen behangen, sondern fast schlicht, auch wenn der dunkelblaue Mantel, den er über einem fast bodenlangen hellen Gewand trug, zweifellos aus einem kostbaren Stoff gefertigt und mit einer schmalen, goldbestickten Borte umrandet war. Um den Leib trug er eine Schärpe in derselben Farbe und als einzigen Schmuck eine Rubinnadel, mit der sein Turbantuch festgesteckt war, und die wohl ein Symbol seiner Macht darstellte.
Fedora hatte, noch bevor er eingetreten war, rasch nach einem großen, fein gearbeiteten Wolltuch gegriffen und es sich um den Körper gewickelt, sodass sie von den Schultern bis zu den Knien bedeckt war. Solcherart vor seinen Blicken weitaus besser geschützt als in dem durchsichtigen Stoff, fühlte sie sich sicherer und sah ihrem neuen Besitzer aufrecht entgegen, als er seine Musterung endlich beendet zu haben schien und langsam auf sie zukam. Sein Blick ruhte unverwandt auf ihr und sie fühlte eine seltsame Unruhe in ihr aufsteigen, als sie in seine Augen blickte. Sie waren überraschend hell und klar und es lag eine Freundlichkeit darin, die sie nicht erwartet hatte.
„Wie ich sehe, hast du dich schon erholt.“
Sie lauschte seiner angenehmen, dunklen Stimme nach, die ihr vertraut erschien. Es war dieselbe Stimme, die sie schon im Hof von Ibrahims Palast vernommen hatte, kurz bevor sie losgebunden und hierher gebracht worden war. Zu ihrer Überraschung sprach er Griechisch und das auf eine Weise, die nicht erkennen ließ, dass diese Sprache ihm jemals fremd gewesen wäre. „Man sagte mir, dass ich Euch mein Leben schulde“, erwiderte sie endlich mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien.
Ein amüsiertes Aufblitzen in den hellen Augen als er sah, wie sie das Tuch krampfhaft vor dem Körper zusammenhielt, und dann blieb sein Blick an ihrem Haar hängen, das Hayana gekämmt hatte, bis es glänzte, und mit geübter Hand lediglich einige Perlenschnüre hineingewunden hatte, sodass die vollen roten Locken frei über ihre Schultern und ihren Rücken fielen.
„Ich habe schon Frauen mit rotem Haar gesehen“, sagte er, ohne auf ihre Worte einzugehen, „aber die meisten benutzten Mittel um es zu färben. Deines jedoch ist echt, von der Natur geschaffen wie eine Flamme.“ Er hob die Hand, wollte es berühren, aber Fedora machte einen Schritt zur Seite.
Sie sah ihn fest an und schlug auch nicht die Augen nieder, als sein Blick erstaunt auf ihr ruhte. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass die neue Sklavin ihm nicht sofort zu Füßen oder in seine Arme fiel.
„Werdet Ihr mir sagen, was Ihr mit mir zu tun gedenkt? Hayana, die Ihr mir freundlicherweise als Dienerin schicktet, hat mir erzählt, dass Ihr mich Ibrahim al-Fadal abgekauft habt. Wenn Ihr nun Eure Güte auch noch vergrößern wollt, so gebt mir die Möglichkeit, mich abermals freizukaufen. In meiner Heimat, Konstantinopel, gibt es Personen, denen mein Leben und meine Freiheit viel Gold wert sind. … Es wäre gewiss nicht zu Eurem Schaden.“ Sie wusste, dass die moslemischen Truppen wenn sie byzantinische Städte angriffen, wenig Tote zurückließen, sondern es vorzogen, Gefangene zu machen, die sie dann entweder selbst als Sklaven verkauften oder gegen Lösegeld wieder freigaben. Zweifellos war dies ein Angebot, das dem Mann vor ihr ebenfalls zusagen würde.
„Das Gold dieser Leute interessiert mich nicht“, erwiderte der Prinz zu Fedoras Ärger gleichgültig. „Ich habe dich Ibrahim abgekauft, weil mir dein rotes Haar gefällt. Wenn ich dich jetzt wieder gehen lasse – was habe ich davon? Gold habe ich selbst genug, aber eine Frau mit so leuchtend rotem Haar und einer so weißen Haut bekomme ich nicht so leicht wieder.“
„Ich bin aber gegen meinen Willen hier“, hielt sie ihm entgegen. „Ich wurde geraubt und verschleppt und ich habe nicht die geringste Absicht, den Rest meines Lebens in einem Harem zu verbringen.“
Belustigung trat in seine hellbraunen Augen. „Du hast keine Absicht. So?“ Er breitete die Arme aus und sah sich um, „Geht dir hier etwas ab? Werden deine Wünsche nicht erfüllt? Behandelt man dich schlecht?“
„Nein“, gab Fedora widerwillig zu. „Im Gegenteil.“ Sie konnte sich wahrlich nicht beklagen. Die Dienerinnen beeilten sich, jedem ihrer Winke zu folgen, und Hayana, die eine gewisse Zuneigung zu ihr gefasst zu haben schien, umgab sie sogar mit einer mütterlichen Sorge, die ihr gut tat.
„Weshalb bist du dann unzufrieden?“ Er klang erstaunt.
„Weil ich nicht freiwillig hier bin!“ erwiderte Fedora ungeduldig.
„Vermutlich nicht“, kam es unbeeindruckt zurück.
„Weshalb lässt Ihr mich dann nicht gehen?!“
„Ganz einfach: weil ich nicht will.“ Der Prinz klang erheitert und in seinen Augen, die sie eingehend musterten, lag ein Lächeln. Im Gegensatz zu Ibrahim hatte sie seltsamerweise nicht die geringste Angst vor ihm, aber es störte sie, dass er sie und ihre Worte nicht ernst zu nehmen schien. „Außerdem bin ich solche Reden nicht gewöhnt“, sprach er in einem nachsichtigen Ton weiter. „Es ziemt sich nicht für eine Sklavin, in dieser Art mit ihrem Gebieter zu sprechen. Ich habe einen hohen Preis für dich bezahlt und besitze dich nun. Du wirst dich schneller damit abfinden als du jetzt denkst.“ Er sah sich um und nahm dann auf einigen Kissen neben dem Wasserbecken Platz, wobei er neben sich deutete. „Komm, setz dich zu mir und lass uns reden.“
Fedora blieb etwas entfernt von ihm stehen und sah misstrauisch auf ihn hinunter. „Ich habe bereits alles gesagt, was es zu sagen gibt!“
„Wie unfreundlich. Meine anderen Frauen sind wesentlich entgegenkommender und wetteifern darin, mir zu gefallen. Du hättest es doch viel schlechter treffen können – weshalb bemühst du dich nicht um ein wenig Liebenswürdigkeit? Ihr Byzantinerinnen seid doch sonst nicht so prüde.“
Fedora drehte den Kopf weg.
„Aber vielleicht langweilst du dich ja auch hier. Hayana hat mir erzählt, dass du versucht hast, die Zeichen auf den Teppichen und in den Blumen im Garten zu lesen. Soll ich dir vielleicht einen Lehrer schicken, der dir beibringt, wie man unsere Sprache liest und schreibt? Möglicherweise gefällt es dir hier dann besser?“
Fedora presste die Lippen zusammen und starrte unverwandt auf den leise plätschernden Springbrunnen. Die Freundlichkeit dieses Mannes verunsicherte sie. Weshalb bemühte er sich so um ihr Wohlergehen?
„Bei uns misst man den Wert einer Sklavin nach ihren Künsten und ihrem Können“, sprach er weiter, nachdem er einige Zeit vergeblich auf Antwort gewartet hatte. „Lass mich sehen, ob ich es bedauern muss, einen so hohen Preis für dich bezahlt zu haben. Dein Haar ist zwar schön, ist aber doch hoffentlich nicht alles, was du zu bieten hast.“
Fedora wandte sich ihm erschrocken zu und zog unwillkürlich das Tuch fester vor der Brust zusammen.
Prinz Ahmed lachte, dass seine weißen Zähne blitzten. „Das meinte ich nicht! Ich möchte nicht, dass du dich ausziehst oder schon heute meine Lust befriedigst. Noch nicht … ich habe Zeit ... Nein, ich will, dass du tanzt.“
Ihre Hände sanken herab. „Tanzen?“ fragte sie verblüfft.
„Gewiss. Ibrahim wird dich wohl nicht nur deiner äußeren Schönheit wegen erworben haben. Du musst doch noch andere Fähigkeiten besitzen!“
Fedora hob hochmütig die Augenbrauen. „Wozu?“
„Du kannst also nicht tanzen“, stellte er trocken fest. „Kannst du singen?“
Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Dann bist du vielleicht eine Dichterin?“
„Nein.“
„Oder bist du etwa eine Königin der Liebeskünste?“
Fedora schwieg, merkte jedoch, wie sie errötete.
„Auch nicht“, sagte Ahmed, traurig den Kopf schüttelnd. „Was mag Ibrahim nur an dir gefunden haben?“
„Ich habe ihn nicht gebeten, mich zu kaufen!“ fuhr Fedora auf. „So wenig wie ich Euch gebeten habe, mich ihm abzukaufen!“
„Hm.“ Ahmed strich sich nachdenklich über den Bart. „Dann habe ich wohl viel Geld für nichts ausgegeben.“ Er seufzte, „Kannst du und weißt du denn gar nichts?“
„Wohl nichts, was für Euch von Interesse sein könnte“, erwiderte Fedora, in der plötzlich der Wunsch hochstieg, ihn zu beeindrucken. „Daheim allerdings habe ich den Lauf der Gestirne studiert und die Geometrie und Arithmetik der griechischen Gelehrten erlernt.“
„Tatsächlich?“ Er musterte sie mit neuerwachtem Interesse. „Ich selbst hatte einen Lehrer, der aus Konstantinopel stammte und lange Jahre hier unterrichtete, bevor er wieder heimkehrte. Hast du vielleicht schon von den astronomischen Tafeln gehört, die mein Vater zusammenstellen ließ?“
„Nein, aber mein Vater ist selbst ein großer Gelehrter“, erwiderte sie stolz. „Alles, was ich weiß, habe ich von ihm. Er hat mir sogar die Siddhantas, das große Werk über die Sternenkunde, gegeben und es mir erklärt.“
In Ahmeds Blick veränderte sich etwas, eine gewisse Spannung trat in seine Augen. „Die Siddhantas, diese Sammlung astronomischen Wissens, kenne ich, man hat zu Lebzeiten des großen Harun al-Raschid begonnen, sie zu übersetzen. Aber sie waren sehr schwierig zu verstehen, daher hat er befohlen, dass unsere Gelehrten bei euch lernen und eure zu uns kommen, um unser Wissen auszutauschen und zu bereichern.“ Er beugte sich ein wenig vor, „Wir haben dabei auch viel von eurer Dichtkunst kennen gelernt und die anderer Völker. Kannst du mir vielleicht Verse zitieren, die man in deiner Heimat kennt? Wir lieben die Kunst der Poesie und weniges erfreut uns mehr als kluge, wohlgesetzte Worte.“
„Ihr würdet sie nicht verstehen“, erwiderte Fedora mit leichtem Hochmut in der Stimme. Sie wollte nicht zugeben, wie sehr sie dieser Mann vor ihr beeindruckte, auch wenn er sich über sie lustig machte.
„Versuche es doch einfach.“ Seine Stimme klang unverändert freundlich und nachsichtig.
Sie zögerte, dann richtete sie ihren Blick auf den leise plätschernden Brunnen. Viele Gedichte waren in ihrem Kopf, die sie immer wieder gelesen hatte, weil auch sie die Dichtkunst liebte. Es waren viele Liebesverse darunter, aber sie hütete sich, einen davon zu zitieren, sondern entschied sich für ein Gedicht über das Werden und Vergehen und die Zeit, das sie immer am meisten beeindruckt hatte. Es bestand aus fünf Strophen, die Fedora, nach den ersten Worten völlig in den Versen und der Erinnerung aufgehend und ihre Umgebung dabei völlig vergessend, mit der gleichen Innigkeit wiedergab, in der sie es immer gelesen hatte. Erst als sie geendet hatte, wurde sie sich ihres Zuhörers wieder bewusst, der sie gebannt ansah. Etwas in seinen Zügen hatte sich verändert und die Belustigung war aus seinen Augen verschwunden.
„Das war sehr schön“, sagte er schließlich. „Aber ich kenne dieses Gedicht. Es stammt nicht aus deiner Heimat, sondern aus einem Land, das ferne im Osten liegt. Arabische Gelehrte haben es schon vor vielen Jahren in unsere Sprache übertragen. Es ist eines meiner Lieblingsgedichte, auch wenn ich es noch nie mit solchem Gefühl rezitieren hörte.“ Er musterte sie gedankenvoll, „Ich hatte Unrecht, was dich betraf, meine schöne Byzantinerin. Allein schon dieses Gedichtes wegen und der Freude, die du mir dabei geschenkt hast, wäre kein Preis, den ich Ibrahim für dich bezahlt habe, zu hoch. Ich bin froh, dich in meinem Harem zu haben. Wir werden uns noch oft über all diese Dinge, und auch die Siddhantas, unterhalten.“
Als er sich erhob und auf sie zu kam, brauchte Fedora ihren ganzen Mut, um stehen zu bleiben und ihm ruhig entgegen zu sehen. Er trat dicht zu ihr hin. „Ibrahim hat es falsch angefangen mit dir. Er ist zu grob und denkt zu einfach. Er versteht es nicht, mehr von einer Frau zu wollen als ihren Körper. Erst der Besitz ihres ganzen Wesens, ihres Geistes und am Ende ihre freiwillige Hingabe machen die wahre Lust der Liebe aus.“ Er streckte bei diesen Worten seine Hand nach ihr aus und strich spielerisch über ihren Oberarm, aber Fedora trat einen Schritt zurück.
„Ich mag es nicht, von Euch berührt zu werden“, sagte sie ärgerlich.
Sie hatte kaum ausgesprochen, als es auch schon in den hellen Augen aufblitzte. Und bevor sie noch ausweichen konnte, hatte er sie gepackt und hielt ihre Handgelenke fest. „Du hast gar keine Wahl, meine ungehorsame Byzantinerin. Und wenn ich dich Ibrahim nicht abgekauft hätte, wäre dieser bewunderungswürdige Körper schon längst ein Fraß für die Geier. Und dieser widerspenstige Kopf würde wahrscheinlich schon zu Ibrahims Genugtuung auf einem Pfahl stecken, zur Abschreckung für andere aufsässige Sklavinnen.“
„Besser der Tod als die Schande“, presste sie hervor, immer noch das unwürdige Schauspiel vor Augen, das Ibrahim und seine Frauen ihr geboten hatten.
„Bist du wirklich dieser Meinung? Ist es dir wirklich so furchtbar, in meinem Harem zu leben, schöne Kleider und Schmuck zu tragen und erlesene Köstlichkeiten vorgesetzt zu bekommen, dass du den Tod vorziehst?“
„Ihr habt mich gekauft“, zischte sie ihn an, während sie versuchte, sich zu befreien, „aber Ihr werdet mich nicht besitzen! Niemals!“
„Niemals ist eine lange Zeit“, erwiderte er erheitert, „aber ich denke, du wirst deine Meinung noch ändern. Es wird außerdem reizvoll für mich sein, deinen Widerstand zu überwinden.“ Er drehte ihr bei diesen Worten die Handgelenke auf den Rücken und zog sie an sich, sodass sie in seinen Armen lag und seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte. Sie wandte den Kopf zur Seite und versuchte, sich nach hinten, von ihm weg, zu lehnen. Er hielt sie fest, ohne ihr dabei im Geringsten wehzutun, und sie empfand eine beunruhigende Schwäche, als er sie noch enger an sich presste. Noch nie war sie einem Mann so nahe gewesen und sie stellte voller Verwirrung fest, wie der Druck seines Körpers auf ihren Brüsten, ihrem Bauch, seine Schenkeln auf den ihren, fremde Gefühle in ihr aufsteigen ließen und Wünsche erweckten, die sie bisher nie gekannt hatte.
„Meine Mutter stammt von den Herren der Wüste ab“, sprach Ahmed weiter. „Sie wurde als junges Mädchen geraubt und kam in den Harem des Kalifen von Bagdad. Als ich älter wurde, hat mein Vater mir gestattet, zu reisen, um die Welt kennen zu lernen und mein Wissen über sie zu mehren. Dabei kam ich auch zu dem Beduinen-Stamm meiner Mutter. Ich traf meinen Großvater und lebte einige Zeit mit ihm und seiner Familie. Er schenkte mir ein Pferd, eine Stute. Ein wildes, schönes Tier mit einem langen Schweif, der in der Sonne glänzte wie rotes Gold – fast so wie dein Haar. Sie war zart, aber ungebärdig und sie gehorchte nur meinem Großvater. Als er sie mir zum Geschenk machte, trat sie und biss nach mir und warf mich ab. Bis ich sie zähmte und sie mich auf ihrem Rücken duldete. Wenn ich des Morgens erwachte, erwartete sie mich schon vor dem Zelt in dem ich schlief, und am Abend führte mich mein letzter Gang zu ihr.“
„Habt Ihr sie geschlagen, damit sie Euch gehorche?“ fragte Fedora, den seltsamen Zauber, der sich über sie legte, gewaltsam abschüttelnd.
„Niemals. Ein stolzes Tier darf man nicht schlagen, sonst zieht man sich nur seinen Hass zu. Nein, ich habe sie mit Liebe gezähmt. Mit Geduld. So wie ich auch dich zähmen werde, meine wilde Stute.“
„Ich bin kein Pferd!“
„Umso mehr Freude werde ich daran haben …“ Seine Stimme klang belustigt.
„Und ich lasse mich nicht abrichten!“
„Ein Pferd muss aus freiem Willen gehorchen und seinen Herren lieben, dann trägt es ihn durch alle Gefahren.“ Er brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr, sein Atem strich über ihr Gesicht wie eine körperliche Berührung und Fedora fühlte, wie ihr Widerstand gegen ihn schwand, ihr Körper nachgiebig wurde und sie dem Druck seiner Arme nachgab. Sie atmete zitternd ein, sich seiner Nähe so sehr bewusst, dass sie vermeinte, ein leises Knistern auf ihrer Haut zu fühlen. „Ich werde dich zähmen, meine wilde, freiheitsliebende Stute. Ganz langsam, bedächtig und geduldig. Dich an meine Hand gewöhnen, bis du freiwillig zu mir kommst und mir folgst, wohin immer ich gehe. Man bindet eine Frau nicht durch Fesseln, sondern indem man eine Sehnsucht in ihr erweckt, die nur durch ihren Liebsten und durch sonst nichts befriedigt werden kann.“
Er ließ sie so unvermittelt los, dass sie taumelte, und wandte sich zum Gehen. Kurz bevor er den Raum verließ, sah er sich noch einmal um. „Verstehst du dich auf die Kunst des Schachspiels?“ Seine Stimme, soeben noch eindringlich und verführerisch, klang nun wieder ruhig und heiter.
Fedora brauchte einige Momente, um sich wieder zu fangen. Sie empfand ihre plötzliche Freiheit als unangenehm und es beunruhigte sie, dass ihr die Wärme seines Körpers fehlte. „Man … man hat es mich bereits als Kind gelehrt“, erwiderte sie verwirrt.
Der Prinz nickte lächelnd, „Gut, ich spiele nämlich sehr gerne.“
Fedora atmete erleichtert auf als der Vorhang hinter ihm zurückfiel und sank mit zitternden Knien auf ein Kissen.

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