Bullheart: Wenn die Arena dich ruft

Er­schie­nen: 11/2021

Genre: Con­tem­pora­ry Ro­mance, Sport Ro­mance, Wes­tern Ro­mance
Zu­sätz­lich: Wes­tern Ro­mance

Lo­ca­ti­on: USA, Wyo­ming


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-520-4
ebook: 978-3-86495-521-1

Preis:
Print: 13,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Bullheart: Wenn die Arena dich ruft


In­halts­an­ga­be

In Avan­na Ar­chers Adern fließt die Lei­den­schaft fürs Bull Ri­ding - und so schlägt ihr Herz un­ver­gleich­lich hoch, wenn sie auf dem Rü­cken eines bo­cken­den Stie­res sitzt. Doch dann ver­schwin­det ihr klei­ner Bru­der Ty, der ge­fei­er­te New­co­mer des Bull Ri­ding Ver­bands PBR. Als sie Ty fin­det, ist er dem welt­be­rühm­ten Bull Ri­ding-Ti­tel­ver­tei­di­ger Eliu Val­dez einen Zucht­bul­len schul­dig ge­wor­den.

Um ihren Bru­der aus­zu­lö­sen, setzt Avan­na ihre Fä­hig­kei­ten im Zäh­men der wil­des­ten Stie­re auf Eliu Val­dez' Ranch ein - doch aus­ge­rech­net ihr Herz lässt sich nicht zäh­men. Sie ver­liert sich auf die­ser Mis­si­on in ihrer Lei­den­schaft für den ge­heim­nis­vol­len Eliu, des­sen Schat­ten­sei­te lang­sam, aber si­cher Be­sitz von ihm er­greift.

Alte Dä­mo­nen. Der Ruf der Arena. Wilde Her­zen.

Über die Au­to­rin

Lara wurde 1987 in Essen ge­bo­ren. Heute lebt sie mit ihrer klei­nen Fa­mi­lie an einem Wäld­chen und ge­nießt die Frei­heit, lust­vol­le Ge­schich­ten zu schrei­ben. Seit­dem sie den­ken kann, spürt sie Wel­ten und Uni­ver­sen in sich. Als sie 15 Jahre alt...

Le­se­pro­be

Avan­na

Leise gehe ich zu dem Schla­fen­den hin­über und setze mich auf die ge­gen­über­lie­gen­de Bank. „Hallo?“, sage ich und stup­se ihn am Arm an.
Er be­wegt sich grun­zend.
Noch ein­mal tippe ich ihn an. „Hey!“
Wie ein grö­len­des Nil­pferd schreckt der Typ nun auf und son­diert die Lage. Als er rea­li­siert, wo er ist und von wem er ge­weckt wurde, schaut er mich ver­är­gert an. „Was willst du, Klei­ne?“
Er hat einen un­ge­pfleg­ten Voll­bart und einen Duft an sich, der sogar mei­nen pro­blem­los über­tüncht.
„Ich suche mei­nen Bru­der, Ty Ar­cher.“
„Und du denkst, das in­ter­es­siert...

...​mich?“
„Wis­sen Sie viel­leicht, wo er sein könn­te?“
„Wie kommst du denn dar­auf, Schätz­chen?“ Ein übler Duft weht von ihm her­über und ich be­nei­de Fa­bia­no nicht darum, dass die­ser un­ge­wa­sche­ne Cow­boy aus­ge­rech­net in sei­ner Bar auf­ge­lau­fen ist.
Der Mann will sei­nen Kopf ge­ra­de wie­der auf die Tisch­plat­te sin­ken las­sen, da rufe ich: „Mo­ment. Mein Bru­der sieht so aus und er muss drin­gend nach Hause kom­men!“ Has­tig zeige ich ihm auf mei­nem Smart­pho­ne ein Foto von Ty.
„Das ist dein Bru­der?“ Plötz­lich kommt Leben in den Mann. „Das ist dein ver­damm­ter Bru­der?!“
Meine In­stink­te trei­ben mich von der Bank. „Ja.“
Auch der Typ er­hebt sich. „Das ist ja in­ter­es­sant.“ Er tau­melt auf mich zu, will mich pa­cken, aber es ist leicht, ihm zu ent­wi­schen. Seine Sinne sind vom Al­ko­hol viel zu sehr ge­trübt und er ver­fehlt mich.
„Komm her, du Schlam­pe!“, ruft er und will mich wie­der er­grei­fen.
Da hat er plötz­lich die Mün­dung eines Ge­weh­res auf der Brust.
„Ganz lang­sam, Alter!“ Fa­bia­no drängt den Mann mit sei­ner Waffe zu­rück.
Der hebt so­fort die Arme. „Hey, hey. Schon gut!“
„Be­ant­wor­te jetzt die Fra­gen mei­ner Freun­din, dann ver­ziehst du dich aus mei­ner Bar und kommst nie wie­der!“
Meine Stim­me zit­tert, als ich frage: „Woher kennst du mei­nen Bru­der?“ Dann räus­pe­re ich mich und sage fes­ter: „Wo ist Ty jetzt?“
„Den haben sie be­stimmt auf­ge­knüpft.“
„Wer hat ihn auf­ge­knüpft und warum? Was ist pas­siert?“
Der Mann schüt­telt sei­nen Kopf und zeigt ein gru­se­li­ges Lä­cheln. Seine Zähne sind braun ver­färbt und nun ist mir klar, woher der üble Ge­ruch vor­nehm­lich kommt. „Ich habe auf der neuen Ranch von Eliu Val­dez ge­ar­bei­tet. Dein be­schis­se­ner Bru­der ist zu­rück­ge­kom­men, ob­wohl ich ihn raus­ge­schmis­sen hatte. Dann hat er den teu­ers­ten Stier ge­tö­tet. Jetzt wird dein Bru­der auf Val­dez’ Grund und Boden fest­ge­hal­ten. So wie ich den Boss ken­nen­ge­lernt habe, wird sein kur­zer Ge­dulds­fa­den be­stimmt nichts Gutes für das süße Ge­sicht dei­nes Bru­ders be­deu­ten.“
Ich sehe rot. Ohne zu wis­sen wie, sitze ich plötz­lich in mei­nem Auto und rase in Rich­tung Süden. Elius Ranch liegt in der Nähe von Cas­par und ich schwö­re bei Gott, wenn er mei­nem klei­nen Bru­der etwas an­ge­tan hat, fange ich ihn mit dem Lasso ein und schlei­fe ihn höchst­per­sön­lich bis in die Hölle.

Die Ein­fahrt zu Eliu Val­dez’ Ranch ist pom­pös. Ein gro­ßes Tor mit ge­schnitz­ten Bul­len­köp­fen ragt über dem frisch ge­pflas­ter­ten Weg auf. Die Zäune sind or­dent­lich ge­stri­chen und strah­len mir ent­ge­gen. Dank Fa­bia­nos Ins­ta-Pas­si­on habe ich ja schon ge­wusst, dass der Ti­tel­ver­tei­di­ger der Pro­fes­sio­nal Bull Ri­ders in Saus und Braus lebt, aber diese Ranch … Das gibt’s doch nicht. Wenn hier echte Rin­der leben, warum ist es hier dann so piek­fein? Ich pas­sie­re Pad­docks und klei­ne Un­ter­stän­de und ent­de­cke tat­säch­lich Rin­der, die fried­lich gra­sen. Dann kommt eine Scheu­ne mit einem Vor­hof in Sicht, auf dem al­ler­hand Fahr­zeu­ge in Reih und Glied ste­hen. Kein Stroh­halm liegt am Boden. Wie kann man einen land­wirt­schaft­li­chen Be­trieb der­art sau­ber hal­ten?
Ein Mann auf einem Ra­sen­trak­tor kommt mir ent­ge­gen. Ich halte mit quiet­schen­den Brem­sen an, doch als ich ihn nach Eliu frage, winkt er nur, dass ich wei­ter­fah­ren soll.
Das Haus kommt in Sicht und spä­tes­tens jetzt bin ich mir si­cher, in einer an­de­ren Di­men­si­on ge­lan­det zu sein. Stau­nend stei­ge ich aus mei­nem Wagen aus. Neben einem klas­si­schen Ran­ch­haus steht ein Neu­bau aus Holz und Glas, der genau mei­nen Ge­schmack trifft, weil er Wärme und Mo­der­ni­tät in sich ver­eint. Die­ses Haus sieht aus, als wäre es ge­ra­de­wegs einer Ar­chi­tek­tur­zeit­schrift ent­sprun­gen. Ich reiße mich von mei­ner Schwär­me­rei los, weil ein lau­tes Ge­bell auf mich zu­kommt. Ein Py­re­nä­en­hund ga­lop­piert heran. Er gibt sich Mühe, ein­schüch­ternd zu wir­ken, indem er sich groß macht, aber ich kann ihn nicht ernst neh­men. Als er bei mir an­ge­langt ist, steht er dann auch ir­gend­wie rat­los da.
„Hey, Di­cker, gut ge­macht“, lobe ich ihn. „Rich­tig gut auf­ge­passt.“
Sein Schwan­zwe­deln reißt ihn fast um, als er sich nun an mich schmiegt und sich den Rü­cken krau­len lässt.
Zwei Män­ner in einem Gator kom­men um eine Ecke ge­fah­ren. Ich gebe auch ihnen ein Hand­zei­chen, dass ich mit ihnen spre­chen möch­te. Sie hal­ten an und der eine schiebt ein Fens­ter auf.
„Könn­ten Sie mir sagen, wo ich Eliu Val­dez fin­den kann?“
Die Män­ner sehen sich kurz an, dann deu­tet der eine auf den schö­nen Neu­bau. „Der Boss müss­te noch im Haus sein. Klop­fen Sie mal.“
„Okay. Danke“, sage ich und werde von mei­nem neuen Freund, dem Py­re­nä­en­hund, zu der Tür des mo­der­nen Hau­ses be­glei­tet.
Ehe ich das Ge­bäu­de er­rei­che, tritt ein Mann aus der Tür, des­sen Ge­sicht ich in- und aus­wen­dig kenne, dem ich im Tru­bel der Ro­de­os aber immer nur flüch­tig be­geg­net bin. Meine Kennt­nis stammt eher daher, dass Fa­bia­no sein größ­ter Fan ist und mich ge­zwun­gen hat, alle Ins­ta­gram-Vi­de­os von ihm tau­send­mal an­zu­schau­en. Eliu Val­dez, der drei­fa­che Eli­te-Tour-Ge­win­ner der Pro­fes­sio­nal-Bull-Ri­ding-Li­ga, tritt in schwar­zem Hoo­die, aus­ge­wa­sche­ner Jeans und einem Drei­ta­ge­bart aus dem Haus. Er ent­deckt mich nicht, weil er ge­dan­ken­ver­sun­ken auf den Boden blickt. Er sieht aus, als hätte er schlecht ge­schla­fen. Den­noch wirkt er at­trak­tiv auf mich. Ich schütt­le die­sen Ge­dan­ken ab, denn um Ty zu ret­ten, brau­che ich jetzt meine volle Kon­zen­tra­ti­on.
Eliu hum­pelt auf mich zu und zieht sich eine Base­ball­cap, die in sei­ner Ho­sen­ta­sche steck­te, auf. Da er­blickt er mich. Seine dunk­len Au­gen­brau­en be­we­gen sich auf­ein­an­der zu. Die ab­wei­sen­de Miene passt in mei­nen Augen ganz gut zu dem erns­ten Thema, das ich an­spre­chen muss.
Ohne Ty ver­las­se ich diese Ranch ganz si­cher nicht!


Eliu

Ich bin heute Mor­gen mit schlech­ter Laune auf­ge­wacht. Am liebs­ten hätte ich gleich nach dem ers­ten Li­dauf­schlag mei­nen Arm am­pu­tiert. Sogar ein stump­fes But­ter­mes­ser hätte ich dafür ge­nom­men, nur um diese Qual zu be­en­den. Ein Bruch wäre wahr­schein­lich an­ge­neh­mer ge­we­sen als diese Quet­schun­gen. Zum Glück habe ich in mei­nem Kühl­schrank ein Steak von ges­tern vor­ge­fun­den, so­dass ich mir zwei Toast­schei­ben schnap­pen, das Fleisch da­zwi­schen­le­gen und das Ganze essen konn­te, um den Schmerz­mit­teln eine gute Grund­la­ge zu bie­ten. Lang­sam schlich ich durch meine Küche, aß das Steak-Sand­wich und brach­te meine über­säu­er­ten Mus­keln Schritt für Schritt ins Leben zu­rück. Dabei fiel mir auf, dass mich mein Arm bis­her von einer wei­te­ren Bau­stel­le ab­ge­lenkt hatte. Of­fen­sicht­lich hat auch mein Ober­schen­kel etwas ab­be­kom­men, denn es stell­te sich ein neues Hum­peln ein.
Matt kam ir­gend­wann her­ein und be­ob­ach­te­te mich eine Weile stumm. Dann sagte er tro­cken: „Sie soll­ten heute mal ein Ba­sen­bad neh­men.“
Für sol­che Kom­men­ta­re liebe ich Matt ein­fach. Er ist der här­tes­te Kno­chen auf die­ser Ranch, aber seine Tipps sind alles an­de­re als ein­di­men­sio­nal. „Gute Idee. Was steht heute an?“
„Die Impf­do­sen für die Käl­ber aus der Grup­pe B sind vor­hin ge­lie­fert wor­den. Die soll­ten wir ihnen di­rekt ver­ab­rei­chen. An­sons­ten sind zwei Wie­sen mäh­be­reit, da setze ich Al­josch und Han­son drauf an.“
Ich nick­te. „Gibt es schon einen Plan für die Ber­gung von Tiger?“
Matt wieg­te den Kopf hin und her. „Es wird sehr schwie­rig, so viel steht fest. Wir wer­den mit Pfer­den den Schluch­ten­pfad neh­men müs­sen. Ein Mann kann sich dann ab­sei­len und Tiger ver­täu­en. Dann müs­sen die Pfer­de ihn rauf­zie­hen.“
„Wen willst du dafür ein­set­zen?“
„Ich werde die Lei­tung über­neh­men. Ver­mut­lich nehme ich Gar­ret mit, um ihn run­ter­zu­las­sen. Er ist zwar groß, aber leicht. Und min­des­tens einen wei­te­ren guten Rei­ter, viel­leicht Ro­d­ri­go oder Caleb.“
„Ich würde Caleb neh­men. Er greift durch und trifft im Not­fall schnel­le Ent­schei­dun­gen.“
„Das ist wahr.“
„Und was macht Ty?“
Matt schüt­tel­te den Kopf. „Fra­gen Sie lie­ber nicht.“
Die Ant­wort ge­fiel mir dann tat­säch­lich nicht, so­dass ich mir eine Cap schnapp­te und aus dem Haus hum­pel­te, um Ty höchst­per­sön­lich Feuer unter dem Hin­tern zu ma­chen. Doch sehr weit kam ich nicht. Wie an­ge­wur­zelt blieb ich ste­hen, als ich eine junge Frau auf mei­nem Hof ent­deck­te – die wie ein Hur­ri­kan auf mich zukam.

Hier stehe ich nun und schaue dem Sturm ent­ge­gen, und ob­wohl sie grüne Augen hat und nicht blaue, wie ihr Bru­der, ist mir so­fort klar, dass ich eine Ar­cher vor mir habe. Sie hat lange blon­de Lo­cken, die sie in einem hohen Pfer­de­schwanz ge­bän­digt trägt, und ist, wie ihr Bru­der, eine Na­tur­schön­heit. Da Wins­ton wie ein bra­ver Schoß­hund an ihrer Seite ent­lang­tollt, weiß ich auch, dass sie eine do­mi­nan­te Ader in sich hat. Der Hof­hund gerät näm­lich nur bei Al­pha­tie­ren in sol­che Ver­zü­ckung. Miss Ar­cher hat also Pfef­fer im Hin­tern und wenn es mir nicht so dre­ckig ginge, würde ich mich fast auf eine Un­ter­hal­tung mit ihr freu­en.
Der klei­ne Tor­na­do kommt bei mir an und macht gleich Nägel mit Köp­fen: „Ich bin hier, um mei­nen Bru­der Ty nach Hause zu holen. Ich will ihn so­fort spre­chen.“
Lang­sam nicke ich und be­ob­ach­te ihre grü­nen Augen, die mich wü­tend an­blit­zen. „Schön“, sage ich, „trifft sich gut. Ich woll­te ge­ra­de nach ihm sehen.“
Ein wenig ver­dat­tert über meine Ko­ope­ra­ti­ons­be­reit­schaft stößt sie her­vor: „Gut! Äh … gut. Ja. Wo ist er denn?“
„Ich weiß nur, dass er heute Nacht in Blue Hill wie­der Ärger in einer Bar ge­macht hat. Einer mei­ner Män­ner hat ihn vor­hin beim She­riff ab­ge­holt und jetzt ist er ir­gend­wo im Schlaf­saal.“
Der Sturm hat dun­kel­brau­ne Au­gen­brau­en, die recht mar­kant sind und ihrer Mimik viel Aus­druck ver­lei­hen, was mir gut ge­fällt. Jetzt zeigt sich al­ler­dings Sorge in ihren Zügen. Und Ver­wir­rung. Es scheint, als wüss­te sie nicht, ob ich Freund oder Feind bin.
„Ich bin Eliu“, sage ich.
„Ich weiß“, sagt sie und reicht mir die Hand. „Avan­na Ar­cher.“
Ich nehme ihre Hand in meine und drü­cke sie. Die Be­rüh­rung schießt mir durch die Brust, mein Herz stol­pert. „Okay, Avan­na, dann schau­en wir mal nach dem Mi­ni-Stier.“
„Mi­ni-Stier?“, fragt sie und schaut auf un­se­re Hände, die ein­an­der immer noch hal­ten.
Ich lasse sie los und gehe voran. „Wenn Ty mich nicht an ein klei­nes Kälb­chen er­in­nern würde, hätte ich ihn viel­leicht schon den Cops über­ge­ben. Er ist ein ver­damm­ter Säu­fer. Wie alt ist er noch mal?“
Avan­na gibt einen er­stick­ten Laut von sich. Er­schro­cken sehe ich mich nach ihr um.
„Schon gut“, sagt sie und läuft an mir vor­bei. „Es stimmt ja. Er hat ein Al­ko­hol­pro­blem. Das … muss ich in den Griff be­kom­men.“
Ich runz­le die Stirn. „Das muss Ty in den Griff be­kom­men.“
„Das ist das­sel­be“, höre ich sie mur­meln.
Ver­wun­dert hebe ich die Au­gen­brau­en, be­schlie­ße aber, vor­erst nicht wei­ter nach­zu­ha­ken.
Wir fin­den Ty in einem Feld­bett im Ge­mein­schafts­raum der Cow­boys – ab­ge­füllt vom Schei­tel bis zur Sohle.
„Teu­fel noch mal!“, stößt Avan­na her­vor und dreht rat­los eine Runde um das Bett ihres Bru­ders.
Ich muss mir ein­ge­ste­hen, dass ich sie dabei mit nicht ganz un­schul­di­gen Ge­dan­ken be­trach­te. Ihr Hin­tern ge­fällt mir in den kur­zen Shorts und auch ihre schlan­ken, braun ge­brann­ten Beine fas­zi­nie­ren mich. Eben­so schön finde ich ihre kräf­ti­gen Arme und der schlan­ke Hals lädt zum Küs­sen ein … Die­ses Cow­girl löst Wün­sche in mir aus, die ich un­be­dingt igno­rie­ren soll­te. Wäh­rend der Tour habe ich nor­ma­ler­wei­se nur einen Fokus und das ist Bull Ri­ding. Eine Ab­len­kung kann ich mir da nicht er­lau­ben.
Aber ehr­lich ge­sagt, bin ich plötz­lich ex­trem neu­gie­rig auf Avan­na. Es wäre si­cher­lich ein Ge­nuss, sie an mich zu zie­hen und zu küs­sen … Mein Blick fällt dann je­doch wie­der auf Ty und meine Vi­sio­nen von ihr und mir lösen sich in Wohl­ge­fal­len auf. Für einen Mo­ment glau­be ich, Avan­na will da­von­stür­men, aber dann sinkt sie neben ihrem Bru­der auf die Knie und streicht ihm sanft die Lo­cken aus der ver­schwitz­ten Stirn. „Ich habe mir sol­che Sor­gen um ihn ge­macht!“
Das Licht im Raum ist schumm­rig, aber ich sehe, dass Avan­na blass ge­wor­den ist. „Er kommt wie­der auf die Beine“, sage ich und merke, dass ich damit auch ihr das Ver­spre­chen geben will, zu hel­fen. Was haben die Ar­chers nur für eine selt­sa­me Wir­kung auf mich?
„Sein bes­ter Freund ist ge­stor­ben“, sagt sie mit er­stick­ter Stim­me und krallt sich an Tys Hemd fest.
Am liebs­ten würde ich ihr noch ein­mal meine Hand rei­chen, um ihr Halt zu geben, weil ihr der Schmerz so deut­lich ins Ge­sicht ge­schrie­ben steht, aber dafür kenne ich sie zu wenig. „Ich weiß, ich habe von Si­mons Sturz ge­hört.“
Sie blickt mich über­rascht an. „Ja …“ Sie sucht nach Wor­ten. „Es war furcht­bar und Ty … Er hat alles mit­an­se­hen müs­sen. Am Frei­tag ist Si­mons Be­er­di­gung. Wenn er die ver­pas­sen würde …“
„Ty kann meine Ranch erst ein­mal nicht ver­las­sen.“
Avan­na blin­zelt, dann springt sie auf. Mit zwei lan­gen Schrit­ten ist sie bei mir, und ob­wohl sie einen Kopf klei­ner ist als ich, wirkt sie mei­ner eben­bür­tig. Der Sturm in ihr ist zu­rück und will sich of­fen­sicht­lich mit mei­ner Stand­haf­tig­keit an­le­gen. „Ich werde Ty mit­neh­men, komme, was wolle.“
Ich wei­che nicht zu­rück, so­dass wir viel näher bei­ein­an­der­ste­hen, als es für ein Ge­spräch zwi­schen zwei prak­tisch Frem­den nor­mal ist. „Dein Bru­der hat mit einem Bru­der hin­über. „Es gibt noch eine Al­ter­na­ti­ve.“ Sie rich­tet sich zu ihrer vol­len Größe auf und sagt: „Ich ar­bei­te für dich, um Ty aus­zu­lö­sen.“
Eine leise Stim­me in mir sagt Ja. Ja, damit ich ein biss­chen mehr von Avan­na Ar­cher in mei­nem Leben haben kann. Au­ßer­dem hat sie den nö­ti­gen Hin­ter­grund, um sich in Bezug auf Ran­ch­ar­beit ein­schät­zen zu kön­nen, und ihr Kör­per strotzt nur so vor Vi­ta­li­tät. Viel­leicht ist sie wirk­lich dazu in der Lage, die Schul­den ihres Bru­ders zu be­glei­chen.
Avan­na war­tet meine Ant­wort nicht ab und fügt schnell hinzu: „Setz mich heute für die schwers­te Ar­beit auf der Ranch ein. Wenn ich sie hin­be­kom­me – was ich werde –, dann haben wir einen Deal.“
Ich bin ge­spannt, was sie zur schwers­ten Ar­beit sagen wird, die mir ge­ra­de ein­fällt. Aber sie will diese Her­aus­for­de­rung ja ganz of­fen­sicht­lich. „Die schwers­te Ar­beit? Ein paar Män­ner ber­gen den toten Bul­len aus der Schlucht. Traust du dir das zu, Avan­na?“

Na­tür­lich traut sie sich das zu. Jetzt ist sie ge­ra­de in den Pad­dock mit den Pfer­den ge­klet­tert und sucht sich ein pas­sen­des Tier für die Schlucht-Mis­si­on aus. Das war ihr Wunsch und ich habe ihn ihr ge­währt. Avan­na streift durch die Grup­pe der Pfer­de, die fried­lich am Heu knab­bern. Kurz bleibt sie bei mei­nem Mus­tang Ika­rus ste­hen. Aber nach­dem sie ihn eine Zeit lang be­wun­dert und ge­strei­chelt hat, geht sie wei­ter. Mir läuft ein Schau­er über den Rü­cken, den ich nicht ganz ein­ord­nen kann. Eines ist je­doch si­cher: Ich mag es, wenn Avan­na be­rührt, was mir ge­hört.
Dann kommt Un­ru­he in die Pfer­de, denn der Ein­dring­ling nä­hert sich der Leit­stu­te, die den klang­vol­len Namen Jack Da­ni­el’s Wife trägt. Die Rappstu­te steht etwas ab­seits und hebt nun den Kopf, um den Men­schen be­ob­ach­ten zu kön­nen, der sich von der Seite an­schleicht. Das Al­pha­tier schnaubt laut und Avan­na lacht. Ich sehe Freu­de in ihrem Blick auf­blit­zen. Sie ord­net das Lasso in ihren Hän­den.
Dann geht alles sehr schnell, denn die stür­mi­sche Ar­cher hat sich ganz of­fen­sicht­lich ent­schie­den, wel­ches mei­ner Pfer­de heute ihres sein soll. Sie wirft das Lasso, trifft Jacks Kopf und zieht das Pferd ruck­ar­tig zu sich, als es da­von­lau­fen will. Vor­sich­tig geht sie zu dem Tier, klopft Jacks Hals und nickt dann Matt zu, der ihr das Gat­ter öff­net. Als das schwar­ze Pferd ver­trau­ens­voll neben ihr her­läuft, sehe ich, dass sie schon eine Ein­heit ge­wor­den sind. Gute Vor­aus­set­zun­gen, denn der Pfad durch die Schlucht ist hei­kel. Ich bin ge­spannt, wie Avan­na sich dort schla­gen wird.