Eden: Reese

Ori­gi­nal­ti­tel: Hea­ling Eden
Über­set­zer: San­dra Mar­tin

Er­schie­nen: 12/2023
Serie: Eden
Teil der Serie: 2

Genre: Fan­ta­sy Ro­mance

Lo­ca­ti­on: Fan­ta­sy­welt, Dal­las


Er­hält­lich als:
pa­per­back & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-680-5
ebook: 978-3-86495-681-2

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Eden: Reese


In­halts­an­ga­be

In einer vom Krieg ge­teil­ten Welt ist es der ul­ti­ma­ti­ve Ver­rat, sich in den Feind zu ver­lie­ben.

Ga­le­na Shan­tos hat ihre Loya­li­tät ge­gen­über Eden nie in Frage ge­stellt. Als Schwes­ter des My­ren-Kö­nigs dient sie als Hei­le­rin und ge­hört zu den Bes­ten in der Armee, die gegen die bru­ta­le Lo­mos-Re­bel­li­on kämpft. Sie hat nie daran ge­zwei­felt, wie wich­tig es ist, die Re­bel­len auf­zu­hal­ten, die die Men­schen ver­skla­ven wol­len. Doch dann sieht sie jen­seits der feind­li­chen Li­ni­en einen Krie­ger - und weiß in­stink­tiv, dass ihre Schick­sa­le mit­ein­an­der ver­wo­ben sind.

Der Re­bel­li­ons­krie­ger Reese The­ron hat nichts mehr zu ver­lie­ren. Um sein Fa­mi­li­en­ge­heim­nis zu wah­ren ist er ge­zwun­gen, auf der fal­schen Seite eines Krie­ges zu kämp­fen, den er ver­ab­scheut. Reese hat seine Ehre und das Ver­trau­en sei­nes ei­ge­nen Vol­kes ver­lo­ren und sich in einen Kampf ge­stürzt, den er un­mög­lich über­le­ben kann. Doch als er von einer Frau ge­ret­tet wird, deren wun­der­schö­ne Augen in ihm mehr zu sehen schei­nen als den Ver­rä­ter, zu dem er ge­wor­den ist, hat er viel­leicht neuen Grund zum Leben ge­fun­den ...

Über die Au­to­rin

Die aus Okla­ho­ma stam­men­de Mut­ter zwei­er hüb­scher Töch­tern ist at­tes­tier­te Lie­bes­ro­man­süch­ti­ge. Ihr bis­he­ri­ger Le­bens­lauf spie­gelt ihre Lei­den­schaft für alles Neue wider: Rhen­na Mor­gan ar­bei­te­te u.a. als Im­mo­bi­li­en­mak­le­rin, Pro­jekt­ma­na­ge­rin sowie beim Radio.

Wie bei den meis­ten Frau­en ist ihr All­tag von mor­gens...

Wei­te­re Teile der Eden Serie

Le­se­pro­be

Reese er­wach­te zu dem ste­ti­gen Grol­len ge­dämpf­ter Män­ner­stim­men. Jeder Mus­keln in sei­nem Kör­per tat weh und seine Lider waren so schwer wie der Rest von ihm. Er spür­te die Kälte der har­ten, rauen Ober­flä­che, auf der er lag. Stein viel­leicht. Als er ver­such­te, sich zu be­we­gen, durch­zuck­te ein ste­chen­der Schmerz seine Wir­bel­säu­le. Beim Gro­ßen, was zum Teu­fel hatte er ge­trie­ben? Das Letz­te, woran er sich er­in­ner­te …
Der Blitz des Krie­gers, der an Ga­le­nas Wange vor­bei­ge­schos­sen war und ihn in die Schul­ter ge­trof­fen hatte. Ei­gent­lich müss­te er tot sein.
Kühle, feuch­te Luft um­weh­te sei­nen Ober­kör­per. Sie war von dem...

...​Geruch von Schim­mel und Erde durch­zo­gen, doch da war noch etwas an­de­res, was er nicht genau zu­ord­nen konn­te. Reese at­me­te tief durch und igno­rier­te die ste­chen­den Schmer­zen in sei­nen Rip­pen. Kräu­ter. Er hatte keine Ah­nung, um wel­che Pflan­zen es sich han­del­te, doch sie ver­ström­ten einen fri­schen Duft, der hier fehl am Platz schien. Und Blu­men. Er roch ein­deu­tig auch Blu­men.
Wie aus dem Nichts baute sich um die Wunde ein Druck auf, der sich in Se­kun­den­schnel­le er­wärm­te, bis er glü­hend heiß war. Ein Schrei ent­rang sich sei­ner Kehle, die je­doch wie zu­ge­schnürt war. Er muss­te sich be­we­gen und woll­te nur noch um sich schla­gen, um sich da­ge­gen zu weh­ren. Doch er war nicht im­stan­de, sich zu be­we­gen, denn er war wie ge­lähmt.
Im nächs­ten Mo­ment ver­flog der Schmerz und die Hitze ver­ebb­te.
Er bekam eine Gän­se­haut und zit­ter­te am gan­zen Kör­per, denn er fror bis auf die Kno­chen. Etwas streif­te sein Be­wusst­sein.
Seine Er­in­ne­run­gen. Je­mand ver­such­te ge­ra­de, in sei­nen Geist ein­zu­drin­gen und sie zu lesen. Eine In­va­si­on. Er zwang sich, die Augen zu öff­nen, ver­such­te, sich auf­zu­set­zen und er­starr­te. Seine Stim­me wurde brü­chig. „Ga­le­na.“
Das Licht der Fa­ckeln hin­ter ihr re­flek­tier­te auf ihrem kas­ta­ni­en­brau­nen Haar. Sie ver­zog die Lip­pen zu einem ge­üb­ten Lä­cheln. „Ich weiß, das war schmerz­haft, aber bald wird es dir bes­ser gehen.“
Sie hatte ihn ge­heilt. Das war das Bren­nen ge­we­sen, das er unter sei­ner Haut ge­spürt hatte. Doch da war auch ein Aus­druck von Schuld in ihren Augen. Hatte sie sich Zu­gang zu sei­nen Er­in­ne­run­gen ver­schafft, bevor er sie aus­ge­schlos­sen hatte?
„Das reicht jetzt.“
Reese zuck­te zu­sam­men, als er die Stim­me hörte, denn er kann­te die­sen wü­ten­den Ton­fall nur allzu gut. Er wagte es nicht, auf­zu­se­hen. Er trau­te sich selbst nicht über den Weg.
„Bringt ihn nach oben in die Zelle.“ Sein ehe­ma­li­ger Stra­te­gos Ram­say Shan­tos, der Reese aus­ge­bil­det und ihm dann die Auf­nah­me in die Bru­der­schaft der Krie­ger ver­wei­gert hatte, tauch­te in sei­nem Blick­feld auf und zog Ga­le­na bei­sei­te.
Zwei Wa­chen eil­ten her­bei und hoben Reese an den Armen und Ober­schen­keln hoch. Sie zerr­ten ihn in Rich­tung einer Zelle, wobei jeder Ruck und jeder Stoß sei­nen zer­schun­de­nen Kör­per er­neut auf­schrei­en ließ.
Ein eis­kal­ter Schau­er durch­ström­te ihn und sein Magen ver­krampf­te sich. Zeo­lith. Der Kris­tall zer­malm­te seine Kräf­te so gna­den­los wie ein Stie­fel­ab­satz einen Käfer.
Auch die Wa­chen stöhn­ten unter der Wucht auf. Die Schei­den ihrer Dol­che prall­ten gegen ihre Gür­tel, als sie ihn in eine Ecke schleu­der­ten.
Er fiel auf eine dünn ge­pols­ter­te Prit­sche und klap­per­te so laut mit den Zäh­nen wie die Zel­len­tür, die die Wa­chen hin­ter sich zu­schlu­gen.
Beim Gro­ßen, ihm tat alles weh. Am gan­zen Kör­per. Er setz­te sich auf und hielt den Atem an, bis der Schmerz sich ge­legt hatte.
Auf dem ver­wit­ter­ten Holz­tisch neben ihm brann­te eine Kerze. In Eden nutz­te man Elek­tri­zi­tät nicht auf die glei­che Weise wie in der mensch­li­chen Di­men­si­on, und kein Ge­fäng­nis­wär­ter, der noch bei Ver­stand war, würde es ris­kie­ren, den Raum durch ein Ober­licht zu be­leuch­ten. Die Ge­fahr war ein­fach zu groß, dass ein Ge­fan­ge­ner durch die Öff­nung auf die En­er­gie von Eden zu­rück­grei­fen konn­te, um damit das Zeo­lith zu um­ge­hen und seine Kräf­te zu näh­ren.
Auf der an­de­ren Seite der Tür brüll­te Ram­say etwas und mach­te ge­ra­de je­man­den zur Schne­cke.
Reese kämpf­te sich auf die Beine, drück­te die Knie durch und ver­lang­sam­te sei­nen Atem. Er kann­te Ram­say wie kaum ein an­de­rer. Es würde höchs­tens noch drei­ßig Se­kun­den dau­ern, bis sein eins­ti­ger Freund durch die Zel­len­tür stürm­te und den Mann at­ta­ckier­te, auf den er wirk­lich wü­tend war.
Reese.
Er straff­te die Schul­tern und at­me­te durch den Schmerz hin­durch. Ver­dammt, er würde Ram­say mit Stolz ge­gen­über­tre­ten. Sein Drast war ver­schwun­den und sein Ober­kör­per war un­be­deckt, was auf­grund sei­ner Wunde nicht ver­wun­der­lich war. Doch er hatte im­mer­hin noch seine Hose und seine Stie­fel.
Je­mand schob den Rie­gel zu­rück und riss die Tür auf.
Ram­say stürm­te hin­ein und schloss die Tür mit einem lau­ten Knall hin­ter sich. Er hatte die Zähne so fest zu­sam­men­ge­bis­sen, dass Reese schon glaub­te, sein Kie­fer könn­te bre­chen. Dem Gro­ßen sei Dank, das Zeo­lith würde auch Ram­says Kräf­te un­brauch­bar ma­chen und im­mer­hin für eine faire Aus­gangs­si­tua­ti­on zwi­schen den bei­den Män­nern sor­gen.
Reese warf einen Blick auf die Tür. „Wo ist Ga­le­na?“
„Das geht dich nichts an“, ent­geg­ne­te Ram­say und klang dabei so hart und kalt wie der Ker­ker, in dem sie sich be­fan­den.
Von wegen. Aus ir­gend­wel­chen Grün­den hatte sie ihn ge­ret­tet. „Wurde sie ver­letzt?“
Ram­say ver­schränk­te die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief. „Warum in­ter­es­siert es dich, wie es ihr geht? Du hast ver­sucht, sie zu töten.“
Sieb­zig Jahre spä­ter und Ram­says Blick brach­te ihn immer noch aus der Fas­sung.
„Ein Krie­ger, der etwas zu ver­ber­gen hat, hat kei­nen Platz in der Bru­der­schaft. Die­ser Kan­di­dat ist des Diens­tes un­wür­dig.“
Die Worte waren Reese noch leb­haft in Er­in­ne­rung und ris­sen alte Wun­den wie­der auf. „Warum hast du zu­ge­las­sen, dass sie mich heilt?“
Ram­say ließ die Arme hän­gen und trat mit ge­bläh­ten Na­sen­flü­geln einen Schritt auf ihn zu. „Weil du über In­for­ma­tio­nen ver­fügst, die ich haben will.“
Das Blut rausch­te ihm in den Ohren und seine Knie droh­ten nach­zu­ge­ben. Na­tür­lich, des­halb hatte Ga­le­na ihn ge­ret­tet. Sie hatte an ihr Volk und ihre Brü­der ge­dacht. Sie hatte ihn wegen sei­nes Wis­sens ge­ret­tet, nicht aus Barm­her­zig­keit oder Güte.
Die Tür wurde mit Wucht auf­ge­sto­ßen und prall­te gegen die Stein­wand. „Ram­say, gib ihm Zeit, um zu hei­len.“
„Nicht jetzt, Ga­le­na“, er­wi­der­te Ram­say, der wei­ter­hin Reese an­starr­te.
Sie schwank­te und ihr Ge­sicht war blass. Was immer sie getan hatte, um ihn zu hei­len, ihre em­pa­thi­sche Gabe hatte ihren Tri­but ge­for­dert.
Ram­say ging auf Reese zu. „Du bist mitt­ler­wei­le ge­sund genug, um mir die nö­ti­gen In­for­ma­tio­nen zu geben. Ich wette, ich kann einen Weg fin­den, um sie aus dir her­aus­zu­quet­schen.“
„Ram­say.“ Ga­le­na stürm­te nach vorn und ge­riet ins Stol­pern.
Reese wich seit­lich aus. Ob­wohl seine Beine nach­ga­ben, fing er sie auf und dämpf­te ihren Sturz ab, wobei er mit sei­ner ge­sun­den Schul­ter auf den Stein­bo­den prall­te.
Ga­le­na dreh­te sich in sei­nen Armen um und in­spi­zier­te so­fort seine Ver­let­zun­gen. Sie hatte die Augen weit auf­ge­ris­sen und den Mund leicht ge­öff­net. „Reese.“
Scheiß auf den Schmerz. Es war die Qua­len wert, sie so nah bei sich zu haben. Ihre Lip­pen schweb­ten dicht an sei­nem Mund und er konn­te ihren Atem an sei­nem Ge­sicht spü­ren. Ihr ge­schmei­di­ger Busen war an seine Brust ge­drückt, wäh­rend er sich von ihrem blu­mi­gen Duft um­hül­len und an einen an­de­ren Ort ent­füh­ren ließ.
Ram­say hob sie hoch und riss sie aus Ree­ses Armen.
„Es geht mir gut“, pro­tes­tier­te Ga­le­na und ver­such­te, sich Ram­says Griff zu ent­zie­hen. „Lass mich run­ter.“
„Es geht dir nicht gut.“ Ram­say ver­la­ger­te ihr Ge­wicht in sei­nen Armen. „Du siehst furcht­bar aus.“
Reese stieß sich auf wa­cke­li­gen Bei­nen vom Boden ab und schnauf­te dabei vor An­stren­gung.
„Ich brau­che nur etwas Ruhe.“ Sie wehr­te sich noch immer. „Jetzt lass mich run­ter.“
„Nein.“ Ram­say wir­bel­te herum und ging auf die ge­öff­ne­te Tür zu, vor der seine Wa­chen war­te­ten. An der Schwel­le hielt er inne und dreh­te sich noch ein­mal zu Reese um. „Sie hat dir den Arsch ge­ret­tet. Und zwar gleich zwei­mal. Wenn dir wirk­lich so viel an ihr liegt, dann soll­test du dich für ihre Be­mü­hun­gen be­dan­ken, indem du Ant­wor­ten für mich hast, wenn ich zu­rück­kom­me.“
Mit die­sen Wor­ten schlug er die Tür hin­ter sich zu, dann hörte Reese nur noch seine schnell ver­klin­gen­den Schrit­te.
Er ließ sich zu­rück auf die Prit­sche fal­len, deren Holz­bei­ne unter sei­nem Ge­wicht ein knir­schen­des Ge­räusch von sich gaben. Was zum His­tus war nur mit ihm los? Er war ein Kriegs­ge­fan­ge­ner. Wahr­schein­lich würde er in vier­und­zwan­zig Stun­den hän­gen, aber er konn­te nur daran den­ken, wie gut Ga­le­na sich neben ihm an­fühl­te. Es war ein­fach zum Ver­rückt­wer­den.
Er ball­te die Faust um die grobe brau­ne Decke auf der Prit­sche. Ga­le­na hätte ihre En­er­gie nicht ver­schwen­den sol­len, um ihn zu hei­len. Das Zeo­lith ne­gier­te seine Gaben, aber es schütz­te ihn auch vor Maxis. So­bald er nicht mehr von dem Kris­tall um­ge­ben sein würde, würde Maxis ihn über seine Ver­bin­dung zu ihm fin­den und sein Ge­hirn ge­nau­so zer­mar­tern wie Phy­bes.
Er lach­te und ließ sei­nen Hin­ter­kopf gegen die Wand fal­len. Was hatte er sich nur dabei ge­dacht? Ram­say und Eryx wür­den ihn wegen Ver­rats am Gal­gen bau­meln las­sen, ob er ihnen nun die ge­wünsch­ten In­for­ma­tio­nen lie­fer­te oder nicht. Selbst wenn sie im Aus­tausch für sein Wis­sen Gnade wal­ten lie­ßen, würde er den Rest sei­nes Le­bens ein­ge­ker­kert in Zeo­lith ver­brin­gen müs­sen, und das war weit­aus schlim­mer als der Tod.
Zwei To­des­ur­tei­le oder ein Leben im Ge­fäng­nis. Er stieß ein Schnau­ben aus und ließ den Kopf hän­gen. Ganz gleich, wie die Sache aus­ge­hen würde, er war auf jeden Fall am Arsch.

***

Ga­le­na setz­te sich ruck­ar­tig im Bett auf und keuch­te. Ihre Hals­schlag­ader poch­te hef­tig und ihre Brüs­te schmerz­ten. Kühle Luft um­hüll­te ihre schweiß­nas­se Haut, als sie blin­zel­te und ver­such­te, sich zu ori­en­tie­ren. Sma­ragd­grü­ne Vor­hän­ge um­rahm­ten ein ge­öff­ne­tes Fens­ter, durch das sie den dunk­len Him­mel sehen konn­te. Eines ihrer Lieb­lings­ge­mäl­de hing an der ge­gen­über­lie­gen­den Wand. Ihr Zim­mer im Schloss.
Jetzt er­in­ner­te sie sich. Ram­say hatte ihr nicht er­laubt, nach Hause zu gehen.
Er hatte dar­auf be­stan­den, dass sie im Schloss über­nach­te­te, statt sich in ihre Hütte zu­rück­zu­zie­hen.
Sie zupf­te an der feuch­ten Seide, die ihren Bauch be­deck­te und at­me­te tief durch, bevor sie den Kopf zu­rück in die Kis­sen fal­len ließ. Die sinn­li­chen Bil­der ihres Traums spiel­ten sich noch ein­mal vor ihrem geis­ti­gen Auge ab. Sie und Reese, die ein­an­der lei­den­schaft­lich küss­ten, wäh­rend ihre schweiß­nas­sen Kör­per in­ein­an­der ver­schlun­gen waren. Sie press­te die Schen­kel zu­sam­men und stöhn­te auf, als ihr Un­ter­leib sich bei der Er­in­ne­rung zu­sam­men­zog.
In ihrem Traum hatte er sie ver­schlun­gen und sie auf eine Weise be­rührt, wie kein Mann es je zuvor im wirk­li­chen Leben getan hatte. Kühn. Wol­lüs­tig.
Ein Ver­rä­ter.
Sie schlug die Decke bei­sei­te und stand auf. Sie muss­te sich für rein gar nichts schä­men. Was mach­te es schon, wenn sie ihren Be­gier­den das Ge­sicht von Reese gab? Es be­deu­te­te nicht, dass sie sich nach ihm sehn­te, son­dern nur, dass sie selbst be­gehrt wer­den woll­te. Sie hatte keine Lust, in einer Be­zie­hung zu enden, nur um je­man­dem zu einem po­li­ti­schen Vor­teil zu ge­rei­chen oder die geist­lo­se Haus­frau zu spie­len. Sie woll­te mehr.
Sie strich sich die Haare aus dem Na­cken, stapf­te zum Fens­ter und stütz­te sich mit den Ell­bo­gen auf dem Stein­sims ab. Hätte sie sich auf ihre Ma­nie­ren be­son­nen und sich aus Ree­ses Kopf her­aus­ge­hal­ten, dann hätte sie ihrer Fan­ta­sie gar nicht so viel Stoff bie­ten kön­nen.
Sie lief hoch­rot an und ein er­stick­ter Laut ent­rang sich ihrer Kehle. Ei­gent­lich hatte sie nur her­aus­fin­den wol­len, ob er ir­gend­wel­che bösen Ab­sich­ten hegte und ihr be­droh­lich wer­den könn­te.
Aber sie hatte eine Über­ra­schung er­lebt. Sie hatte ihr Bild vor sich ge­se­hen. Unter all sei­nen letz­ten Er­in­ne­run­gen war es vor­herr­schend ge­we­sen.
Sah er sie wirk­lich auf diese Weise? So sexy? Und sinn­lich?
Eine Brise lieb­kos­te ihren Hals und um­weh­te ihre feuch­ten Haar­sträh­nen. Es däm­mer­te be­reits, doch ihre Um­ge­bung trat in den Hin­ter­grund. Wie würde es sich an­füh­len, wenn Reese ihren Na­cken be­rühr­te? Wenn er seine Hände in ihrem Haar ver­grub? Und sie sei­nen Atem an ihrem Hals spür­te?
Sie stieß sich vom Fens­ter ab und ging zum Klei­der­schrank. Es tat ihr nicht gut, sich der­ar­ti­gen Ge­dan­ken hin­zu­ge­ben. Au­ßer­dem war es nicht rea­lis­tisch. Der Mor­gen brach all­mäh­lich her­ein, was be­deu­te­te, dass sie zwölf, drei­zehn Stun­den ge­schla­fen hatte. Ge­nü­gend Zeit, um sich zu er­ho­len. Beim Gro­ßen, sie brauch­te die En­er­gie.
Mit men­ta­ler Kraft ent­zün­de­te sie die Ker­zen in ihrem Zim­mer. Kräf­ti­ge Far­ben und wei­che Stof­fe füll­ten ihren Klei­der­schrank. Dar­un­ter be­fan­den sich ei­ni­ge ele­gan­te Klei­der, doch ihre Gar­de­ro­be be­stand haupt­säch­lich aus Tu­ni­ken und be­que­men Leg­gings. An­de­re Frau­en hiel­ten sich an die alt­her­ge­brach­te Eti­ket­te und be­vor­zug­ten förm­li­che Klei­dung, aber für eine Hei­le­rin waren der­ar­ti­ge Roben nur hin­der­lich.
Sie ent­schied sich für ein sma­ragd­grü­nes En­sem­ble und bürs­te­te rasch ihr Haar. Was zum His­tus war nur in Ram­say ge­fah­ren? Von allen Mit­glie­dern ihrer Fa­mi­lie war Ram­say das fröh­lichs­te. Immer der Play­boy, der die Frau­en nur mit einem Au­gen­zwin­kern und einem Lä­cheln ihrer Hös­chen ent­le­di­gen konn­te. Selbst wäh­rend einer Schlacht hatte er hin und wie­der einen Scherz auf den Lip­pen. Warum war er also wü­tend?
Na­tür­lich hatte Reese auf der Seite der Re­bel­len ge­kämpft. Und er hatte of­fen­sicht­lich etwas zu ver­ber­gen. Den­noch schien das Aus­maß sei­ner Wut über­trie­ben. Ir­gend­et­was stimm­te da nicht.
Sie warf die Haar­bürs­te auf die Mar­mor­plat­te der Kom­mo­de. Das klap­pern­de Ge­räusch über­tön­te ihr frus­trier­tes Schnau­fen. War sie kurz­sich­tig ge­we­sen, als sie sich auf die Seite des Fein­des ge­stellt hatte? Ram­say und Eryx waren ihre ein­zi­gen le­ben­den Ver­wand­ten. Wie konn­te sie sie ver­ra­ten, indem sie auch nur an je­man­den dach­te, der der Re­bel­li­on dien­te? Ge­schwei­ge denn, über ihn zu fan­ta­sie­ren.
Sie schob den Ge­dan­ken bei­sei­te und griff nach ihrer Zahn­bürs­te. Statt in ihrem Zim­mer her­um­zu­sit­zen und Trüb­sal zu bla­sen, soll­te sie nach Bren­na sehen. Es war mutig von Eryx ge­we­sen, die tap­fe­re Men­schen­frau zu hei­len, die Lexi wäh­rend der Schlacht das Leben ge­ret­tet hatte. Nie­mand konn­te ahnen, wel­che Aus­wir­kun­gen der Ein­griff auf einen Sterb­li­chen haben würde, au­ßer­dem ver­set­ze er Eryx in eine heik­le Lage. Mal­ran hin oder her, er hatte gegen die my­re­ni­schen Ge­set­ze ver­sto­ßen, die jeg­li­che Ein­mi­schung in das mensch­li­che Schick­sal un­ter­sag­ten. Dafür könn­te er mit dem Tod be­straft wer­den.
Ein paar Wa­chen nick­ten ihr auf dem Weg zur Küche zu, aber die meis­ten von ihnen blick­ten stur ge­ra­de­aus.
So viele Krie­ger. Maxis hatte es ein­mal ge­schafft, zu ihrer Fa­mi­lie vor­zu­drin­gen, doch ein zwei­tes Mal würde er kei­nen Er­folg haben. Eryx ging ein­deu­tig kein Ri­si­ko ein. Sie könn­te wet­ten, dass er auch in ihrer Hütte Wa­chen ab­ge­stellt hatte.
Der Duft von frisch ge­ba­cke­nem Brot und etwas Süßem stieg ihr in die Nase, noch bevor sie die Küche be­trat. Als sie um die Ecke bog, be­grüß­te sie so­fort ein Schwall Wärme, der aus den Holz­öfen ström­te.
„Warum um alles in der Welt bist du schon wach?“
Ga­le­na stieß einen Schrei aus und wir­bel­te herum. „Orla.“ Sie rieb sich mit der Hand über ihre Brust und starr­te die grau­haa­ri­ge Frau an. „Zur Hölle, du hast mich zu Tode er­schreckt.“
Orla streck­te eine Hand in Ga­le­nas Rich­tung aus und schnipp­te mit den Fin­gern.
Ein Strom­stoß schoss durch den Raum und traf Ga­le­na in den Hin­tern. Sie zuck­te mit der Hüfte, doch eher aus Re­flex als vor Schmerz.
„Hüte deine Zunge, Ga­le­na. Aus dem Mund dei­ner Brü­der bin ich den mensch­li­chen Slang ja ge­wohnt, aber einer jun­gen Dame steht er nicht so gut zu Ge­sicht.“ Orla schloss die Tür zur Vor­rats­kam­mer mit der Hüfte und husch­te mit einer Kiste fri­scher Hefe zur Kü­chen­in­sel, wobei ihr lan­ges Haar offen über ihre Schul­tern wall­te. Für die früh­mor­gend­li­che Uhr­zeit grins­te sie viel zu strah­lend.
Ga­le­na rieb sich die Stel­le, die Orla mit ihrem Blitz ge­trof­fen hatte. „Lexi ver­bes­serst du auch nicht, und sie flucht mehr als die meis­ten Män­ner.“
„Na­tür­lich ver­bes­se­re ich sie nicht. Zum einen ist sie die Mal­ress. Und zum an­de­ren muss sie mit den Ker­len so spre­chen, wenn sie will, dass sie ihr zu­hö­ren.“ Sie trat um die Kü­chen­in­sel herum und tät­schel­te Ga­le­na die Wange. „In dei­nem Fall wir­ken sol­che Aus­drü­cke je­doch, als würde man ein schö­nes Kunst­werk mit Graf­fi­ti be­schmie­ren.“
Ga­le­na stieß einen Seuf­zer aus und lehn­te sich gegen die Ar­beits­plat­te, wäh­rend Orla in einem der Schrän­ke nach einer Schüs­sel kram­te.
So viel zum Thema Hun­ger. Sie wäre bes­ser be­ra­ten, wenn sie Rosen von ihren Dor­nen be­frei­en oder das Un­kraut in ihrem Gar­ten jäten würde. Warum alle ein klas­si­sches Kunst­werk in ihr sahen, würde sie nie ver­ste­hen. „Graf­fi­ti hat auch seine Reize.“
Orla dreh­te sich um, legte den Kopf schief und blick­te sie fra­gend an. „Stimmt etwas nicht?“ Sie stell­te die Scha­le bei­sei­te und schenk­te Ga­le­na ihre volle Auf­merk­sam­keit. „Du siehst aus, als wärst du nicht ganz … auf der Höhe.“
Nun, das war nicht über­ra­schend. Wenn ihr Äu­ße­res ihr In­ners­tes wi­der­spie­gel­te, sah sie wahr­schein­lich aus, als hätte sie eine fünf­tä­gi­ge Sauf­tour hin­ter sich.
Ga­le­na zö­ger­te und rieb die Hände an­ein­an­der. Orla hatte ein war­mes Herz und eine fröh­li­che Per­sön­lich­keit, aber sie hielt ver­bis­sen an alten Ge­pflo­gen­hei­ten fest. „Bis dein Bru­der eine Ge­fähr­tin ge­fun­den hat, musst du die Rolle dei­ner Mut­ter über­neh­men“, hatte sie ge­sagt. „Die kö­nig­li­che Fa­mi­lie ist ein Vor­bild für alle. Vor allem du musst der nächs­ten Ge­ne­ra­ti­on von Frau­en als gutes Bei­spiel vor­an­ge­hen.“
Sie ver­such­te, ein Schnau­ben zu un­ter­drü­cken, und klang dabei, als würde sie nie­sen. Nein. Mit Orla konn­te sie nicht ge­ra­de ein of­fen­her­zi­ges Ge­spräch von Frau zu Frau füh­ren. Sie stieß sich von der Kü­chen­in­sel ab und um­arm­te Orla herz­lich. „Es ist alles in Ord­nung. Wahr­schein­lich ist es ein­fach noch ein biss­chen zu früh für mich. So­bald die Sonne auf­geht, bin ich wie­der auf der Höhe.“
„Nimm dir etwas zu essen, wenn du schon mal hier bist. Auf dem Herd ste­hen fri­sches Brot und Bria­sh. Lexi hat mich wie­der ein­mal an­ge­fleht, Lastas zu ma­chen, aber die werde ich erst in ein paar Stun­den zu­be­rei­ten.“ Sie ließ ihren Blick durch die Küche schwei­fen und klopf­te dann die Ta­schen ihrer Schür­ze ab. „Ga­le­na, könn­test du mir meine Haar­span­ge holen? Ich glau­be, ich habe sie in der Nähe des Hin­ter­ein­gangs lie­gen las­sen, als ich heute Mor­gen rein­kam.“
Ga­le­na nick­te und schnapp­te sich auf dem Weg nach drau­ßen das End­stück eines Brot­laibs.
Genau wie Orla ge­sagt hatte, fand Ga­le­na die Span­ge auf dem Bei­stell­tisch neben den Klei­der­ha­ken am Hin­ter­ein­gang. Sie griff sie sich, wand­te sich der Küche zu und hielt kurz inne.
Der Ein­gang zum Ker­ker lag di­rekt vor ihr, fest ver­schlos­sen und un­be­wacht. Es war nicht ver­wun­der­lich, dass Eryx keine Wa­chen ab­ge­stellt hatte. Er mach­te sich zwar Sor­gen dar­über, dass je­mand ein­drin­gen könn­te, aber einen mög­li­chen Aus­bruch be­fürch­te­te er nicht. Es war noch nie nötig ge­we­sen, die Zel­len ab­zu­si­chern.
Sie war ver­sucht, nach Reese zu sehen. Weit und breit war nie­mand in der Nähe, daher könn­te auch nie­mand be­zeu­gen, dass sie in den Ker­kern war. Und falls er gar nicht dort wäre, würde es auch kei­nen Un­ter­schied ma­chen.
Nein. Reese ging sie nichts an. Falls Ram­say oder Eryx ihre Hilfe bräuch­ten, wür­den sie sich bei ihr mel­den.
Sie mach­te sich auf den Weg in die Küche. „Ich habe sie. Sie war genau da, wo du ge­sagt hast.“ Klang ihre Stim­me ein wenig zu schrill und zu fröh­lich? Sie legte die Span­ge bei­sei­te und nahm sich noch eine Schei­be Brot. „Gib mir Be­scheid, wenn die Lastas fer­tig sind. Ich werde Bren­na einen Be­such ab­stat­ten.“
Orla blick­te kaum von ihrem Teig auf. „Na­tür­lich, Lie­bes. Lass mich wis­sen, falls ich ir­gend­wie hel­fen kann.“
Ga­le­na ging in Rich­tung des Gäs­te­flü­gels, in dem sich Bren­na auf­hielt. Sie wäre wirk­lich bes­ser be­ra­ten, wenn sie nach dem Mäd­chen statt nach Reese sehen würde. Im­mer­hin hatte sie alles Nö­ti­ge getan, um ihn am Leben zu er­hal­ten, damit er ihnen In­for­ma­tio­nen lie­fern konn­te. Doch nun ging sie die Sache nichts mehr an.
An der un­ters­ten Trep­pen­stu­fe hielt sie inne. Was wäre, wenn Ram­say von Reese nichts er­fah­ren hatte? Ram­say war furcht­bar wü­tend ge­we­sen, als er ge­gan­gen war. Sie lief zu­rück in Rich­tung des Ker­kers, wobei sie der Küche auf lei­sen Soh­len aus­wich. Vor dem Hin­ter­ein­gang des Hau­ses waren zwei Wa­chen pos­tiert, die ihr je­doch den Rü­cken zu­ge­wandt hat­ten.
Sie ach­te­te dar­auf, beim Ent­rie­geln des Kel­ler­ein­gangs leise zu sein und öff­ne­te die Tür.
Eine Brise feuch­ter Luft strich ihr das Haar aus dem Na­cken. Der Ge­ruch von Pe­tro­le­um und Pech stieg ihr in dem von Fa­ckeln be­leuch­te­ten Gang in die Nase.
Hier unten waren keine Wa­chen zu sehen. Eine lange Reihe von Zel­len er­streck­te sich vor ihr, deren Türen alle ge­schlos­sen waren. Neben der Tür zu Ree­ses Ver­lies brann­te eine schwe­len­de Fa­ckel.
Mit zit­tern­den Hän­den, die sie lo­cker an ihrem Kör­per her­ab­hän­gen ließ, schlich sie sich näher an die Tür heran. Im In­ne­ren war es völ­lig still. Zu­min­dest konn­te sie außer dem Po­chen ihres ei­ge­nen Puls­schlags nichts hören. Sie tas­te­te nach dem ei­ser­nen Rie­gel und ein kal­ter Schau­er lief ihr über den Rü­cken. Ihre Brü­der wären si­cher außer sich, wenn sie davon er­füh­ren.
Sie wich einen Schritt zu­rück und fass­te sich an die Brust. Es war Wahn­sinn. Wenn sie diese Tür wirk­lich öff­ne­te, wäre sie eben­falls eine Ver­rä­te­rin und nicht bes­ser als Reese.
Sie wand­te sich dem Aus­gang zu.
„Ga­le­na.“
Als sie Ree­ses raue, tiefe Stim­me ver­nahm, blieb sie wie an­ge­wur­zelt ste­hen. Hatte sich seine Wunde wie­der in­fi­ziert? Hatte Ram­say ihn ge­fol­tert, um die ge­wünsch­ten In­for­ma­tio­nen aus ihm her­aus­zu­pres­sen? Und woher wuss­te er, dass sie es war, die vor sei­ner Tür stand?
„Geh nicht weg.“ Die Worte waren kaum mehr als ein Flüs­tern, doch sie ver­nahm, welch große Schmer­zen es ihm be­rei­te­te, sie aus­zu­spre­chen. „Du hast mein Wort, ich werde dir nicht weh­tun.“

***

Reese stemm­te sich gegen die Zel­len­wand und spür­te den glat­ten, kal­ten Kris­tall unter sei­nen Fin­ger­knö­cheln. Es konn­te nur Ga­le­na vor sei­ner Tür sein. Die Schrit­te eines Krie­gers wären viel schwe­rer, au­ßer­dem würde ein Mann nicht die­sen sanf­ten, blu­mi­gen Duft ver­strö­men, der in die Zelle drang. Er spitz­te die Ohren und lausch­te in die Stil­le hin­ein. Seine Augen brann­ten, als er den Ei­sen­rie­gel fi­xier­te, als könn­te er Ga­le­na mit sei­nem Star­ren dazu be­we­gen, die Tür zu öff­nen.
„Ich will nur mit dir reden und mich bei dir be­dan­ken. Es war nie meine Ab­sicht, den Blitz auf dich ab­zu­schie­ßen.“ Damit ge­stand er ihr zwar nicht un­be­dingt, dass er sei­nem Leben ein Ende hatte be­rei­ten wol­len, aber es schmerz­te den­noch, es aus­zu­spre­chen. Reese stieß sich von der Wand ab. Of­fen­bar würde sie die Tür nicht öff­nen, und er konn­te es ihr nicht ver­übeln. Aber zu­min­dest kann­te sie nun die Wahr­heit.
Im nächs­ten Mo­ment ver­nahm er ein me­tal­li­sches Ge­räusch und sein Herz mach­te einen Satz.
Die Tür öff­ne­te sich mit einem Knar­ren und Ga­le­nas Duft ström­te durch den Spalt. Das Licht der Fa­ckel hüll­te ihr Ge­sicht in Schat­ten und umgab ihre Sil­hou­et­te mit einem gol­de­nen Schim­mer. Ihre lange Tu­ni­ka und ihre Leg­gings schmieg­ten sich per­fekt an die weib­li­chen Kur­ven ihres Kör­pers. Ihre Hüfte war wie ge­schaf­fen, von einem Mann ge­packt zu wer­den.
Er schluck­te einen Kloß im Hals hin­un­ter und woll­te etwas sagen. Zu­min­dest soll­te er ihr dan­ken, doch seine Lip­pen woll­ten ihm nicht ge­hor­chen. Er drück­te sich an die hin­ters­te Wand, um sie nicht zu be­drän­gen.
Sie trat über die Schwel­le und stol­per­te.
Reese stürz­te nach vorn, um sie auf­zu­fan­gen.
Ga­le­na schnapp­te er­schro­cken nach Luft und hob ab­weh­rend die Hände in die Höhe. Reese wich so­fort zu­rück. „Tut mir leid.“
Sie strich über ihre Tu­ni­ka, rich­te­te sich auf und nick­te ihm zu. Ihre Stim­me zit­ter­te leicht, als sie sagte: „Die Wir­kung des Zeo­liths hat mich un­vor­be­rei­tet ge­trof­fen.“
„Wenn man lange genug in der Zelle ver­weilt, ge­wöhnt man sich daran.“ Er deu­te­te auf die Prit­sche. „Du kannst dich set­zen, wenn du willst. Ich werde dir nicht zu nahe kom­men.“
Sie mus­ter­te den Ab­stand zwi­schen ihm und dem be­helfs­mä­ßi­gen Bett und run­zel­te die Stirn.
Er konn­te ihr das Zö­gern nicht ver­den­ken. Nur we­ni­ge Frau­en wür­den sich mit einem Kriegs­ge­fan­ge­nen und einem Feld­bett si­cher füh­len. Er ließ sich auf den Boden glei­ten und lehn­te sich gegen die glat­te Kris­tall­wand, die sei­nen nack­ten Rü­cken kühl­te. Dann zog er die Knie an und legte die Un­ter­ar­me dar­auf. „Wie viel Uhr ist es?“
Ga­le­na ent­spann­te sich ein wenig und fal­te­te die Hände vor sich zu­sam­men. Die Geste wirk­te for­mell und ein wenig un­si­cher, aber ein Ge­spräch unter vier Augen in einem Ker­ker war auch nicht ge­ra­de ein an­ge­neh­mer Zeit­ver­treib. „Es ist kurz vor dem Mor­gen­grau­en.“ Sie blick­te sich in der Zelle um. „War Ram­say noch ein­mal hier?“
Er schüt­tel­te den Kopf. „Hast du ihn denn nicht ge­se­hen?“
Sie warf wie­der einen Blick auf die Prit­sche. „Nicht seit ges­tern Abend.“
„Ich habe dir mein Wort ge­ge­ben. Ich blei­be, wo ich bin. Wenn es dir lie­ber ist, kann ich das Bett näher an die Tür rü­cken.“
Etwas in ihrer Hal­tung ver­än­der­te sich. Plötz­lich strahl­te sie eine Selbst­si­cher­heit aus, die auch ihre Brü­der an den Tag leg­ten, doch an ihr wirk­te sie de­zen­ter und an­mu­ti­ger. Mit einer aus­la­den­den Geste zeig­te sie auf die schlich­te, schma­le Liege. „Mir wäre es lie­ber, du wür­dest dich set­zen, damit ich nach dei­ner Wunde sehen kann.“
Er stand lang­sam auf, um sie nicht zu er­schre­cken und ging zu der wa­cke­li­gen Prit­sche hin­über. „Du bist sehr ver­trau­ens­se­lig.“
Sie woll­te ge­ra­de zu ihm gehen und er­starr­te auf hal­bem Weg, wobei sie den Kopf zur Seite neig­te. „Wie kommst du dar­auf?“
Er deu­te­te mit dem Kinn in Rich­tung der ge­öff­ne­ten Tür. „Ich kenne nicht viele Frau­en, die ohne Wache eine Zelle be­tre­ten, ge­schwei­ge denn die Tür of­fen­ste­hen las­sen wür­den.“
Mit fins­te­rer Miene ging sie zu dem klei­nen Bei­stell­tisch und zog ihn samt der Kerze etwas näher heran. „Du hast mir dein Wort ge­ge­ben. Mein In­stinkt sagt mir, dass du dein Ver­spre­chen nicht bre­chen wirst. Wenn ich des­halb ver­trau­ens­se­lig bin, dann von mir aus.“
„Ram­say wäre si­cher an­de­rer Mei­nung.“
„Ich bin nicht Ram­say.“
„Das sehe ich.“ Er muss­te un­will­kür­lich grin­sen, denn mit dem Wort­wech­sel hatte er ein Feuer zwi­schen ihnen ent­facht.
„Er ist im Mo­ment nicht er selbst“, er­klär­te sie. „Wir haben mit Maxis und der Re­bel­li­on eine Menge Ärger.“ Ihre Stim­me klang sach­lich und nüch­tern, als sie vor ihm auf die Knie ging, um seine Schul­ter zu un­ter­su­chen.
Noch bevor sie ihn be­rüh­ren konn­te, pack­te Reese sie am Hand­ge­lenk. „Du musst sein Ver­hal­ten nicht recht­fer­ti­gen, Ga­le­na. Ich habe noch viel Schlim­me­res ver­dient.“
Beim Gro­ßen, sie war wirk­lich wun­der­schön. Sie strahl­te eine star­ke, sinn­li­che Aura aus, in der auch eine ge­wis­se Un­schuld mit­schwang. Er konn­te ihren Puls füh­len, der schnell und kräf­tig schlug. „Au­ßer­dem bist du klug. Und mutig. Kei­ner der Krie­ger ist auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, mich wegen der In­for­ma­tio­nen am Leben zu las­sen, doch du bist in die Bre­sche ge­sprun­gen und hast mich ge­ret­tet.“
„So viel An­er­ken­nung ge­bührt mir nicht.“ Sie ent­zog ihre Hand sei­nem Griff und be­rühr­te den Rand sei­ner Wunde, die lang­sam, aber si­cher ver­heil­te. „Ich habe gar nicht dar­über nach­ge­dacht, son­dern ein­fach nur ge­han­delt.“
Reese stieß ein Zi­schen aus und er­schau­der­te, wor­auf­hin Ga­le­na so­fort ihre Hand zu­rück­zog. „Habe ich dir weh­ge­tan?“
Würde sinn­li­che Fol­ter auch zäh­len? Sie hätte ihn ge­nau­so gut zwi­schen den Bei­nen strei­cheln kön­nen. „Es geht mir gut.“
Sie run­zel­te die Stirn und lehn­te sich zu­rück, wobei sie einen arg­wöh­ni­schen Aus­druck auf dem Ge­sicht hatte.
„Dann hast du es getan, weil du dich von der In­tui­ti­on einer Hei­le­rin hast lei­ten las­sen?“
Keine Ant­wort.
„Wenn du mich nicht wegen mei­nes Wis­sens ge­heilt hast, warum dann?“, frag­te er.
Sie rühr­te sich nicht, doch sie warf ihm flüch­tig einen Blick aus dem Au­gen­win­kel zu, bevor sie sich wie­der auf die Wunde kon­zen­trier­te. Eine hüb­sche Röte brei­te­te sich auf ihren Wan­gen aus, als sie sein Hand­ge­lenk pack­te, um sei­nen Puls zu prü­fen. „Warum willst du mein Ver­hal­ten be­grün­den? Warum kannst du nicht ein­fach dank­bar sein, dass du noch am Leben bist?“
„Weil es bes­ten­falls eine Gna­den­frist ist. Ent­we­der werde ich in die­ser Zelle ster­ben, von dei­nem Bru­der zum Tode ver­ur­teilt wer­den oder Maxis wird mich töten.“
Sie er­starr­te.
Er soll­te es ihr sagen. Ram­say hatte recht. Sie hatte ihn gleich zwei­mal ge­ret­tet, und hatte es ver­dient, die Wahr­heit zu er­fah­ren. „Deine Be­reit­schaft, mich zu hei­len, be­deu­te­te mir viel. Ganz gleich, aus wel­chen Grün­den du es getan hast.“
Im Schein der Kerze schien ihr Haar eher kas­ta­ni­en­braun als rot­braun. Sie neig­te den Kopf, und plötz­lich wuss­te er, an wel­che Blume ihr Duft ihn er­in­ner­te. Sie roch nach Lo­tos­blü­te. Das Aroma pass­te zu der exo­ti­schen Farbe ihrer Augen. Er muss­te dabei an ein Meer den­ken, das an den wei­ßen Sand­strand einer ka­ri­bi­schen Küste bran­de­te.
Nie hätte er sich träu­men las­sen, ihr je­mals so nah zu sein. Nicht ein­mal, als er vor all den Jah­ren mit Ram­say das Schloss be­sucht hatte. „Ich hatte schon immer ein Auge auf dich.“ In die­sem Mo­ment war ein der­ar­ti­ges Ge­ständ­nis wahr­schein­lich we­ni­ger klug. An­de­rer­seits würde er wahr­schein­lich nicht mehr lange leben. Die Kon­se­quen­zen konn­ten also kaum schlim­mer sein.
Sie be­geg­ne­te sei­nem Blick und öff­ne­te den Mund.
„Es ist schon lange her“, fuhr er fort. „Da­mals habe ich noch mit Ram­say trai­niert. Hat er dir von mir er­zählt?“
Sie legte den Kopf schief und be­trach­te­te ein­ge­hend seine Wunde. Es war zwar kein Ja, aber auch kein Nein.
„Ich habe mich nicht oft im Schloss auf­ge­hal­ten, doch wenn ich ein­mal dort war, dann habe ich nach dir Aus­schau ge­hal­ten. Du hat­test deine Er­we­ckungs­ze­re­mo­nie ge­ra­de erst durch­lau­fen. In mei­nen Augen warst du per­fekt.“ Er legte eine Hand an ihre Wange. „Daran hat sich nichts ge­än­dert.“ Mit den Fin­gern strich er über ihre Wange. „Deine Haut ist ge­nau­so warm und weich, wie ich sie mir vor­ge­stellt habe.“
Sie schmieg­te sich an seine Hand. Kaum merk­lich. Wahr­schein­lich war es ihr nicht ein­mal be­wusst. Ihre Augen wur­den wei­cher, als sie die Lider senk­te und ihr Haar über seine Fin­ger­knö­chel fiel.
„Reese.“ Ihre Stim­me war kaum mehr als ein Flüs­tern.
„Du siehst das Gute in mir“, sagte er, „doch dein Bru­der kann mir meine Taten nicht ver­zei­hen. Und das soll­te er auch nicht. In we­ni­gen Tagen, wenn nicht sogar Stun­den, werde ich für meine Ver­bre­chen ster­ben.“ Woll­te er es wirk­lich tun? Würde er mit der De­mü­ti­gung leben kön­nen, falls sie ihm sei­nen Wunsch ver­wei­ger­te?
Auf jeden Fall.
Mit dem Fin­ger strich er über ihre Un­ter­lip­pe und spür­te ihren Atem auf sei­ner Haut. „Ich habe mir immer vor­ge­stellt, wie deine Lip­pen sich an mei­nen an­füh­len wür­den. Wirst du mir die­ses Ge­schenk ma­chen?“
Ga­le­na er­starr­te. „Du willst …“
„Einen Kuss.“ Er­neut strich er mit dem Fin­ger über ihren Mund und sie folg­te mit der Zunge sei­ner Be­rüh­rung. „Nur einen.“
Sie schluck­te und schloss die Augen, als sie ihm einen Kuss in die Hand­flä­che drück­te.
Er spann­te sich an und glaub­te schon, sie würde ihm eine Ab­fuhr er­tei­len.
Dann öff­ne­te sie die Augen. Er zuck­te förm­lich zu­sam­men, als er die Lei­den­schaft in ihrem Blick sah. „Einen.“ In dem ein­zel­nen Wort lagen so viel Ge­fühl, Be­gier­de, Dring­lich­keit, Furcht und Scham zu­gleich.
Er beug­te sich vor und schlang seine freie Hand um ihren Na­cken. Ein an­stän­di­ger Mann würde sich nicht von sei­nen Be­gier­den lei­ten las­sen, doch ein weit­aus ani­ma­li­scher und in­stinkt­ge­steu­er­ter Teil in sei­nem In­ne­ren hatte nun die Kon­trol­le über­nom­men. Ihre Lip­pen waren den sei­nen so nah, dass er ein Krib­beln ver­spür­te. Einen Mo­ment ver­harr­te er in die­ser Po­si­ti­on und ge­noss das Ge­fühl, das sie in ihm her­vor­rief. Er woll­te sich auf ewig daran er­in­nern.
„Bitte“, flüs­ter­te sie.
Er fes­tig­te den Griff um ihren Na­cken und neig­te ihren Kopf nach hin­ten. Dann beug­te er sich lang­sam und be­hut­sam vor.
Sie öff­ne­te ihre wei­chen, vol­len Lip­pen und leck­te über ihre Un­ter­lip­pe. Mit einem Stöh­nen kam sie ihm ent­ge­gen, und er ließ seine Zunge in ihren Mund glei­ten.
Ihm ent­fuhr ein Knur­ren, als er ihr Aroma kos­te­te. Sie schmeck­te nach Minze und etwas, das ihn an träge Vor­mit­ta­ge und Son­nen­schein er­in­ner­te. Ihr Atem ver­meng­te sich mit sei­nem und ström­te heiß zwi­schen ihren ge­schmei­di­gen Lip­pen her­vor. Scheiß auf ge­wöhn­li­che Luft. Er woll­te nur noch von ihrem Atem leben und damit tag­ein, tag­aus seine Lunge fül­len.