Arizona Vengeance Eishockey-Team: Dax

Ori­gi­nal­ti­tel: Dax: An Ari­zo­na Ven­ge­an­ce Novel
Über­set­zer: Julia Wei­sen­ber­ger

Er­schie­nen: 03/2022
Serie: Ari­zo­na Ven­ge­an­ce Eis­ho­ckey-Team
Teil der Serie: 4

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Ari­zo­na, Pho­enix


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-544-0
ebook: 978-3-86495-545-7

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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und allen gän­gi­gen On­line­händ­lern und im Buch­han­del

Arizona Vengeance Eishockey-Team: Dax


In­halts­an­ga­be

Die Ari­zo­na Ven­ge­an­ce sind auf dem Eis ein ech­ter Hit. Aber ein Spie­ler scheint den Puck nicht im Auge be­hal­ten zu kön­nen - dank der Frau, die er ge­ra­de ge­hei­ra­tet hat, um ihr Leben zu ret­ten.

Ich heiße Dax Mo­nahan und Eis­ho­ckey ist meine Lei­den­schaft. Wenn man in die­sem Sport er­folg­reich sein will, muss man sich rund um die Uhr den Arsch auf­rei­ßen. Es ist mir nie schwer­ge­fal­len, mich auf meine Kar­rie­re zu kon­zen­trie­ren, aber wenn meine Ver­gan­gen­heit an­klopft, kann mich kein noch so gutes Trai­ning auf das vor­be­rei­ten, was auf der an­de­ren Seite der Tür war­tet.

Regan Miles war immer wie eine Schwes­ter für mich. Als wir uns nach meh­re­ren Jah­ren durch eine ge­mein­sa­me Tra­gö­die wie­der­se­hen, bin ich scho­ckiert, wie sehr sie sich ver­än­dert hat. Das schüch­ter­ne, un­be­hol­fe­ne klei­ne Mäd­chen, das immer hin­ter mir und ihrem Bru­der her­ge­lau­fen ist, ist ver­schwun­den. Statt­des­sen habe ich es mit einer hin­rei­ßen­den Frau zu tun, die es mir ver­dammt schwer macht, mich auf etwas an­de­res als sie zu kon­zen­trie­ren.

Es stellt sich her­aus, dass sie in Schwie­rig­kei­ten steckt und der ein­zi­ge Aus­weg darin be­steht, zu hei­ra­ten. Zu mei­ner ei­ge­nen Über­ra­schung biete ich Regan an, mich zu hei­ra­ten. Nein, ich be­feh­le es ihr sogar! Und das Ver­blüf­fends­te von allem ist, dass sie nicht ein­mal zö­gert, bevor sie zu­stimmt.

Es ist also be­schlos­se­ne Sache. Wir wer­den hei­ra­ten und sie zieht mit mir nach Ari­zo­na. Alles pla­to­nisch, na­tür­lich.

Der Haken an der Sache?
Ich hätte nie ge­dacht, dass ich mich so sehr in die klei­ne Schwes­ter mei­nes bes­ten Freun­des ver­lie­ben werde.

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der Ari­zo­na Ven­ge­an­ce Eis­ho­ckey-Team Serie

Le­se­pro­be

Dax

Ich kling­le an der Tür von Lance’ Woh­nung in Mid­town Man­hat­tan und warte dar­auf, dass seine Schwes­ter auf­macht.
Regan Miles ist sechs Jahre jün­ger als ich, also zwei­und­zwan­zig, und ich kenne sie schon ihr gan­zes Leben. Ihr Bru­der, Lance, war mein bes­ter Freund, so lange ich den­ken kann. Wir wohn­ten im sel­ben Vier­tel und un­se­re El­tern schick­ten uns in die­sel­be Frei­zei­t­eis­ho­ckey­grup­pe. Wir wuch­sen ge­mein­sam in die­sem Sport auf, mach­ten den gan­zen Weg durch die Major Ju­ni­ors zu­sam­men. Als wir sech­zehn waren, wur­den wir bei den De­troit Bears auf­ge­nom­men, einem von nur acht ame­ri­ka­ni­schen Teams, die in der ka­na­di­schen Eis­ho­ckey­li­ga für...

...​Jugend­li­che spie­len.
Wir waren immer zu­sam­men, bis wir beide in die NHL kamen. Lance lan­de­te bei den Vi­pers, wo er seine ge­sam­te Kar­rie­re ver­brach­te. Ich da­ge­gen kam zu den To­ron­to Bla­zers und wech­sel­te spä­ter zu den Vi­pers, für die ich drei Jahre lang spiel­te. Da­nach wurde ich zu mei­nem jet­zi­gen Team, der Ari­zo­na Ven­ge­an­ce, ge­tra­det.
Un­se­re Freund­schaft hat nie dar­un­ter ge­lit­ten. Wir re­de­ten, schrie­ben uns SMS und be­such­ten ein­an­der, wann immer wir konn­ten. In den Som­mer­fe­ri­en waren wir ge­mein­sam un­ter­wegs. Erst im letz­ten Som­mer ver­brach­ten Lance und ich fast einen Monat in Rio, um die herr­li­chen Strän­de und die noch schö­ne­ren bra­si­lia­ni­schen Ladys zu ge­nie­ßen.
Ich denke an die Frau, die Regan im Laufe der Jahre ge­wor­den ist. Lance hatte sich über­haupt nicht ver­än­dert, aber ich habe seine Schwes­ter kaum wie­der­er­kannt, als ich nach sei­nem Tod nach New York flog.
Das Ras­seln der Kette auf der an­de­ren Seite der Tür lässt mich zu­sam­men­zu­cken. Als Regan mit einem sanf­ten Lä­cheln öff­net, muss ich fast die Augen wegen ihrer Schön­heit zu­sam­menknei­fen. Ir­gend­wann in den letz­ten Jah­ren, wäh­rend sie in Ka­li­for­ni­en ihr Stu­di­um ab­sol­vier­te, ist sie er­wach­sen ge­wor­den.
Sie hat sich re­gel­recht ver­wan­delt.
Die Sex­bom­be, die vor mir steht, sieht ganz an­ders aus als der schlak­si­ge, vier­zehn­jäh­ri­ge Teen­ager, den Lance al­lein auf­zie­hen muss­te, nach­dem ihre El­tern bei einem Au­to­un­fall ums Leben ge­kom­men sind. Meine letz­te klare Er­in­ne­rung an Regan ist, dass sie eine Zahn­span­ge, Akne und ein paar Pfund Über­ge­wicht hatte. Sie war schüch­tern und süß und be­wun­der­te ihren Bru­der wegen all der Opfer, die er brach­te, um sie bei sich zu haben, wäh­rend er sich in der Welt des pro­fes­sio­nel­len Eis­ho­ckey­sports einen Namen mach­te.
Die Frau vor mir ist nicht die Regan Miles, an die ich mich er­in­ne­re.
Diese Frau ist eine Zwan­zig auf einer Skala von eins bis zehn. Ka­ra­mellfar­be­nes, an den Spit­zen hel­le­res und in Wel­len ge­styl­tes Haar, das ihr über die Schul­tern und den Rü­cken fällt. Sie ist um ei­ni­ge Zen­ti­me­ter ge­wach­sen und hat sich an den rich­ti­gen Stel­len ent­wi­ckelt. Der Ba­by­speck in ihrem Ge­sicht wurde von wohl­ge­form­ten Wan­gen­kno­chen und Au­gen­brau­en er­setzt, die die schöns­ten grü­nen Augen ein­rah­men, die ich je ge­se­hen habe.
Sie ist wie eine ver­damm­te Frem­de für mich, und doch habe ich ihr un­ter­schwel­lig immer ge­schwis­ter­li­che Ge­füh­le ent­ge­gen­ge­bracht.
Sie ist meine ein­zi­ge Ver­bin­dung zu Lance.
Des­halb bin ich jetzt hier. Weil Lance bei einem ge­wöhn­li­chen Raub­über­fall ge­tö­tet wurde und mit Regan etwas nicht stimmt. Ich will her­aus­fin­den, was los ist, also habe ich sie auf einen Drink ein­ge­la­den. Wir hat­ten heute Abend ein Spiel gegen die New York Phan­toms, das wir ge­won­nen haben, und das Flug­zeug fliegt erst am frü­hen Mor­gen. Ich woll­te nach­se­hen, wie es Regan geht, denn bei den we­ni­gen Malen, die wir seit der Be­er­di­gung mit­ein­an­der ge­spro­chen haben, habe ich ge­merkt, dass sie mit etwas zu kämp­fen hat. Ich habe ver­sucht, es aus ihr her­aus­zu­kit­zeln, aber sie war stur und hat dar­auf be­stan­den, dass alles in Ord­nung ist.
„Ich bin gleich fer­tig“, sagt sie, dreht mir den Rü­cken zu und geht ins Wohn­zim­mer. Es ist ein Schlag in die Ma­gen­gru­be, zu sehen, dass es leer ist bis auf eine Hand­voll ge­pack­ter Kis­ten. Ich nehme an, dass sie den In­halt von Lance’ Leben ent­hal­ten, den er sei­ner Schwes­ter hin­ter­las­sen hat. Sie hat sich in den letz­ten Wo­chen in New York auf­ge­hal­ten, um sich um Nach­lass­an­ge­le­gen­hei­ten und der­glei­chen zu küm­mern.
„Hast du alle seine Möbel ver­kauft?“, frage ich, als sie an der Kü­chen­the­ke ste­hen bleibt und ein Paar Ohr­rin­ge in die Hand nimmt.
Sie neigt den Kopf, um einen an­zu­le­gen. „Die meis­ten davon. Den Rest und seine ge­sam­te Klei­dung habe ich einem Ob­dach­lo­sen­heim ge­spen­det.“
Ich zucke zu­sam­men. „Das war be­stimmt hart.“
Sie nickt und blin­zelt Trä­nen zu­rück, wäh­rend sie den an­de­ren Ohr­ring an­steckt. „Ra­tio­nal ge­se­hen weiß ich, dass es dumm wäre, die Sa­chen zu be­hal­ten. Ich meine … was soll ich denn mit der Un­ter­wä­sche oder den T-Shirts mei­nes Bru­ders an­fan­gen?“
„Aber in­ner­lich willst du diese Ver­bin­dung zu dei­nem Bru­der nicht auf­ge­ben“, ver­mu­te ich.
Mit einem wei­te­ren sanf­ten Lä­cheln nickt sie. „Das fasst in etwa zu­sam­men, wie die letz­ten paar Wo­chen waren. Ich habe das Ge­fühl, dass ich ihn immer wie­der ver­lie­re, wäh­rend ich sein Leben hier aus­mis­te.“
Wir star­ren uns an, und ich ver­su­che, den Kloß in mei­nem Hals hin­un­ter­zu­schlu­cken. Mein Kum­mer über den Ver­lust von Lance ist immer noch rau und schmerz­haft. Ich kann mir nicht vor­stel­len, wie es für sie ist.
Re­gans Un­ter­lip­pe bebt, sie holt tief Luft und lacht ner­vös. „Lass uns über etwas an­de­res reden. Ich will mein Ma­ke-up nicht rui­nie­ren.“
Ich lache nicht.
Statt­des­sen eile ich durch das leere Wohn­zim­mer und ziehe sie in meine Arme. Sie er­laubt es ohne Wi­der­stand und drückt ihr Ge­sicht an mei­nen Hals. Ich fes­ti­ge meine Um­ar­mung mit einer Hand auf ihrem un­te­ren Rü­cken und der an­de­ren in ihrem Na­cken.
Es ist zu viel für sie, und sie schluchzt ein wenig, bevor sie los­lässt. Bei der Be­er­di­gung hat sie ge­weint, aber bei allen üb­ri­gen Ge­le­gen­hei­ten hat sie sich stets zu­sam­men­ge­ris­sen, wäh­rend sie mit den Men­schen sprach, die kamen, um Lance die letz­te Ehre zu er­wei­sen. Sie hat nie die Fas­sung ver­lo­ren, und das war mei­ner Mei­nung nach falsch.
Nicht, dass sie etwas falsch ge­macht hätte, aber ich glau­be nicht, dass sie je­mals die Chan­ce hatte, ihren Ge­füh­len frei­en Lauf zu las­sen. Sie muss­te sich mit den Be­stat­tungs­vor­be­rei­tun­gen, der Be­er­di­gung ihres Bru­ders und all den losen Enden be­schäf­ti­gen, die nach dem Tod eines Men­schen zu­rück­blei­ben.
Regan neigt den Kopf, so­dass ihr Ge­sicht nun an meine Brust ge­drückt wird. Ich spüre, wie die Wärme ihrer Trä­nen in den Stoff mei­nes Hem­des ein­dringt. Ich drü­cke sie fes­ter an mich und wiege sie hin und her, ohne ein Wort zu sagen, um die Ka­thar­sis ihres Kum­mers nicht zu un­ter­bre­chen.
Als sie sich zu be­ru­hi­gen be­ginnt, ziehe ich mich ein wenig zu­rück, um sie an­zu­se­hen. Die schwar­zen Spu­ren ihrer Mas­ca­ra unter ihren Augen und auf ihren Wan­gen las­sen sie noch zer­brech­li­cher und ver­letz­li­cher er­schei­nen.
Ich schen­ke ihr ein Lä­cheln und hoffe, dass sie es er­wi­dert. Ich will, dass sie an­er­kennt, dass Wei­nen gut und in ge­wis­ser Weise be­frei­end ist.
Statt­des­sen kaut sie auf ihrer Un­ter­lip­pe herum, wäh­rend sie ver­sucht, die Schwär­ze unter ihren Augen weg­zu­wi­schen. Es ist nur ein kur­zer Mo­ment, aber ich sehe, dass sie wegen ir­gend­et­was un­glaub­lich be­un­ru­higt ist. Es ist ge­nau­so schnell wie­der ver­schwun­den, als sie mir ein über­mä­ßig strah­len­des Lä­cheln schenkt, das ge­zwun­gen und schmerz­er­füllt wirkt.
„Was ist los, Regan?“, frage ich und lege meine Fin­ger unter ihr Kinn, damit sie mich an­sieht. „Etwas stimmt nicht, und ich will wis­sen …“
„Es ist nichts“, sagt sie in einem Ton­fall, der so au­to­ma­tisch und ro­bo­ter­haft klingt, dass of­fen­sicht­lich ist, dass das ge­naue Ge­gen­teil die Wahr­heit ist.
„Regan … ich bin es. Du kennst mich schon dein gan­zes Leben. Du weißt, was Lance mir be­deu­tet hat. Ich schwö­re bei Gott, was auch immer falsch läuft, ich werde dir hel­fen, es in Ord­nung zu brin­gen. Es ist nicht schlimm, um Hilfe zu bit­ten.“
„Wirk­lich“, be­tont sie und ver­sucht, ihr Lä­cheln noch brei­ter zu ma­chen, um mich ab­zu­len­ken. „Es ist alles in Ord­nung. Ich bin nur müde und will nach Hause.“
Re­gans Hei­mat ist Süd­ka­li­for­ni­en, wo sie nach ihrem Col­le­ge­ab­schluss als Kran­ken­schwes­ter ge­blie­ben ist. Lance fand es nicht gut, dass sie quer durch das Land zog, da er sie in den we­ni­gen Stun­den, die er wäh­rend der re­gu­lä­ren Sai­son zur Ver­fü­gung hatte, nicht be­su­chen konn­te.
Aber Regan hat sich in den Jah­ren, seit ich sie zu­letzt ge­se­hen habe, of­fen­bar von schüch­tern zu un­glaub­lich un­ab­hän­gig ent­wi­ckelt. Nach Lance’ Aus­sa­ge liebt sie ihr Leben dort.
„Du musst nicht immer so stark sein“, sage ich und hoffe, dass ich damit ihre hart­nä­cki­ge Wei­ge­rung durch­bre­chen kann, mir mit­zu­tei­len, was ihr Sor­gen be­rei­tet.
Ihre Un­ter­lip­pe zit­tert leicht, aber sie er­hält ihr Lä­cheln auf­recht. „Es geht mir gut, Dax.“
„Nein“, er­wi­de­re ich und bin ab­so­lut si­cher, dass sie lügt.
Regan presst die Lip­pen zu einer fla­chen Linie zu­sam­men, ihr Blick ver­här­tet sich. Sie hat sich ver­schlos­sen und eine Mauer er­rich­tet, und ich über­le­ge, wel­chen neuen Weg ich ein­schla­gen soll, um diese zu durch­bre­chen.
Eine irr­sin­nig ir­ra­tio­na­le Idee schießt mir in leb­haf­ten Far­ben durch die Ge­dan­ken: Ich packe sie an den Schul­tern, ziehe sie an mich heran und küsse sie wie wild.
Ich schütt­le den Kopf, blinz­le und kon­zen­trie­re mich wie­der. Wir lie­fern uns einen Krieg der Bli­cke, aber da ich stu­rer bin, als Regan es je sein könn­te, halte ich an mei­ner Ent­schlos­sen­heit fest.
Ob sie es spürt oder nicht, werde ich wohl nie er­fah­ren, doch zu mei­ner Über­ra­schung fällt ihr Ge­sichts­aus­druck in sich zu­sam­men und sie heult prak­tisch: „Oh Gott … Dax. Nichts stimmt! Lance hat eine Menge Schul­den an­ge­häuft, und ich habe mit Gläu­bi­gern zu tun, die aus dem Nichts auf­tau­chen und Zah­lun­gen ver­lan­gen. Lance’ Kon­ten sind leer und er hatte keine Le­bens­ver­si­che­rung. Ich habe keine Ah­nung …“
„Was soll das hei­ßen, er hatte keine Le­bens­ver­si­che­rung?“, werfe ich ein.
„Ich habe an­ge­ru­fen“, sagt sie, wäh­rend ihr eine Träne die Wange hin­un­ter­läuft. Sie wischt sie weg. „Sie ist auf­ge­löst wor­den.“
Ich sehe mich hilf­los nach einer Ant­wort auf ihre Pro­ble­me um. In den ge­pack­ten Kis­ten, die alles sind, was von Lance übrig ist, ist sie nicht zu fin­den. Ich drehe mich zu ihr um. „Das ist aber nicht deine Schuld, Regan. Du bist nicht für seine Schul­den ver­ant­wort­lich.“
„Ich weiß“, stimmt sie ohne Um­schwei­fe zu. „Es ist nur … Na­tür­lich weiß ich das.“
Ich be­ob­ach­te sie kri­tisch und über­den­ke ihre letz­ten Worte. Ihr ist klar, dass die Pro­ble­me von Lance nicht die ihren sind. Den­noch … ir­gend­et­was be­las­tet sie zu­sätz­lich. Ich kann spü­ren, wie sie es aus­strahlt.
„Was ist sonst noch los?“, frage ich und ver­schrän­ke meine Arme vor der Brust. Damit zeige ich ihr, dass ich nicht eher nach­ge­be, bis sie mir alles ge­sagt hat.
Sie öff­net den Mund, und ich spüre, dass sie es leug­nen will. Ich schütt­le den Kopf. „Denk nicht daran, mich zu be­lü­gen. Spuck es aus.“
Einen Mo­ment lang starrt Regan mich mit lee­ren Augen an, bevor sie die Schul­tern hän­gen lässt. Sie stößt einen frus­trier­ten Atem­zug aus und streicht sich die Haare aus dem Ge­sicht.
„Einer der Grün­de, warum er sich ver­schul­det hat, bin ich“, gibt sie leise zu und klingt we­ni­ger be­schämt als re­si­gniert.
„Du?“ Ich ziehe ver­wirrt die Brau­en zu­sam­men.
Sie nickt und lä­chelt trau­rig. „Ich war krank und er hat mir bei den Aus­ga­ben ge­hol­fen.“
„Wie bitte?“, frage ich, denn wie krank muss ein Mensch sein, um einen an­de­ren in die Schul­den zu trei­ben? Be­son­ders je­man­den, der so viel Geld ver­dient wie Lance. Und au­ßer­dem … „Hast du keine Kran­ken­ver­si­che­rung?“
„Ich war noch über Lance ver­si­chert“, ant­wor­tet sie. „Wegen mei­nes Al­ters galt ich als Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge, zumal ich ge­ra­de mein Mas­ter­stu­di­um be­gon­nen habe. Aber jetzt, wo er tot ist …“
Ich blinz­le über­rascht. Ich habe nicht ge­wusst, dass sie wie­der zur Schu­le geht, und auch nicht, dass sie krank war.
Wie zum Teu­fel konn­te ich das nicht wis­sen?
„Lance hat nie etwas ge­sagt“, murm­le ich.
Ihr Lä­cheln wird ver­ständ­nis­voll. „Das war auf meine Bitte hin. Ich woll­te nicht, dass es je­mand er­fährt.“
„Was genau?“ Ich spüre ein Ge­fühl des dro­hen­den Un­heils. „Was genau ist los mit dir?“
Ihr Blick schweift durch die leere Woh­nung, bevor sie mich an­sieht. „Vor ein paar Jah­ren fühl­te ich mich nicht gut. Müde, kurz­at­mig. Nichts Welt­be­we­gen­des, aber es dau­er­te so lange, dass ich zum Arzt ging. Nach vie­len Tests wurde bei mir eine Krank­heit na­mens par­o­xys­ma­le nächt­li­che Hä­mo­glo­bin­u­rie dia­gnos­ti­ziert.“
„Was?“ Ich fühle mich nicht nur von die­sem Wort­schwall über­for­dert, son­dern aus ir­gend­ei­nem Grund plötz­lich auch hilf­los ihr ge­gen­über.
Ihre Mund­win­kel heben sich. „Die Ab­kür­zung PNH sagt sich leich­ter. Es ist eine Krank­heit, die meine roten Blut­kör­per­chen zer­stört.“
„Ist sie ernst?“ Für einen kur­zen Mo­ment möch­te ich Lance noch ein­mal um­brin­gen, weil er mir das nicht er­zählt hat.
Regan hebt das Kinn, ihre Augen schim­mern mutig. „Kann sie sein. Aber es gibt ein Me­di­ka­ment, das hilft.“
„Und lass mich raten“, un­ter­bre­che ich sie tro­cken. „Es ist un­glaub­lich teuer.“
„Die Kos­ten be­lau­fen sich für einen durch­schnitt­li­chen PNH-Pa­ti­en­ten auf über vier­hun­dert­tau­send Dol­lar pro Jahr“, sagt sie schlicht.
„Hei­li­ge Schei­ße“, rufe ich. „Wer kann sich das leis­ten?“
„Die Ver­si­che­rung deckt einen Teil der Kos­ten, aber die Aus­ga­ben, die ich selbst tra­gen muss, sind ziem­lich hoch.“
Und es ist klar, warum sie so ver­zwei­felt ist. „Und jetzt ist Lance tot, deine Ver­si­che­rung ist weg, und du hast nicht die Mit­tel, um dafür zu be­zah­len.“
An­statt zu be­stä­ti­gen, was ich ge­ra­de ge­sagt habe, macht sie einen Rück­zie­her und schenkt mir ein wei­te­res über­trie­ben strah­len­des fal­sches Lä­cheln. „Aber das ist nicht dein Pro­blem. Ich bin mir si­cher, dass ich eine Lö­sung fin­den werde. Des­halb woll­te ich auch nicht, dass es je­mand er­fährt, also …“
„Sind deine Kof­fer ge­packt?“, frage ich und schnei­de ihr damit das Wort ab.
Sie run­zelt die Stirn. „Wie bitte?“
„Du hast ge­sagt, du fliegst mor­gen zu­rück nach Ka­li­for­ni­en, rich­tig?“
„Rich­tig“, stimmt sie lang­sam zu.
„Plan­än­de­rung. Du kommst mit mir zu­rück nach Pho­enix.“
„Was?“, ruft sie scho­ckiert aus. „Bist du ver­rückt?“
„Kei­nes­wegs. Du kommst mit mir und wir wer­den hei­ra­ten. Du bist über mich ver­si­chert und ich über­neh­me die Kos­ten für dich.“
„Du bist ver­rückt“, stot­tert sie.
„Und du wirst meine Frau.“
„Nein“, zischt sie.
„Doch“, sage ich selbst­be­wusst. „Merk dir meine Worte.

 

Dax

Regan ist krank.
Ich kann nicht ein­mal aus­spre­chen, was sie hat, aber als ich PNH ge­goo­gelt habe, bekam ich alle In­for­ma­tio­nen, die ich brauch­te, um mich noch mehr zu är­gern.
Ja … als ich aus dem Uber-Fahr­zeug aus­stei­ge und die Be­ton­trep­pe zu ihrer Woh­nung hin­auf­ge­he, bin ich sauer.
Wü­tend, dass sie eine Krank­heit hat, die un­glaub­lich ge­fähr­lich ist, und dass Lance nicht ein­mal daran ge­dacht hat, mir davon zu er­zäh­len. Mehr als zor­nig auf mei­nen bes­ten Freund, weil er ge­stor­ben ist und seine klei­ne Schwes­ter im Stich ge­las­sen hat. Auch eine ge­wis­se Wut auf Regan ist im Spiel, da sie sich ge­wei­gert hat, mit mir nach Pho­enix zu flie­gen. Statt­des­sen hat sie einen frü­he­ren Flug nach En­cini­tas ge­nom­men, der Stadt nörd­lich von San Diego, in der sie lebt, und mir eine SMS ge­schickt, als sie ge­ra­de an Bord ging.
Es blieb mir keine Zeit, sie auf­zu­hal­ten, aber ich konn­te das Team­flug­zeug, das nach Pho­enix flie­gen soll­te, recht­zei­tig ver­las­sen, um den nächs­ten Flug an die West­küs­te zu bu­chen.
Glück­li­cher­wei­se ist es das All-Stars-Wo­chen­en­de, so­dass wir fünf Tage lang kein Spiel haben. In den kom­men­den drei Tagen haben wir nicht ein­mal ein Pflicht­trai­ning, da Le­gend und Bi­shop so­wohl am All-Stars-Ge­schick­lich­keits­wett­be­werb als auch am Spiel teil­neh­men. Ich denke, das ist genug Zeit, um meine zu­künf­ti­ge Frau ab­zu­ho­len und sie von Ka­li­for­ni­en nach Ari­zo­na um­zu­sie­deln.
Ich habe eben­falls eine Ein­la­dung zu den All Stars er­hal­ten, aber nach dem Tod von Lance war ich nicht in Stim­mung und habe be­dau­ernd ab­ge­lehnt. Ta­cker war auch ein­ge­la­den, doch ich bin mir si­cher, dass er es gar nicht be­reut hat, als er ab­ge­sagt hat. Es ist ein­fach nicht sein Ding. Al­ler­dings hat er heut­zu­ta­ge bei so gut wie allem kei­nen Elan mehr.
Als ich den Trep­pen­ab­satz er­rei­che, gibt es einen Mo­ment, in dem mir klar wird, wie tö­richt und kon­trol­lie­rend ich mich ge­ra­de ver­hal­te, aber ich werde von der ab­so­lu­ten Angst um Re­gans Leben an­ge­spornt. Vie­les von dem, was ich im Flug­zeug über PNH ge­le­sen habe, war mir zu hoch, doch man­ches habe ich in ver­ständ­li­che Be­grif­fe fas­sen kön­nen.
Regan lei­det an einer un­glaub­lich sel­te­nen Kno­chen­markskrank­heit, bei der ihre roten Blut­kör­per­chen zer­stört wer­den. Sie tritt auf, weil das Pro­te­in­schild um ihre roten Blut­kör­per­chen fehlt, so­dass es die Zel­len nicht vor dem An­griff des kör­per­ei­ge­nen Im­mun­sys­tems schüt­zen kann. Ich ver­ste­he nicht viel mehr von den Me­cha­nis­men, aber ich habe genug ge­lernt, um nun eine Hei­den­angst zu haben. PNH be­trifft nur einen von einer Mil­li­on Men­schen und ist eine le­bens­be­droh­li­che Krank­heit. Als ich ge­le­sen habe, dass die durch­schnitt­li­che Über­le­bens­zeit nach der Dia­gno­se nur zehn Jahre be­trägt, wur­den meine Beine zu Gummi. Das hat mir im Flug­zeug auf dem Weg nach San Diego den Atem ge­raubt und ich habe lange nach­ge­dacht. Ich bin nicht be­reit, Regan so kurz nach dem Tod von Lance zu ver­lie­ren.
Aber dann habe ich wei­ter­ge­le­sen und Mut ge­schöpft, weil ich mich mit dem teu­ren Me­di­ka­ment ver­traut mach­te, das sie be­nö­tig­te.
Es kos­tet über vier­hun­dert­tau­send Dol­lar pro Jahr, um Sal­vis­tis zu er­hal­ten, das sich an die Pro­te­ine bin­det, die die roten Blut­kör­per­chen zer­stö­ren. Es ret­tet Leben, und sie muss es be­kom­men.
So ein­fach ist das.
Des­halb gehe ich zu ihrer Woh­nungs­tür mit der ein­zi­gen Ab­sicht, Regan ab­zu­ho­len und sie mit mir nach Pho­enix zu neh­men. Dort werde ich sie am Mon­tag­mor­gen hei­ra­ten und ab dem Nach­mit­tag wird sie bei mir mit­ver­si­chert sein.
Ohne zu zö­gern, häm­me­re ich mit der Faust gegen die dünne Holz­tür. We­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter höre ich ein Grum­meln auf der an­de­ren Seite, bevor sich die Tür öff­net und ein klei­ner asia­ti­scher Mann in zer­knit­ter­tem Kit­tel und mit über­all ab­ste­hen­den Haa­ren zum Vor­schein kommt.
„Ja?“, krächzt er und reibt sich mit der Hand über das Ge­sicht. Ich habe ihn ein­deu­tig ge­weckt.
„Ist Regan hier?“, frage ich in der An­nah­me, dass es sich um einen Mit­be­woh­ner han­delt. Oder, ver­dammt, viel­leicht ist er ihr Freund? Er ist un­ge­fähr in Re­gans Alter, wenn auch ein paar Zen­ti­me­ter klei­ner als sie, aber das ist mög­li­cher­wei­se nicht so wich­tig.
Für mich ja, Regan al­ler­dings küm­mert sich nicht um so etwas.
Der Mann hus­tet, blin­zelt und sieht mich an. „Ähm … ja, ich glau­be schon. Ich bin ges­tern Abend nach der Ar­beit auf der Couch ein­ge­schla­fen, also bin ich mir nicht ganz si­cher.“
Er tritt einen Schritt zu­rück und heißt mich in dem klei­nen Wohn­zim­mer will­kom­men. Die Woh­nung ist karg und bil­lig ein­ge­rich­tet, aber die Le­bens­hal­tungs­kos­ten in die­ser süd­ka­li­for­ni­schen Küs­ten­stadt sind hoch, daher bin ich nicht über­rascht.
Ich schlie­ße die Tür hin­ter mir, und der Mann geht in einen kur­zen Flur. Ich sehe, wie er an eine ge­schlos­se­ne Tür pocht. „Reg­gie … bist du da?“
Reg­gie? Das klingt wirk­lich nach einem Spitz­na­men, den ihr ihr Freund geben würde. Aber an­de­rer­seits … warum klopft er an und geht nicht ein­fach rein?
Mein Herz­schlag be­schleu­nigt sich, als sich die Tür öff­net und Regan in den Flur tritt. Sie schenkt dem Mann, von dem ich nun wie­der an­neh­me, dass er nur ihr Mit­be­woh­ner ist, ein schwa­ches Lä­cheln. „Was gibt’s?“
Ein Arm wird er­ho­ben und ein Fin­ger aus­ge­streckt, um durch das Wohn­zim­mer auf mich an der Ein­gangs­tür zu zei­gen. Regan ver­dreht den Hals und ihre Augen wer­den vor Über­ra­schung groß.
„Das soll wohl ein Witz sein“, mur­melt sie.
„Kennst du ihn?“, fragt der Mann und kratzt sich am Kopf, bevor er gähnt.
„Er ist ein Freund der Fa­mi­lie“, ant­wor­tet sie und wirft ihm einen kur­zen Blick zu, bevor sie die Stirn run­zelt. „Geh ins Bett, John. Du siehst furcht­bar aus.“
Ihre Stim­me ist lie­be­voll und warm. Der Mann, John, schenkt ihr ein ver­le­ge­nes Lä­cheln. „Schon dabei. Wir sehen uns spä­ter.“
Er dreht sich um und geht zur Schlaf­zim­mer­tür di­rekt ge­gen­über von Re­gans Zim­mer.
De­fi­ni­tiv ein Mit­be­woh­ner.
Regan kommt auf mich zu, schnappt sich die Decke von der Couch, die John wohl be­nutzt hat, und fal­tet sie schnell und prä­zi­se zu­sam­men. Sie nickt in Rich­tung der Spie­le­kon­so­le auf dem Couch­tisch. „Er zockt nach sei­ner Schicht die ganze Nacht Vi­deo­spie­le und be­kommt nicht genug Schlaf. Er ist eine Ge­fahr für sich selbst.“
„Ist er ein Kran­ken­pfle­ger, wie du?“, frage ich ohne echte Neu­gier, aber sie scheint ihn zu mögen.
Sie nickt und legt die ge­fal­te­te Decke auf die Rü­cken­leh­ne der Couch. „Ar­bei­tet in der An­äs­the­sie. Wir sind jetzt schon seit ein paar Mo­na­ten Zim­mer­ge­nos­sen.“
„Scheint nett zu sein“, murm­le ich.
„Das ist er“, ant­wor­tet sie und ver­engt die Augen.
Gott, sie ist so schön. Ich kann immer noch nicht be­grei­fen, warum mir das vor­her nie so rich­tig auf­ge­fal­len ist.
„Wieso bist du hier, Dax?“
„Du weißt, wieso“, ant­wor­te ich und schlen­de­re zum Sofa hin­über, um mich hin­zu­set­zen. Ich winke sie zu mir und klop­fe auf das Kis­sen neben mir. „Mir ist klar, dass ich in New York viel­leicht ein wenig an­ma­ßend dir ge­gen­über war, und ich bin ge­kom­men, damit wir noch ein biss­chen reden kön­nen.“
„Oh“, macht sie sar­kas­tisch, wäh­rend sie sich ans an­de­re Ende der Couch setzt. „Du meinst, du bist nicht hier, um mich über deine Schul­ter zu wer­fen und in deine Höhle zu schlep­pen?“
„Wenn ich glau­ben würde, dass ich auf diese Weise durch die Si­cher­heits­kon­trol­le am Flug­ha­fen käme, würde ich es tun“, ent­geg­ne ich un­wirsch, wor­auf­hin sie schnau­bend lacht.
Mit einem re­si­gnier­ten Seuf­zer lässt sie sich auf das Sofa fal­len und streicht sich mit den Fin­gern durch das Haar an der Schlä­fe, bevor sie ihren Arm über die Lehne legt. Als sie eins ihrer lan­gen Beine unter sich zieht, kann ich nicht an­ders, als die ge­schmei­di­ge Haut in den Jeans­shorts zu be­wun­dern.
„Ty­pisch Mo­nahan“, mur­melt sie und ihre Mund­win­kel zie­hen sich nach oben. „Er weiß nicht, wie man ein ‚Nein‘ als Ant­wort ak­zep­tiert.“
„Wil­low ist viel schlim­mer als ich!“
Regan lacht schal­lend bei der Er­wäh­nung mei­ner nur an­dert­halb Jahre jün­ge­ren Schwes­ter. „Das ist wahr. Aber es ist deine Schuld. Du hat­test einen schlech­ten Ein­fluss auf sie.“
„Ich über­neh­me nicht die Ver­ant­wor­tung dafür, wie Wil­low sich ent­wi­ckelt hat.“ Ich hebe ab­weh­rend die Hände. „Sie ist ein un­er­klär­li­ches Ge­schöpf.“
Was auch wahr ist. Wil­low ist wild, her­risch, un­ab­hän­gig und eine Bes­ser­wis­se­rin. Ich fürch­te, sie wird nie sess­haft wer­den, denn ich kann mir kei­nen Mann vor­stel­len, der mit ihr zu­recht­kom­men könn­te.
„Sie sagt, sie kommt bald zu­rück in die Staa­ten.“
Ich nicke. Meine Schwes­ter ar­bei­tet der­zeit als Fo­to­jour­na­lis­tin und reist durch die ganze Welt. „Ende nächs­ter Woche. Sie kommt sogar nach Pho­enix, um etwas Zeit mit mir zu ver­brin­gen, also kannst du sie wie­der­se­hen.“
Eine wei­te­re Al­pha­me­tho­de – Sub­ti­li­tät ist nicht ge­ra­de meine Stär­ke. Regan re­agiert, indem sie eine Au­gen­braue hoch­zieht und ihre Lip­pen ab­weh­rend zu­sam­men­presst.
Ich pre­sche vor, bevor sie ein Wort sagen kann. „Regan … es ist eine kurz­fris­ti­ge Sache. Nur eine Ehe auf dem Pa­pier. Du bist ver­si­chert, kannst dich be­han­deln las­sen und dein Stu­di­um be­en­den. Wenn du damit fer­tig bist und einen Job mit Ver­si­che­rung hast, kön­nen wir uns schei­den las­sen. Es ist die ein­fachs­te Lö­sung.“
Sie starrt mich lange an, und ich merke, dass sie über das nach­denkt, was ich sage, aber sie ist nicht über­zeugt.
„Ich bin das, was einer Fa­mi­lie für dich am nächs­ten kommt, Regan. Und Lance würde das gut­hei­ßen. Du weißt, dass er es wol­len würde.“
Ihre Augen ver­en­gen sich leicht und sie legt den Kopf schief. „Dass ich wegen des Gel­des hei­ra­te und nicht aus Liebe?“
Ich sehe sie kühl und rü­gend an. „Du weißt, dass er das nicht tun würde, aber er würde er­ken­nen, dass ich die­ses An­ge­bot aus Liebe mache. Es ist un­kon­ven­tio­nell, klar, doch an dem, was du ge­ra­de durch­machst, ist nichts kon­ven­tio­nell. Es ist ein guter Vor­schlag, Regan. Es gibt kei­nen Grund, warum du sie nicht an­neh­men soll­test.“
Regan sieht an mir vor­bei und dort­hin, wo sich die Ein­gangs­tür be­fin­det. Sie knab­bert an ihrer Un­ter­lip­pe, wäh­rend sie über­legt. „Ich nehme an, es ist nur ein Stück Pa­pier“, sagt sie lang­sam und rich­tet ihren Blick wie­der auf mich. „Ich habe hier eine Teil­zeit­stel­le als Kran­ken­schwes­ter. Ich könn­te dir das Geld auf jeden Fall nach und nach zu­rück­zah­len. Wenn ich im Herbst den Mas­ter­stu­di­en­gang be­gin­ne, füh­ren wir ein­fach Buch, und ich kann es dir geben, wenn ich eine feste Stel­le ge­fun­den habe. Oder ich lasse das mit dem Mas­ter­stu­di­en­gang. Ich könn­te mir jetzt schon eine feste Stel­le su­chen …“
„Auf kei­nen Fall! Du bleibst an der Uni und ar­bei­test nicht, wäh­rend du stu­dierst. Du zahlst mir auch nichts zu­rück.“
Wie­der rich­tet sie sich auf und starrt mich scharf an. „Ich nehme keine Al­mo­sen an.“
„Regan … ich ver­die­ne eine Menge Geld. Lass mich …“
„Ent­we­der ich zahle es dir zu­rück oder es gibt kei­nen Deal“, sagt sie ver­schnupft.
„Gut. Zahl mir das Geld zu­rück, wenn du willst. Aber wäh­rend du an der Uni bist, lernst du und ar­bei­test nicht.“
„Ja, Daddy“, schnauzt sie und grinst spöt­tisch.
Meine Hand­flä­che juckt. Was würde ich jetzt nicht alles dafür geben, sie auf ihren Hin­tern zu schla­gen. Ich schie­be den Ge­dan­ken bei­sei­te und stehe auf. „Dann ist es ab­ge­macht. Ich kann noch einen Tag hier­blei­ben, um dir beim Pa­cken zu hel­fen, aber da­nach müs­sen wir nach Pho­enix. Ich muss am Mon­tag zum Trai­ning zu­rück sein.“
Regan blin­zelt mich über­rascht an. „Ich werde nicht mit dir nach Pho­enix gehen, Dax. Ich werde dich hei­ra­ten, aber ich blei­be hier.“
„Warum?“
„Warum?“, wie­der­holt sie un­gläu­big, wäh­rend sie von der Couch auf­springt und sich vor mir auf­baut. „Weil ich hier lebe. Mein Leben ist hier. Ich habe eine Woh­nung und einen Job. Hier fange ich im Herbst mit dem Stu­di­um an.“
„Diese Sa­chen sind leicht zu er­set­zen und du kannst in Pho­enix auf die Uni­ver­si­tät gehen. Hast du einen Freund oder so?“
Okay, das kam aus dem Blau­en und klang gleich­zei­tig un­glaub­lich de­fen­siv. Ich spüre, wie mir die Hitze in den Na­cken steigt, aber Regan schüt­telt den Kopf. „Nein, ich habe kei­nen Freund, doch das tut nichts zur Sache. Ich liebe Ka­li­for­ni­en und ich bin hier an der Uni ein­ge­schrie­ben.“
„Du kannst dich in Pho­enix an der Uni an­mel­den. Das habe ich be­reits über­prüft. Die Ari­zo­na State Uni­ver­si­ty hat ein her­vor­ra­gen­des Pro­gramm für Pfle­ge­kräf­te. Und du kannst zu­rück nach Ka­li­for­ni­en kom­men, so­bald du wie­der auf ei­ge­nen Füßen stehst“, ver­si­che­re ich ihr und igno­rie­re das un­an­ge­neh­me Ge­fühl in mei­nem Bauch bei dem Ge­dan­ken. „Aber wenn ich dich unter einem Vor­wand hei­ra­ten soll, ma­chen wir es rich­tig. Du musst in Pho­enix in mei­ner Woh­nung blei­ben. Ich werde nicht wegen Ver­si­che­rungs­be­trugs ins Ge­fäng­nis gehen.“
Regan wird blass, sinkt auf die Couch und schüt­telt lang­sam den Kopf. „Siehst du … das ist eine der­ma­ßen dumme Idee!“
„Lance hat mich zu dei­nem Vor­mund be­stimmt, falls er stirbt“, murm­le ich und ziehe mein letz­tes Ass. Das wird für sie nichts Neues sein, denn sie muss­te sei­nen Nach­lass ver­wal­ten. Ich bin si­cher, sie hat es in sei­nem Tes­ta­ment ge­se­hen. Er hat mir davon er­zählt, als er es vor Jah­ren auf­set­zen ließ. „Zu­ge­ge­ben … das war für den Fall, dass er stirbt, wäh­rend du noch min­der­jäh­rig bist, aber seine Ab­sicht war klar. Er woll­te, dass ich mich um dich küm­me­re, wenn er es nicht mehr kann, und genau das werde ich tun, Regan. Bitte sorge dafür, dass ich sein An­denken nicht ent­eh­ren muss.“
Das sind die Worte, die nötig waren. Ich kann ihre Ka­pi­tu­la­ti­on daran sehen, wie ihre Schul­tern sin­ken, und ich hasse es, dass sie so ab­ge­neigt ist, mit mir nach Pho­enix zu kom­men. Aber ich weiß tief in mei­nem In­ne­ren, dass ich das Rich­ti­ge tue. Wo auch immer Lance ge­ra­de sein mag, er nickt si­cher zu­stim­mend.
„Gut“, sagt sie schließ­lich mit einem Hauch von Re­si­gna­ti­on. Sie steht auf, ist zwar nicht Auge in Auge mit mir, aber nah genug, dass ich die Ent­schlos­sen­heit in ihrem Blick nicht über­se­hen kann. „Ich werde nach Pho­enix kom­men. Ich werde dich hei­ra­ten, damit ich meine Be­hand­lung be­kom­men kann. Ich werde in dei­nem Haus leben.“
„Du wirst Pho­enix lie­ben …“
„Egal“, un­ter­bricht sie mich ab­wei­send und lässt mich nicht ver­ges­sen, dass sie nicht glück­lich dar­über ist, dass das hier not­wen­dig ist. „Aber ich will, dass das ge­heim bleibt. Es ist mir zu­wi­der, dass wir das Sys­tem be­trü­gen.“
„Wir ret­ten dein Leben, Regan.“ Das klingt wie in ein tie­fes, wü­ten­des Knur­ren und lässt sie über­rascht blin­zeln. „Scheiß auf das Sys­tem. Sie soll­ten kein Me­di­ka­ment her­stel­len, das fast eine halbe Mil­li­on Dol­lar pro Jahr kos­tet, nur damit du leben kannst.“
Sie neigt den Kopf, so­dass ein Teil ihres glän­zen­den Haa­res über ihre Schul­ter fällt. Es sieht so weich aus. Es juckt mich in den Fin­gern, es zu be­rüh­ren, und mir wird mit einem Mal klar, dass es schwie­rig für mich sein wird, sie in mei­nem Haus zu haben.
Das wird ein ab­so­lu­tes Mons­ter von einem Pro­blem sein.
„Gut“, stimmt sie leise zu, und meine Auf­merk­sam­keit wan­dert von ihrem Haar zu den atem­be­rau­bend wei­chen Lip­pen, die sie auf meine Wange presst, nach­dem sie sich auf die Ze­hen­spit­zen ge­stellt hat. Ihre Hände ruhen leicht auf mei­nen Schul­tern, und ich weiß nicht, ob ich die­ses Ge­fühl jetzt je­mals wie­der ver­ges­sen werde. Sie zieht sich zu­rück und fängt mei­nen Blick ein. „Wir ret­ten mein Leben, aber ich möch­te es trotz­dem ge­heim hal­ten. Sag den Leu­ten, dass ich mir nach Lance’ Tod eine Aus­zeit nehme und nur eine Zeit lang mit dir ab­hän­ge.“
„Das kann ich ma­chen.“
Und es scheint, ro­man­ti­scher wird es nicht. Schuld­ge­füh­le tref­fen mich in der Brust, aber ich ver­drän­ge sie.
Wie wir uns ge­ra­de ge­ei­nigt haben:
Wir ret­ten ihr das Leben.