The Wicked Horse: Finding Kyle

Ori­gi­nal­ti­tel: Fin­ding Kyle
Über­set­zer: J.M. Meyer

Er­schie­nen: 04/2023
Serie: The Wi­cked Horse
Teil der Serie: 6

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Maine


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-628-7
ebook: 978-3-86495-629-4

Preis:
Print: 16,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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The Wicked Horse: Finding Kyle


In­halts­an­ga­be

Wenn du dein Leben als Ver­bre­cher ge­lebt hast ...

Wenn du un­aus­sprech­li­che Dinge getan hast ...

Wenn deine Seele dun­kel und be­fleckt ist ...

Der Weg zur Er­lö­sung be­ginnt dort, wo du es am we­nigs­ten er­war­test.

Nach­dem Kyle Som­mer­vil­le als Un­der­co­ver­agent in einem kri­mi­nel­len Mo­tor­rad­club er­mit­telt hat, muss­te er un­ter­tau­chen. Kyle ver­steckt sich jetzt als Leucht­turm­wär­ter in einer klei­nen Stadt in Maine und will von nie­man­dem ge­fun­den wer­den. Schon gar nicht von sei­ner schrul­li­gen, frei­geis­ti­gen Nach­ba­rin. Doch Jane Cres­sons un­be­zwing­ba­rer Wille und ihre un­still­ba­re Neu­gier auf ihren zu­rück­ge­zo­gen le­ben­den, sexy Nach­barn ma­chen es Kyle un­mög­lich, in sei­ner dunk­len Welt zu blei­ben.

Nach und nach über­win­det Jane seine Mau­ern. 

Tag für Tag bringt sie ihn dazu, ein wenig mehr zu lä­cheln.

Nacht für Nacht ent­de­cken sie beide eine Lei­den­schaft, von der sie nicht ahn­ten, dass sie in ihnen steckt. 

Kann Janes Liebe zu die­sem ge­bro­che­nen Mann ihm end­lich den Weg zur Er­lö­sung wei­sen, oder wird Kyles Dun­kel­heit jedes biss­chen Hoff­nung, das Jane in ihn ge­setzt hat, end­gül­tig aus­lö­schen?

Ein Wi­cked Hor­se-Spi­n­off-Ro­man. 

Über die Au­to­rin

Seit ihrem De­büt­ro­man im Jahr 2013 hat Sa­wy­er Ben­nett zahl­rei­che Bü­cher von New Adult bis Ero­tic Ro­mance ver­öf­fent­licht und es wie­der­holt auf die Best­sel­ler­lis­ten der New York Times und USA Today ge­schafft.
Sa­wy­er nutzt ihre Er­fah­run­gen als ehe­ma­li­ge Straf­ver­tei­di­ge­rin in...

Wei­te­re Teile der The Wi­cked Horse Serie

Le­se­pro­be

Jane

Ich lehne mei­nen Bauch gegen den Rand der An­rich­te und bli­cke durch das Fens­ter, wäh­rend ich an mei­nem Kaf­fee nippe. Es soll­te Män­nern ver­bo­ten sein, so un­ver­schämt gut aus­zu­se­hen. Nein, ei­gent­lich soll­te es als Sünde gel­ten. Es soll­te eine Sünde sein, so ver­dammt gut aus­zu­se­hen, und man soll­te es in der Bibel er­wäh­nen. Oder viel­leicht denke ich auch bloß so, weil ich mei­nen Nach­barn so ex­trem be­geh­re.
Für Mitte Mai ist es in Misty Habor ver­hält­nis­mä­ßig mild. Ich habe ge­hört, dass für heute sechs­zehn Grad Cel­si­us vor­aus­ge­sagt wur­den. Heute Abend soll es auf vier Grad ab­küh­len, doch im Mo­ment...

...​genieße ich ein­fach bloß das Wet­ter. Das be­deu­tet, dass meine Fens­ter ge­öff­net sind. Ich mache das immer, um den Früh­ling her­ein­zu­las­sen. Meine Roll­lä­den sind hoch­ge­zo­gen, und mein Nach­bar, der auf der an­de­ren Seite des Pri­vat­we­ges wohnt, der un­se­re Grund­stü­cke von­ein­an­der trennt, hat sich so­eben sein Hemd aus­ge­zo­gen, um die Fas­sa­de des klei­nen Turms zu säu­bern.
Es ist wirk­lich ein wun­der­ba­rer Tag.
Ich atme tief ein, in­ha­lie­re den Duft der Mee­res­bri­se und der weiß blü­hen­den Bü­sche, die Schnee­ball hei­ßen, ein, die unter dem Kü­chen­fes­ter zu blü­hen be­gin­nen, und lä­che­le. Ich liebe den Früh­ling so sehr – weil er für Er­neue­rung und Hoff­nung steht. Der letz­te Win­ter in Misty Habor war bru­tal, aber der ist jetzt Gott sei Dank vor­über. Ich freue mich dar­auf, so viel Zeit im Frei­en zu ver­brin­gen, wie mein Zeit­plan es nur zu­lässt.
Mein klei­nes Häus­chen liegt west­lich der Cran­ber­ry Lane. Di­rekt ge­gen­über der stau­bi­gen Stra­ße mei­nes neuen Nach­barn. Ein Mann, den ich noch nicht per­sön­lich ken­nen­ge­lernt habe, ob­wohl er schon ein paar Mo­na­te hier lebt. Es ging das Ge­rücht um, dass der Stadt­rat den alten Boggs als Si­cher­heits­mann für den Turm, das Gray Birch Lighthouse, ab­set­zen woll­te, da er ihn und das da­zu­ge­hö­ri­ge Haus­meis­ter­haus voll­kom­men ver­kom­men ließ. Au­ßer­dem woll­te der Stadt­rat den Leucht­turm im Som­mer für Tou­ris­ten zu­gäng­lich ma­chen, um un­se­rer Stadt ein paar Ein­nah­men zu be­sche­ren. Lei­der hat­ten wir nicht den er­hoff­ten Zu­strom an Be­su­chern wie in Bar Har­bor auf der an­de­ren Seite der French­man´s Bay.
Die Ge­rüch­te­kü­che ver­stumm­te, als der alte Boggs im Ja­nu­ar die Wen­del­trep­pe des Turms her­un­ter­stürz­te und sich den Ober­schen­kel brach. Schnell wurde seine Stel­le neu be­setzt, und ehe ich mich ver­sah, zog mein neuer Nach­bar in einer ver­schnei­ten Nacht An­fang Fe­bru­ar ein. Er hatte nicht mehr bei sich als einen gro­ßen See­sack. Ich weiß das so genau, weil ich mit einer hei­ßen Tasse Kakao vor dem Kü­chen­fens­ter saß und ihn be­ob­ach­te­te.
Jetzt, da die kal­ten Tage end­gül­tig vor­über sind, werde ich ihn wohl noch öfter drau­ßen sehen, wenn er Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten leis­tet. Ich fände es gar nicht so übel, wenn er das ohne sein Hemd macht. Genau wie jetzt. Ob­wohl er gut hun­dert Meter von mir ent­fernt ist, kann ich sehen, dass die obere Hälf­te sei­nes Rü­ckens von Tä­to­wie­run­gen be­deckt ist. Eben­so wie seine Rip­pen auf der rech­ten Seite und der Groß­teil bei­der Arme. Als er sich vor­hin ein­mal in Rich­tung mei­nes Hau­ses um­dreh­te, um den Hoch­druck­rei­ni­ger ein­zu­stel­len, konn­te ich eine große Tä­to­wie­rung auf sei­ner Brust er­ken­nen, die bis zu sei­nem Hals hin­auf­reicht. De­tails konn­te ich nicht aus­ma­chen – aber ich bin ja auch keine Stal­ke­rin.
Mein iPho­ne klin­gelt, und als ich einen Blick auf das Dis­play werfe, sehe ich, dass Mi­ran­da mich zu er­rei­chen ver­sucht. Ich gehe ran. „Guten Mor­gen.“
„Was machst du ge­ra­de?“, nu­schelt sie, wor­auf­hin mir klar ist, dass sie wäh­rend des Te­le­fo­nats isst.
„Ich spio­nie­re mei­nen hei­ßen Nach­barn aus, der ge­ra­de den Leucht­turm mit einem Hoch­druck­strah­ler be­ar­bei­tet“, er­wi­de­re ich und rich­te mei­nen Blick wie­der auf be­sag­ten Mann. „Was isst du?“
„Corn­flakes.“ Ich höre, wie sie einen wei­te­ren, schmat­zen­den Löf­fel nimmt. „Was hat er denn an?“
„Jeans“, lasse ich sie wis­sen. „Aus­ge­wa­schen. Sitzt aber per­fekt. Ar­beits­stie­fel. Oh, und Tat­toos. Er hat eine Menge Tat­toos.“
„Ich bin schon auf dem Weg zu dir, Jane“, meint sie, dies­mal we­ni­ger schmat­zend. Ich muss schmun­zeln, denn ob­wohl Mi­ran­da und ich so ver­schie­den wie Tag und Nacht sind, ste­hen wir beide auf die­sen hei­ßen Kerl, der unser klei­nes, ver­schla­fe­nes Nest be­rei­chert.
„Du kannst heute nicht mit mir zu­sam­men span­nen“, ent­geg­ne ich nicht ge­ra­de freund­lich. „Mar­ge­ry wird jeden Mo­ment für ihre Un­ter­richts­stun­de hier sein.“
„Scheiß auf Mar­ge­ry“, brummt Mi­ran­da.
„Sie ist zehn Jahre alt“, ta­de­le ich sie la­chend. „So etwas kannst du doch nicht über ein Kind sagen!“
„O doch, näm­lich dann, wenn es zwi­schen mir und einem hei­ßen, tä­to­wier­ten, männ­li­chen Le­cker­bis­sen steht“, er­wi­dert sie.
„Du bist so böse.“ Mi­ran­da liebt Mar­ge­ry im Grun­de ge­nom­men ge­nau­so sehr wie ich. „Wol­len wir spä­ter zu­sam­men essen gehen?“
„Ich kann nicht, ich muss heute Abend ar­bei­ten. Aber, du könn­test auf einen Drink vor­bei­kom­men.“
Ich rümp­fe die Nase. Mi­ran­da hat drei Jobs. Einer davon ist das Mixen von Ge­trän­ken in einer der schä­bigs­ten Knei­pen hier in Misty Habor na­mens Lobs­ter Cage. Sie ar­bei­tet dort nur ein paar Näch­te die Woche, doch die­ser Aus­hilfs­job hilft ihr dabei, zu ihrem Ein­kom­men als Fri­seu­rin etwas da­zu­zu­ver­die­nen. Dann kell­nert sie noch in einem der be­lieb­tes­ten Re­stau­rants in der Ge­gend. Vor­aus­ge­setzt, sie be­kommt es zeit­lich da­zwi­schen­ge­scho­ben, ein paar Schich­ten zu über­neh­men. Ob­wohl die Ein­woh­ner­zahl von Misty Har­bor in den Som­mer­mo­na­ten etwas an­steigt, ist es schwer, sich mit Haar­schnit­ten und Strähn­chen in einer Stadt mit we­ni­ger als tau­send per­ma­nent hier le­ben­den Men­schen über Was­ser zu hal­ten. Zumal sie nicht die ein­zi­ge Fri­seu­rin im Um­kreis ist.
„Hast du ihn schon ken­nen­ge­lernt?“, will Mi­ran­da wis­sen und lenkt das Thema wie­der auf den Mann, den ich noch immer an­star­re.
„Noch nicht“, ent­geg­ne ich mür­risch. Ich hatte ihm vor ein paar Wo­chen einen Korb mit Back­wa­ren vor die Tür ge­stellt. Au­ßer­dem habe ich eine Notiz hin­ter­las­sen, um ihn in Misty Har­bor will­kom­men zu hei­ßen, aber ich habe seit­her kei­nen Pieps mehr von ihm ge­hört. Er hatte nicht mal den An­stand, mei­nen Korb zu­rück­zu­brin­gen. „Ich habe vor ein paar Wo­chen Muf­fins ge­ba­cken und sie ihm vor die Tür ge­stellt, aber er ist noch nicht vor­bei­kom­men, um sich bei mir zu be­dan­ken.“
„Wahr­schein­lich, weil er sich an einem Muf­fin einen Zahn aus­ge­bis­sen hat“, sagt Mi­ran­da un­ver­blümt, und wäh­rend die meis­ten des­we­gen be­lei­digt wären, bin ich es nicht. Manch­mal lässt meine Back­kunst sehr zu wün­schen übrig. Mi­ran­da nimmt kein Blatt vor den Mund und ver­ge­wis­sert sich auch nicht, meine Ge­füh­le nicht ver­letzt zu haben, was nicht der Fall ist. „Geh ein­fach rüber und stell dich ihm vor.“
„Geht nicht. Mar­ge­ry kommt doch gleich.“
„Gott, dann geh eben nach Mar­ge­rys Stun­de rüber.“
„Viel­leicht“, ent­geg­ne ich vage. Denn ob­wohl es mir eine ge­wis­se Si­cher­heit geben soll­te, ihm im­mer­hin einen Korb mit Muf­fins vor­bei­ge­bracht zu haben, die viel­leicht die Kon­sis­tenz eines Zie­gel­steins hat­ten, bin ich mir nicht si­cher, ob ich den Mut habe, ihn tat­säch­lich an­zu­spre­chen.
„Okay“, meint Mi­ran­da ent­schlos­sen. „Ich komme mor­gen bei dir vor­bei. Wir gehen zu­sam­men zu ihm rüber und stel­len uns vor. Ab­ge­macht?“
„Viel­leicht“, ent­geg­ne ich, und bin mir ei­gent­lich ziem­lich si­cher, dass mein Zö­gern be­deu­tet, dass ich mich voll­kom­men damit be­gnü­gen werde, ihn aus der Ferne an­zu­schmach­ten. Die­ser Mann hat etwas an sich, dass ihn düs­ter und ge­fähr­lich wir­ken lässt – was ver­mut­lich nur an den vie­len Tat­toos liegt – und ei­gent­lich ist er auch über­haupt nicht mein Typ.
„Also gut, Süße“, zwit­schert Mi­ran­da ins Te­le­fon. „Ich sprin­ge jetzt unter die Du­sche. Wir quat­schen spä­ter?“
„Si­cher. Bis dann.“ Ich be­en­de das Te­le­fo­nat, lege das Handy zur Seite und beuge mich über die An­rich­te. Ich be­ob­ach­te mei­nen Nach­barn und frage mich, was für eine Ge­schich­te er wohl zu er­zäh­len hat.
Nach­dem er im Fe­bru­ar her­ge­zo­gen ist, habe ich ihn den gan­zen Win­ter über kaum aus sei­nem klei­nen Häus­chen kom­men sehen, ob­wohl ich weiß, dass er es dann und wann ver­las­sen haben muss, denn schließ­lich braucht er zu­min­dest Le­bens­mit­tel. Ich habe ihn aber nie in der Stadt ge­se­hen, was fast an ein Wun­der grenzt, da Misty Habor win­zig ist. Man kann das Städt­chen in zehn Mi­nu­ten zu Fuß um­run­den. Jeder kennt jeden, und ob­wohl die Fi­scher und Hum­mer­fi­scher manch­mal etwas selt­sam sein kön­nen, sind die meis­ten freund­lich und auf­ge­schlos­sen.
Mi­ran­da hat mir er­zählt, dass sie mei­nen Nach­barn zwei­mal im Lobs­ter Cage ge­se­hen hat. Ihrer Aus­sa­ge nach saß er an der Bar und trank in aller Ruhe seine Drinks, ohne sich mit je­man­dem zu un­ter­hal­ten. Er scheint ein Ein­zel­gän­ger zu sein und ist ver­mut­lich nicht her­ge­zo­gen, weil er eine Ver­bin­dung zur Ge­gend hat. Des­halb frage ich mich, wie er an den Job als Leucht­turm­wär­ter ge­kom­men ist. Denn nach allem, was ich ge­hört habe, ist das quasi ein Ding der Un­mög­lich­keit.
Um das Gray Birch Lighthouse zu be­treu­en, braucht es nicht viel. Das Licht, das sie Boote vor den fel­si­gen Ufern und Un­tie­fen warnt, die vor der Ein­fahrt in die Misty Bay um­schifft wer­den müs­sen, wird mit Strom be­trie­ben und hat zudem noch einen Not­strom­ge­ne­ra­tor. Es läuft also ziem­lich aut­ark. Dar­über hin­aus muss der Wär­ter nur den Turm und die Hütte in Stand hal­ten, wobei es sich dabei haupt­säch­lich um Aus­bes­se­rungs­ar­bei­ten und einen jähr­li­chen Früh­jah­res­putz han­delt. Der Job ist ziem­lich leicht. Ich kann mir vor­stel­len, dass er nicht viel ein­bringt, aber ich habe ge­hört, dass die Miete für das Häus­chen dem­entspre­chend güns­tig ist.
Ein lei­ses Klop­fen an mei­ner Haus­tür lässt mich auf­schre­cken. Ich werfe einen al­ler­letz­ten Blick auf den hei­ßen Kerl, der den Leucht­turm rei­nigt, und stel­le dann meine Tasse ab, um zur Haus­tür zu gehen.
Nach­dem ich sie ge­öff­net habe, strahlt mich die klei­ne Mar­ge­ry Den­ni­son mit einem brei­ten Lä­cheln an. „Hallo, Miss Cres­son.“
„Guten Mor­gen.“ Ich strah­le zu­rück. „Bist du be­reit für deine Übungs­stun­de?“
Sie nickt en­thu­si­as­tisch. „Ich habe geübt.“
Ich lä­che­le, denn Mar­ge­ry hat viel Ta­lent und nimmt die Übungs­ein­hei­ten sehr ernst. Vor etwa drei Mo­na­ten habe ich damit be­gon­nen, ihr im pri­va­ten Rah­men Kunst­un­ter­richt zu geben, da zu der Zeit klar war, dass sie mei­nen an­de­ren Schü­lern an der Schoo­dic Midd­le School haus­hoch über­le­gen ist. Nach­dem ich mit ihren El­tern ge­spro­chen hatte, schick­ten sie ihre Toch­ter für eine wö­chent­li­che Pri­vat­stun­de zu mir. Ich war froh dar­über, denn durch die­sen Ex­traun­ter­richt kann ich mein Leh­rer­ge­halt auf­bes­sern, ob­wohl ich zu­sätz­lich noch an der Ju­ni­or und an der High School Kunst un­ter­rich­te. Unser Schul­be­zirk ist so klein, dass ich an drei Schu­len un­ter­rich­ten muss, und ich habe trotz­dem noch immer Mühe, über die Run­den zu kom­men. Der pri­va­te Kunst­un­ter­richt ist für mich die per­fek­te Mög­lich­keit, mir etwas Luft zu ver­schaf­fen, so­dass ich nicht, wie Mi­ran­da, im Lobs­ter Cage ar­bei­ten muss.
Mar­ge­ry lässt ihren leich­ten Man­tel von den Schul­tern glei­ten und zup­pelt an dem Ka­pu­zen­pull­over herum, den sie dar­un­ter trägt. Ob­wohl es heute bis zu fünf­zehn Grad warm wer­den könn­te, ist es immer noch ein biss­chen frisch.
„Be­hal­te den Pull­over an“, sage ich ihr.
Fra­gend neigt sie den Kopf zur Seite.
„Wir wer­den heute drau­ßen auf der Ve­ran­da sit­zen“, lasse ich sie wis­sen und hoffe dar­auf, nicht in der Hölle zu lan­den, weil ich die Zeit nut­zen werde, um mei­nen Nach­barn wei­ter­hin an­zu­schmach­ten. „Wir wer­den an einem Aqua­rell des Gray Birch Lighthouse ar­bei­ten.“
„Cool“, ant­wor­tet sie.
Ich drehe mich zu mei­nem Ate­lier um, das streng­ge­nom­men mein Gäs­te­zim­mer ist. Ich habe es zu einem Ort um­funk­tio­niert, an dem ich an mei­nen ei­ge­nen Sa­chen ar­bei­ten kann, wenn ich denn die Zeit dafür finde. „Komm, hilf mir, alle Ma­te­ria­li­en zu holen, damit wir uns ein­rich­ten kön­nen.“
Und viel­leicht … nur viel­leicht, ist mein Nach­bar ja dazu ge­neigt, zu uns her­über­zu­kom­men und sich für die Muf­fins zu be­dan­ken, die ich ihm da­ge­las­sen habe, wenn er sieht, dass wir drau­ßen sit­zen und den Leucht­turm malen.

Kyle

Ich ramme die Schau­fel in den Boden, stel­le mei­nen Stie­fel auf die Kante und trete sie in die Erde. Den höl­zer­nen Griff um­klam­mernd, hebe ich etwas Erde aus, drehe die Schau­fel und leere sie aus. Die­sen Vor­gang wie­der­ho­le ich im ge­sam­ten Blu­men­beet, das sich über die kom­plet­te Länge mei­ner hin­te­ren Ve­ran­da er­streckt. Und als ich damit fer­tig bin, klop­fe ich mit der Schau­fel die Erd­klum­pen platt.
Als ich end­lich fer­tig bin, stel­le ich mich auf­recht hin, wi­sche mir mit dem Hand­rü­cken über die Stirn und atme frus­triert aus.
Das ist ver­dammt ät­zend.
Zwar hatte ich nicht er­war­tet, dass es gla­mou­rös wer­den würde, mich vor mei­nen Fein­den zu ver­ste­cken, aber ich hätte mir nie im Leben vor­stel­len kön­nen, dass ich nur noch mit Gar­ten­ar­beit be­schäf­tigt sein würde. Und ja, mir waren die Kern­tä­tig­kei­ten des Jobs, den Joe für mich or­ga­ni­siert hat, klar, aber ich schät­ze, mir war nicht be­wusst, wie sehr ich die Auf­ga­ben has­sen würde, die ich nun zu er­le­di­gen habe. Ich meine, es ist eine Sache, einen Leucht­turm mit einem Hoch­druck­strah­ler sau­ber zu ma­chen und an­schlie­ßend zu strei­chen, weil das eine Män­ner­auf­ga­be ist, aber komm schon … ein Blu­men­bett um­zu­gra­ben und zu be­pflan­zen ist noch nie etwas ge­we­sen, das ich un­be­dingt aus­pro­bie­ren woll­te.
Ich weiß einen Scheiß­dreck über Gar­ten­ar­beit, aber da es nun mal zu mei­nen Auf­ga­ben ge­hört, das Ge­län­de rund um den Leucht­turm in Schuss zu hal­ten und ein­la­dend für die Tou­ris­ten aus­se­hen zu las­sen, muss­te ich mei­nen Mann ste­hen und ler­nen, wie man das macht. Ich habe mir ein paar Tage lang YouTube-Vi­de­os rein­ge­zo­gen, weil ich nicht in die ört­li­che Bi­blio­thek gehen woll­te, um mir ein Fach­buch zu be­sor­gen. An­schlie­ßend habe ich einen kur­zen Ab­ste­cher zum Bau­markt und einer Gärt­ne­rei ge­macht, die mir Gus ges­tern Abend emp­foh­len hat, als ich noch auf einen Drink vor­bei­ge­kom­men bin.
Und siehe da, hier bin ich nun und er­le­di­ge Gar­ten­ar­beit. Das Ein­zi­ge, was mich noch lä­cher­li­cher aus­se­hen las­sen würde, wären eine Latz­ho­se und ein Stroh­hut.
La­chend stel­le ich mir vor, was einer mei­ner May­hem-Brü­der tun würde, wenn er mich jetzt sehen könn­te. Nun, ver­mut­lich wür­den sie mich um­brin­gen, da ich ein Un­der­co­ver-Agent bin. Doch ab­ge­se­hen davon, wür­den sie mich wahr­schein­lich in Grund und Boden stamp­fen, wenn sie wüss­ten, dass ihr taf­fer, knall­har­ter Bru­der gärt­nert.
Das Ner­vigs­te an mei­ner Ar­beit ist, dass die Stadt in ein paar Wo­chen meine Be­hau­sung den Tou­ris­ten zu­gäng­lich ma­chen wird, die den Leucht­turm be­sich­ti­gen wol­len. Zwar nur sams­tags von zehn bis sechs­zehn Uhr, und ich muss nicht an­we­send sein, weil ein Mit­glied des Hei­mat­ver­eins die Füh­run­gen macht, aber trotz­dem … das hier ist mein Zu­hau­se, mein Zu­fluchts­ort. Der Ge­dan­ke daran, dass Frem­de hier her­um­tram­peln, macht mich so sauer wie schon lange nicht mehr. An die­sen Sams­ta­gen werde ich wohl meine Zeit damit ver­brin­gen, mich im Lobs­ter Cage voll­lau­fen zu las­sen.
Als mein Handy in der Ho­sen­ta­sche zu vi­brie­ren be­ginnt, ramme ich den Spa­ten in den Boden, um meine Hände frei zu haben. Ich mache mir nicht die Mühe, auf das Dis­play zu schau­en, denn es gibt nur einen Men­schen, der meine Ruf­num­mer hat. Und der wird mich so­wie­so von einem Weg­werf­han­dy aus an­ru­fen.
Mein Be­treu­er … Joe Kiz­ner.
„Was gibt´s?“, frage ich.
„Ich woll­te mich ein­fach nur mal mel­den“, er­wi­dert er freund­lich. „Die Ge­richts­ver­hand­lung ist für den neun­ten Sep­tem­ber an­ge­setzt.“
Das ist in etwas mehr als drei Mo­na­ten. Hof­fent­lich be­kom­me dann end­lich mein Leben zu­rück.
„Was kannst du mir Neues über Lat­ner er­zäh­len?“, will ich wis­sen, wäh­rend mein Blick über den At­lan­tik schweift, der heute völ­lig ruhig ist.
„Er ist auf der Suche nach dir.“
Das über­rascht mich nicht. Se­na­tor Lyle Lat­ner aus dem groß­ar­ti­gen Bun­des­staat Co­lo­ra­do wurde sei­nes Amtes ent­ho­ben, nach­dem man ihn ver­haf­tet und für eine Reihe von Ver­bre­chen, wie Ver­schwö­rung, ge­hei­me Ab­spra­chen und Geld­wä­sche, an­ge­klagt hat, die ihn für den Rest sei­nes Le­bens in den Knast wan­dern las­sen. Wenn er ver­ur­teilt wird, wird er fal­len und sich nie wie­der von die­sem Sturz er­ho­len.
Da ich eine Schlüs­sel­fi­gur für seine Ver­ur­tei­lung bin, er­war­te ich, dass er seine kri­mi­nel­len Kon­tak­te nutzt, um mich auf­zu­spü­ren. Würde er mich eli­mi­nie­ren, würde das die meis­ten sei­ner Pro­ble­me lösen. Ob­wohl ich nicht di­rekt in seine Ge­schäf­te mit May­hem´s Mis­si­on in­vol­viert war, bin ich der Kron­zeu­ge, der den Club zu Fall brin­gen wird. Wenn er un­ter­geht, wird auch der Se­na­tor un­ter­ge­hen. Vor allem aber dank der Ab­hör­maß­nah­men.
„Alles klar bei dir?“, will Joe wis­sen, doch ich weiß, was er in Wahr­heit meint. Ich denke an das Waf­fen­ar­se­nal, das ich in mei­nem Haus ver­steckt, und das Si­cher­heits­sys­tem, das ich in­stal­liert habe. Ich habe mich so gut vor­be­rei­tet, wie ich nur konn­te. Nur für den Fall, dass je­mand hin­ter mir her sein soll­te.
Na­tür­lich müss­ten sie mich erst ein­mal fin­den. Ich bin mir nicht si­cher, wie sie das schaf­fen wol­len. Nur Joe und zwei wei­te­re Män­ner in der Be­hör­de wis­sen, wo ich mich ver­steckt halte. Die an­de­ren bei­den sind Ab­tei­lungs­lei­ter weit über Joes Po­si­ti­on.
„Ich habe alles im Griff“, ver­si­che­re ich ihm, denn ich weiß, dass er sich Sor­gen macht. Meine Wei­ge­rung, mich ins Zeu­gen­schutz­pro­gramm zu be­ge­ben, be­deu­tet, dass ich mich ohne ir­gend­wel­che Agen­ten, die mir den Rü­cken frei­hal­ten, schüt­zen muss. „Denkst du, der Pro­zess wird wie ge­plant star­ten?“
Joe atmet laut aus. „Du weißt doch, wie es läuft. Alle be­haup­ten, be­reit zu sein, doch es kommt trotz­dem immer wie­der zu Ver­ta­gun­gen.“
Ich werde noch drei Mo­na­te durch­hal­ten kön­nen, aber der Ge­dan­ke, dass es sich noch län­ger hin­zieht, ist be­schis­sen. „Dann rich­te dem Staats­an­walt von mir aus, dass er kei­ner Ver­ta­gung zu­stim­men soll.“
„So funk­tio­niert das nicht, Bru­der.“
Meine Frus­tra­ti­on ist auf dem Sie­de­punkt. „Ich werde nur noch ein paar Mo­na­te hier­blei­ben, Joe, dann komme ich aus mei­nem Ver­steck. Ich will mein ver­damm­tes Leben zu­rück. An­drea soll wis­sen, dass ich noch am Leben bin.“
„Ent­spann dich“, er­wi­dert Joe und ver­sucht, seine Stim­me be­ru­hi­gend klin­gen zu las­sen. „Es wird zu einem Pro­zess kom­men, und wir müs­sen so lange ab­war­ten.“
„Ich habe un­se­rer Re­gie­rung drei Jahre mei­ner Le­bens­zeit ge­schenkt“, ent­geg­ne ich in lei­sem Ton­fall, doch ich koche vor Wut. „Ich will mein Leben zu­rück, und zwar so schnell wie mög­lich. Lass nicht zu, dass sie Spiel­chen spie­len.“
„Das ent­zieht sich mei­ner Kon­trol­le und das weißt du, ver­dammt“, sagt Joe, der eben­falls die Ge­duld zu ver­lie­ren scheint, weil ich mich wie ein Arsch­loch auf­füh­re. „Au­ßer­dem … du bist doch in einer kom­for­ta­blen Po­si­ti­on, Kyle. Sieh die Zeit dort als den drin­gend be­nö­tig­ten Ur­laub an. Es ist doch wun­der­schön bei dir, oder nicht? Wie wäre es, wenn du ver­suchst, es zu ge­nie­ßen?“
Jepp, es ist wirk­lich ver­dammt nett hier. Wun­der­schö­nes Meer, tol­les Früh­lings­wet­ter und eine ver­dammt heiße Nach­ba­rin, die keine Ge­le­gen­heit aus­lässt, mir zu­zu­win­ken oder mir ein atem­be­rau­ben­des Lä­cheln zu schen­ken, wenn wir zu­fäl­lig zur glei­chen Zeit drau­ßen sind. Ich lä­che­le oder winke nie zu­rück, denn das würde sie nur er­mu­ti­gen, mich ken­nen­ler­nen zu wol­len, und ich kann keine Kom­pli­ka­tio­nen in mei­nem Leben ge­brau­chen.
Und auf gar kei­nen Fall will ich noch mehr Muf­fins von ihr ge­schenkt be­kom­men. Die Din­ger waren so schreck­lich, dass ich sie weg­schmei­ßen muss­te. Ich hätte sie als Waffe hier­be­hal­ten sol­len, aber ich dach­te, sie wür­den die Amei­sen an­lo­cken.
„Ich melde mich in ein paar Wo­chen wie­der bei dir“, sagt Joe und reißt mich aus den Ge­dan­ken. „Oder eher, falls sich etwas tut.“
„Okay, Mann. Wir hören von­ein­an­der.“
Nach­dem ich mein Handy wie­der weg­ge­steckt habe, gehe ich zum Vor­der­ein­gang mei­nes Häus­chens. Mein Truck steht in der Kie­s­auf­fahrt, be­la­den mit Blu­men, die ich brau­che. Als ich um die Haus­ecke biege, blei­be ich wie an­ge­wur­zelt ste­hen. Meine Nach­ba­rin ist ge­ra­de dabei, den Feld­weg zu über­que­ren, der un­se­re Grund­stü­cke von­ein­an­der trennt, und mar­schiert ge­ra­de­wegs auf mein Haus zu.
Meine ver­dammt heiße Nach­ba­rin, die, je näher sie kommt, noch schö­ner ist, als ich es auf die Ent­fer­nung ver­mu­tet habe. Sie hat gold­gel­bes Haar, das ihr lo­ckig über die Schul­tern fällt. Sie trägt ein ge­blüm­tes Kleid in Rosa- und Gelb­tö­nen sowie eine weiße Strick­ja­cke. Ihre Füße ste­cken in aus­ge­latsch­ten, grau­en Chucks ohne Schnür­sen­kel.
All das mache ich mit einem ein­zi­gen flüch­ti­gen Blick aus, denn ich bin dar­auf trai­niert, De­tails schnell in mir auf­zu­sau­gen. Ich kehre ihr den Rü­cken zu, um zu mei­nem Wagen zu gehen. Viel­leicht ver­steht sie den Wink und ver­zieht sich wie­der.
Ent­schlos­sen, sie zu igno­rie­ren, um­run­de ich mei­nen Wagen und schnap­pe mir die ers­ten Pflan­zen. Meine Schul­tern straf­fen sich, als ich sie di­rekt hin­ter mir Hey sagen höre.
Für einen kur­zen Mo­ment beiße ich die Zähne zu­sam­men, bevor ich den Mund öffne und ein Hey zu­rück­murm­le, ohne sie dabei an­zu­se­hen.
Als ich mich von ihr ab­wen­de und mich zum hin­te­ren Teil des Hau­ses be­ge­be, gibt sie ein schnau­ben­des Ge­räusch von sich. Ich bli­cke so­fort über meine Schul­ter und sehe, wie sie ein paar Blu­men aus mei­nem Wagen holt.
Leise vor mich hin flu­chend stap­fe ich um das Haus herum zum Blu­men­bett, das ich so­eben um­ge­gra­ben habe, und lasse die Pflan­zen frus­triert fal­len. Als ich mich um­dre­he, steht sie di­rekt vor mir und schenkt mir ein brei­tes Lä­cheln, das die Fülle ihrer Lip­pen nicht im Ge­rings­ten schmä­lert. „Brauchst du Hilfe?“
„Nein, danke“, brum­me ich, wäh­rend ich ihr die Blu­men re­gel­recht aus den Hän­den reiße und sie neben die an­de­ren stel­le.
Ich will mich an ihr vor­bei­schie­ben, doch sie stellt sich mir in den Weg.
„Ich bin Jane Cres­son“, sagt sie und streckt mir eine Hand ent­ge­gen. „Ich dach­te, ich stel­le mich mal vor, da wir ja Nach­barn sind.“
Mein Blick fällt erst auf ihre Hand, dann lasse ich ihn wie­der nach oben wan­dern. Das Ein­zi­ge, das ich ihr ver­ra­te, ist mein Vor­na­me. „Kyle.“
„Nun, ich freue mich, dich end­lich ken­nen­zu­ler­nen, Kyle“, sagt sie fröh­lich, und ver­dammt … sie ist fast hel­ler als der gott­ver­damm­te Son­nen­schein. So keck und strah­lend ist sie. „Und ei­gent­lich … bin ich rü­ber­ge­kom­men, um mei­nen Korb wie­der ab­zu­ho­len.“
„Korb?“
„Ja, Korb“, be­stä­tigt sie mir mit einem schel­mi­schen Fun­keln in den Augen. „Den, den ich dir vor Ewig­kei­ten vor die Tür ge­stellt habe. Mit selbst­ge­ba­cke­nen Muf­fins. Ich bin mir si­cher, du er­in­nerst dich.“
O ja, ich er­in­ne­re mich gut. Die Mi­nia­tur-Waf­fen.
„Also, ich würde ihn gern zu­rück­ha­ben, wenn es dir nichts aus­macht“, drängt sie mich sanft. „Und dann, ich weiß ja nicht … könn­test du mich zum Essen ein­la­den oder so?“
Mein gan­zer Kör­per zuckt. Ich blin­ze­le sie ein paar Mal an und ver­su­che her­aus­zu­fin­den, ob ich ge­ra­de wirk­lich ge­hört habe, was ich glau­be, ge­hört zu haben. „Tut mir leid … was?“
„Na ja“, sagt sie, wäh­rend sie ihre Arme vor der Brust ver­schränkt und mich lie­be­voll an­sieht. „Ich habe dir zur Be­grü­ßung selbst­ge­mach­te Le­cke­rei­en ge­bracht, und da dach­te ich, du könn­test dich bei mir be­dan­ken, indem du mich zum Essen ein­lädst. Oder ein­fach nur auf einen Kaf­fee. Das wäre auch schön.“
„Ich kann dir nicht fol­gen“, er­wi­de­re ich. Mir schwirrt der Ge­dan­ke im Kopf herum, dass sie mich im Grun­de um ein Date bit­tet.
Jane grinst mich an. „Was wir hier haben, nennt man Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­blem.“
Ich blin­ze­le sie nur an.
„Cool Hand Luke, der Un­beug­sa­me, von 1967“, sagt sie und setzt vor­aus, dass ich das Film­zi­tat kenne.
Ich igno­rie­re ihren Ver­such, mich mit ihrem Charme und ihrem zu­cker­sü­ßen Zitat einer sehr pas­sen­den Film­pas­sa­ge für sich zu ge­win­nen, und gehe an ihr vor­bei zu­rück zu mei­nem Truck. „Sorry. Ich werde dich nicht zum Essen ein­la­den. Oder auf einen Kaf­fee.“
Wenn ich ge­glaubt habe, das würde sie ver­ja­gen, dann habe ich mich ge­wal­tig ge­schnit­ten. Sie tritt neben mich, und o Gott … ich kann ihr Par­füm rie­chen. Der Duft passt per­fekt zu ihr. Es riecht nach Küs­ten­son­ne … sal­zi­ger Luft und süßer Ko­kos­nuss.
„Ich dach­te mir schon, dass du das sagen wür­dest“, sagt sie ver­schmitzt. Ich wage es nicht, sie an­zu­se­hen. Statt­des­sen hole ich wei­te­re Pflan­zen aus mei­nem Wagen. Sie tut es mir gleich, und wir keh­ren beide hin­ter das Haus zu­rück. „Also, ich lade dich heute Abend zum Essen zu mir ein. Ich mache einen Schmor­bra­ten.“
„Nein, danke“, mur­me­le ich, wäh­rend mein Magen leicht zu knur­ren be­ginnt. Seit­dem ich hier­her­ge­kom­men bin, habe ich nichts An­stän­di­ges mehr ge­ges­sen, weil ich nicht ko­chen kann und ich mich nicht wirk­lich viel vor die Tür ge­wagt habe.
„Abend­es­sen gibt es um sie­ben Uhr“, er­wi­dert sie ent­schie­den.
Ich drehe mich zu ihr um und sehe sie an. „Ich sagte doch schon … nein, danke.“
Sie blen­det mich re­gel­recht mit ihrem Lä­cheln. Ihre Zähne sind strah­lend weiß und ihre Lip­pen zart­ro­sa.
Ver­dammt … wann habe ich damit an­ge­fan­gen, diese De­tails in mir auf­zu­sau­gen oder mich über­haupt um sie zu sche­ren?
Jane macht einen Schritt auf mich zu, ihr Lä­cheln ist noch immer breit und strah­lend. Sie stellt sich auf die Ze­hen­spit­zen. „Dies ist der Be­ginn einer wun­der­ba­ren Freund­schaft. Ca­sa­blan­ca, 1942.“
Ver­dammt, sie ist süß. Das macht sie für einen Mann wie mich äu­ßerst ge­fähr­lich.
Ich trete einen Schritt zu­rück – zu ihrem oder mei­nem Schutz, ich bin mir da nicht so si­cher. „Was soll der Quatsch mit den Film­zi­ta­ten?“
Sie zuckt mit den Schul­tern. „Ist so ein Hobby von mir. Ich liebe Filme. Man­che liebe ich so sehr, dass ich sie mir immer wie­der an­se­he. Des­we­gen neige ich dazu, mir die Texte ein­zu­prä­gen.“
„Nun, Hus­ton“, sage ich und knei­fe meine Augen zu­sam­men, um ihr mei­nen schärfs­ten Blick zu­zu­wer­fen. „Wir haben ein Pro­blem. Ich werde nicht zum Abend­es­sen vor­bei­kom­men. Wenn es dir nichts aus­macht, würde ich gern wie­der an die Ar­beit gehen, denn ich habe noch ver­dammt viel zu tun.“
„Na­tür­lich“, ent­geg­net sie freund­lich und nickt. „Das Abend­es­sen wird um sie­ben ser­viert. Ich hoffe, wir sehen uns dann.“
Ich knur­re, er­wi­de­re aber nichts dar­auf. Statt­des­sen pfef­fe­re ich eine Pflan­ze zu Boden und mar­schie­re zur Sei­ten­ein­gangs­tür, die in die klei­ne Wasch­kü­che führt. Es ist ein­fa­cher, das Schlacht­feld zu ver­las­sen, als mich noch wei­ter mit ihr aus­ein­an­der­zu­set­zen. Ich werde die Be­pflan­zung fort­füh­ren, wenn ich mir si­cher bin, dass sie end­lich weg ist.

Ein lei­ses Klop­fen an mei­ner Haus­tür lässt mich zu­sam­men­zu­cken. Ich klap­pe das Buch zu, das ich ge­ra­de lese. Der da­ma­li­ge Haus­meis­ter hat eine ziem­lich gute Samm­lung von Klas­si­kern hier­ge­las­sen. Ich habe damit an­ge­fan­gen, sie abends zu lesen. Heute ist meine Wahl auf Der Ruf der Wild­nis ge­fal­len, weil es in der High-School mein Lieb­lings­buch war.
Ich lege den Wäl­zer auf dem Kis­sen neben mir ab und werfe einen Blick auf die Wand­uhr, die neben dem Kamin hängt.
Halb neun.
Ich beuge mich vor, an­ge­le unter der Couch nach mei­ner Ruger neun Mil­li­me­ter Pis­to­le, rühre mich aber nicht vom Fleck. Ich lau­sche und warte.
Nach ein paar Mi­nu­ten, in denen kein wei­te­res Klop­fen er­tönt, stehe ich vom Sofa auf und gehe zur Haus­tür. Ich lasse immer das Licht auf der Ve­ran­da an. Als ich den Vor­hang auf­schie­be, sehe ich nie­man­den.
Ich sper­re die Tür auf und öffne sie, dann beuge ich mich vor, um nach links und rechts zu schau­en.
Kei­ner da.
Als ich die Tür wie­der schlie­ßen will, be­mer­ke ich etwas auf der Trep­pe.
Einen Korb, der mit einem rot-weiß ka­rier­ten Lei­nen­tuch ab­ge­deckt ist.
Ich bücke mich, hebe ihn auf und klap­pe das Tuch zu­rück. Darin be­fin­det sich ein mit Frisch­hal­te­fo­lie über­zo­ge­ner Tel­ler, der mit etwas be­la­den ist, das wie Schmor­bra­ten, Kar­tof­feln und Ka­rot­ten aus­sieht. Da­ne­ben liegt ein wei­te­rer Tel­ler mit etwas, das Scho­ko­la­den­ku­chen äh­nelt.
Ich drehe den Kopf, um zu Janes Haus zu bli­cken, und kann ge­ra­de noch er­ken­nen, wie sie sich durch den dunk­len Vor­gar­ten be­wegt.
Seuf­zend gehe ich in mein Haus zu­rück. Den Korb nehme ich na­tür­lich mit. Ich werde mir doch nicht ein selbst­ge­koch­tes Abend­es­sen ent­ge­hen las­sen. Mir bleibt nur zu hof­fen, dass sie bes­ser kocht als backt.